Rüstungsunternehmen und Cyber-Sicherheit:Geschäft mit den unsichtbaren Waffen

Hacker-Attacken nehmen zu, das zeigt der neueste Fall der chinesischen Truppe: Die Furcht von Staaten und Unternehmen ist ein gutes Geschäft für Rüstungsfirmen. Doch Offensivwaffen bauen sie nicht, heißt es aus der Industrie - zumindest nicht in Deutschland.

Von Jannis Brühl

Programmierer könnten Panzerbauern in nicht allzu ferner Zukunft den Rang ablaufen. Sie sichern Netzwerke, bauen unbezwingbare Firewalls und simulieren Hacker-Angriffe. Dabei hilft ihnen die digitale Variante einer klassisch militärischen Disziplin, die schon Spione in den beiden Weltkriegen nutzten: Kryptographie, die Verschlüsselung von Informationen. Weil jemand die vielen Zeilen Software Code schreiben muss, um Länder und Firmen gegen Hacker zu schützen, will Cassidian die Zahl seiner Cyber-Experten in den kommenden drei Jahren auf 700 verdoppeln.

Die Verteidigung gegen Attacken aus dem Netz rückt auf der Agenda der Rüstungsfirmen immer weiter oben. Nur der Rest der Gesellschaft habe das noch nicht so richtig gemerkt, sagt Thomas Köhler, Chef des Geschäftsbereichs Cyber-Sicherheit Deutschland beim Waffenherstellers Cassidian: "Der Cyberraum ist Bestandteil unseres Alltags geworden. Wir müssen in der deutschen Öffentlichkeit, Wirtschaft und Politik ein noch stärkeres Bewusstsein und Maßnahmen für eine präventive Cyber-Sicherheitskultur schaffen." Dann laufen auch die digitalen Geschäfte seiner EADS-Waffensparte noch besser.

Auf mehr als 60 Milliarden Euro wird das Volumen der Geschäfte mit der PC-Sicherheit geschätzt, wovon allerdings nur ein Teil im militärischen Sektor abgewickelt wird. Nicht einmal ein Zehntel des globalen Rüstungsmarktes - dafür wachsen die Verkäufe von Cyber-Sicherheit jährlich um zehn Prozent, sagt Barry Jaber von den Wirtschaftsprüfern von Pricewaterhouse Coopers (PWC). "In diesem Markt kommen Rüstungsunternehmen und die Jungs aus Silicon Valley zusammen." Elite-Universitäten brächten mittlerweile nicht mehr genug fähige Programmierer für die Unternehmen hervor.

Der Ausbau der IT-Defensive bedeutet somit auch, dass sich die Waffenbauer der Welt den Zivilisten zuwenden. Der britische Waffenkonzern BAE hatte am Montag bekannt gegeben, mit dem Mobilfunkanbieter Vodafone zu kooperieren. Sie wollen Handys vor Hackern schützen.

Die größte Nachfrage nach Cyber-Sicherheit kommt PWC zufolge aus dem Privatsektor. Einzige Ausnahme sind die Vereinigten Staaten: Dort gibt der Staat fast genauso viel dafür aus wie Unternehmen.

Vorbei also die Zeiten, als nur Armee-Erfindungen wie Mikrowelle oder Cargo-Hose in den Alltag der Bürger eindrangen. Tim Stuchtey analysiert am Bigs-Institut für Rüstungsforschung der Uni Potsdam die Waffenwirtschaft und beobachtet: "Traditionell fand der Transfer von Innovationen vom militärischen in den zivilen Bereich statt. Jetzt läuft es umgekehrt." Als Beispiel nennt er Soldaten, die speziell gehärtete iPads im Feld zur Orientierung und Planung nutzen.

Wenn Rüstungsfirmen selbst gehackt werden

Die Cyber-Attacken nehmen zu, das haben die Erkenntnisse über die digital gut bewaffnete "Einheit 61398" aus China erst am Dienstag bestätigt. Rüstungsunternehmen versuchen, mit Cyber-Sicherheit Einbußen zu kompensieren, die ihnen durch Sparprogramme und Truppenreduzierungen im Westen entstehen, wie auch das auf Sicherheitspolitik spezialisierte Forschungsinstitut Sipri in seinem Jahresbericht feststellt. BAE veröffentlichte am Mittwoch Zahlen: Die Briten verloren in fast allen traditionellen Sparten, nur bei Cyber-Produkten setzten sie mehr um.

Gerüchte über digitale Angriffswaffen dementiert Cassidian. Die würden in Deutschland nicht programmiert. Seit der Attacke des Computerwurms Stuxnet auf Iran stehen zum Beispiel die USA und Israel unter Cyber-Krieg-Verdacht. PWC-Analyst Jaber hat berechnet, dass die USA bis zu zehn Milliarden Dollar im Jahr für offensive Software ausgeben. Cassidian betont, dass sich das Unternehmen streng an staatliche Regulierungen hält.

Dass Cybersecurity jedoch wie traditionelle Waffentechnik moralische Fragen aufwirft, zeigt das Beispiel Gamma Group. In München wird ein Trojaner namens Finfisher entwickelt, der Computer ausspähen und Handys abhören kann. Gamma verkauft das Programm mit Hilfe anderer Firmen an Polizei und Geheimdienste weltweit. Menschenrechtsorganisationen werfen Gamma deshalb vor, auch an Diktaturen zu liefern. Früher war Gamma eine klassische Sicherheitsfirma, verkaufte Wanzen, Überwachungswagen, Sicherheitstraining für Bodyguards. Jetzt macht sie nach eigenen Angaben mehr als die Hälfte des Umsatzes mit digitaler Überwachungstechnik.

Die großen Rüstungsfirmen müssen sich auf die neuen Zeiten einstellen, sie kaufen Software-Expertise ein: Die Waffenbauer übernehmen spezialisierte Tech-Unternehmen. Bestes Beispiel für den Kaufrausch ist das US-Unternehmen Raytheon. Der Hersteller von Cruise Missiles übernahm seit 2007 ganze elf IT-Firmen, zuletzt Teligy, einen kleinen Experten für drahtlose Kommunikation. Im Gegensatz zur traditionellen Waffenbranche konkurrieren Rüstungsfirmen beim Wettbieten um die beste IT mit zivilen Konzernen wie Intel oder Dell, die an der Furcht vor Hackern mitverdienen wollen.

Die Rüstungsfirmen müssen sich allein schon wegen der eigenen Sicherheit um Verteidigungstechnik kümmern: Sie sind beliebte Ziele von Hackern. Peinlich war es für Lockheed Martin und BAE, als bekannt wurde, dass diese sich Zugang zu Informationen über den Kampfjet F-35 beschafft hatten.

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