Rummel ums iPhone:Mehr als Marketing

Bis zu zweitausend Dollar wollen Apple und AT&T von den künftigen iPhone-Besitzern haben. Und die stehen Schlange. Sind jetzt alle verrückt geworden?

Thorsten Riedl

2000 Dollar sind eine Menge Geld. Dafür lässt es sich in den Urlaub fahren - sogar mit der ganzen Familie. Einen gebrauchten, wenn auch alten Kleinwagen gibt es dafür ebenso wie einen neuen, mit moderner Technik vollgestopften Computer.

2000 Dollar entspricht allerdings auch dem Preis, den der Computerhersteller Apple und die nordamerikanische Telefongesellschaft AT&T von ihren Kunden verlangen, wenn sie zwei Jahre lang mit dem iPhone telefonieren wollen.

180 Millionen Webseiten und nur ein Thema

So viel kostet das Handy von Apple samt Tarif von AT&T - im günstigsten Fall. In der Luxusvariante werden 3000 Dollar fällig. Dennoch campieren schon vier Tage vor dem Verkaufsstart des Gerätes die Ersten in Nordamerika vor den Geschäften. Sind jetzt alle verrückt geworden?

Alle Welt schaut im Moment entgeistert auf Apple und die Hysterie, die um das neue Telefon - denn um mehr handelt es sich nicht - des kalifornischen Konzerns entbrannt ist.

Weit mehr als 180 Millionen Webseiten findet die Internetsuchmaschine Google, auf denen über das iPhone debattiert wird. Dabei hat sich seit der Vorstellung des Gerätes durch Apple-Chef Steve Jobs zum Anfang dieses Jahres niemand von Apple mehr dazu geäußert.

Bis vor wenigen Wochen hat kein Mensch außerhalb des Computerherstellers das Telefon gesehen - und doch glauben viele, das iPhone werde die Industrie revolutionieren.

Lektion für die Rivalen

Welchen Erfolg das neue Produkt von Apple auch haben wird, eine Lektion für die Rivalen lässt sich aus dem Geschrei um das iPhone bereits ableiten: Der Durchschnittskunde will nicht die neuesten, technischen Funktionen - er will ein einfach zu bedienendes Gerät, das zudem noch schick aussieht.

Beispiel Computer: Bis vor wenigen Jahren war es wichtig, beim Kauf eines Rechners auf die verwendete Technik zu achten. Ein schnellerer Prozessor konnte durchaus dafür Sorge tragen, dass die Rechnung in der Tabellenkalkulation in kürzerer Zeit vonstatten ging.

Vor den Filialen des Lebensmitteldiscounters Aldi bildeten sich damals lange Schlangen, wenn die neuesten Geräte zum Verkauf standen. Regelmäßig waren die Regale innerhalb kurzer Zeit ausverkauft. Doch das ist vorbei: In den Industriestaaten flacht der Verkauf mit Computern ab. Zudem erledigt jeder Rechner heute die täglich anfallenden Probleme mit links.

Ein Niveau, das im Normalfall ausreicht

Wird ein Produkt zum Alltagsgut, nähert sich ein Markt seiner Sättigungsgrenze, verändern sich bei den Konsumenten die Prioritäten. Es stehen dann nicht mehr die Funktionen im Vordergrund, denn die haben bei mehr oder weniger allen Geräten ein Niveau erreicht, das im Normalfall ausreicht. Wichtiger für die Kaufentscheidung wird dann, wie einfach sich ein Produkt bedienen lässt oder auch, wie hübsch es aussieht.

Die Handybranche steht vor einer ähnlichen Entwicklung, wie es die Hersteller von Computern bereits durchleben. Rechnerisch hat in Deutschland schon jeder mehr als ein Mobiltelefon. Dennoch stellen Handyhersteller noch immer die Funktionsvielfalt der Geräte in den Vordergrund.

Mit "Dein Computer 2.0" beispielsweise wirbt Nokia für das Gerät namens E95. Das Handy findet über Satellitennavigation den Weg, spielt Musik, verwaltet Termine und Adressen, kann natürlich telefonieren - und ist für durchschnittliche Nutzer ohne ausgeprägte technische Kenntnisse ziemlich schwer zu bedienen.

Emotionale Kampagne

Andere verstehen die Bedürfnisse der Kunden besser: Sony-Ericsson fährt eine emotionale Werbekampagne, lässt die Funktionen der Geräte im Hintergrund - und wächst im Moment so stark wie kein zweites Unternehmen der Branche.

Die Hysterie um das iPhone in den Staaten muss man nicht verstehen. Wer ein Handy für 2000 Dollar oder mehr kauft, betrachtet das für sich als Statussymbol. Die Hersteller von technischen Geräten jeder Art sollten aber genau schauen, welchen Wert Apple auf das Design der Geräte, die Bedienerfreundlichkeit oder das reibungslose Zusammenspiel mit anderen Produkten wie etwa einer Funkfreisprechanlage bei seinem Telefon legt.

Daraus können sie viel über den Erfolg in den gesättigten Märkten der Industriestaaten lernen. Verstecken müssen sich die Rivalen von Apple mit ihren Erzeugnissen nicht - schließlich bringt auch Apple nur ein neues Mobiltelefon auf den Markt.

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