Rüstungskonzern Diehl:Der Patriarch

Panzerketten, Lenkwaffen, Duz-Freundschaft mit Franz-Josef Strauß: Der Unternehmer Karl Diehl, einst NSDAP-Mitglied und heute Ehrenbürger von Nürnberg, wird 100 Jahre alt.

Uwe Ritzer

Nein, sagt Herbert Wust, oft komme Karl Diehl nicht mehr ins Büro. Wenngleich er trotz seiner 100 Lebensjahre, die er an diesem Freitag vollendet, "bei stabiler Gesundheit" sei und "regen Anteil an der Entwicklung des Unternehmens" nehme.

Foto: dpa / Diehl Rüstungskonzern Nürnberg Unternehmen Jubiläum 100 Familienunternehmen

Die Firma von Karl Diehl gilt als eines der bedeutendsten Familienunternehmen Deutschlands.

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Kritiker sagen, die Entwicklung des Nürnberger Technologie- und Rüstungskonzerns Diehl verlaufe gebremst, weil dort bis heute keine wichtige Entscheidung ohne das Plazet des hochbetagten Seniorchefs falle. Wust, der Generalbevollmächtigte der Firma, sagt nur, es sei "natürlich vorstellbar, dass innerhalb der Familie grundsätzliche Dinge mit ihm besprochen werden."

Dafür spricht in der Tat einiges, denn Karl Diehl gilt als einer der Firmenpatriarchen der neueren deutschen Wirtschaftsgeschichte. Erst 2002, mit 95, zog er sich vom Vorsitz des Aufsichtsrates zurück, um seither als dessen Ehrenvorsitzender auf Lebenszeit zu fungieren.

Noch bis Ende der siebziger Jahre hatte Karl Diehl die Firma selbst gesteuert, ehe er vorübergehend an familienfremde Manager übergab. Heute wird der Konzern mit seinen 10.300 Beschäftigten von den drei Diehl-Söhnen gelenkt, die sich dabei selbst und gegenseitig kontrollieren - manche sagen, auch bremsen.

Jurist Werner, 60, ist Aufsichtsratsvorsitzender, sein Bruder Peter, 57, Stellvertreter. Auch Thomas Diehl, 56, gehört dem Aufsichtsrat an, ist zugleich aber als Vorstandschef auch verantwortlich für das operative Geschäft. Die Firma gehört seit 1997 einer Stiftung, und bayerisches Stiftungsrecht macht die merkwürdige Konstruktion möglich.

Früh in die NSDAP

Wie reibungslos das Triumvirat der auch in ihren strategischen Vorstellungen unterschiedlichen Brüder funktioniert, ist von außen schwer zu beurteilen. Zu hören ist wenig, Diskretion ist wichtig im Rüstungsgeschäft, in dem das Familienunternehmen ein Drittel seines Umsatzes erwirtschaftet.

Karl Diehl, ein enger Duz-Freund des früheren Verteidigungsministers und CSU-Chefs Franz-Josef Strauß, hatte die Firma zu einem wichtigen Lieferanten von Bundeswehr und Nato gemacht. Die bezogen von dort Panzerketten, Lenkwaffen und Zünder.

Um nicht von der Wehrtechnik abhängig zu sein, entwickelte sich Diehl zur Technologieschmiede und erschloss neue Geschäftsfelder in der zivilen Luftfahrt und durch die Übernahme der längst wieder verkauften Uhrenfirma Junghans.

Karl Diehls Vater Heinrich hatte die Firma 1902 als Kunstgießerei gegründet, die 1917 zum "Metall-, Guß- und Presswerk Heinrich Diehl" umfirmierte. Das war folgerichtig, denn im Ersten Weltkrieg hatte sich der Schwerpunkt zur Metallverarbeitung und zur Herstellung von Rüstungsgütern verschoben.

Schicksale nachgeordnet

1930 trat Karl Diehl 23-jährig nach Maschinenbaustudium und kaufmännischer Ausbildung in den elterlichen Betrieb ein, dessen Leitung er 1938 übernahm. Heinrich und Karl Diehl waren früh Mitglieder der NSDAP geworden, aus Pragmatismus, um sich, ihre Familie und das Unternehmen nicht zu gefährden, urteilte später der Erlanger Historiker Gregor Schöllgen.

Ihn und seinen Berliner Kollegen Wolfgang Benz hatte Diehl mit der Aufarbeitung der Firmengeschichte betraut, nachdem im Zuge der Verleihung der Nürnberger Ehrenbürgerwürde an Karl Diehl 1997 schwere Vorwürfe laut geworden waren.

Während des Zweiten Weltkrieges waren in einem polnischen Werk jüdische Zwangsarbeiterinnen eingesetzt und misshandelt worden. Am Ende seiner Untersuchung kam Historiker Benz zum Schluss, "das persönliche Schicksal der Zwangsarbeiter" sei zwar "den Produktionszielen des Unternehmens nachgeordnet" gewesen, aber Diehl sei keine persönliche Schuld nachzuweisen. Der Unternehmer zahlte freiwillige Entschädigungen an die betroffenen Frauen.

Von der IG Metall geschätzt

In der heftigen öffentlichen Debatte immer an seiner Seite hatte der Industrielle die IG Metall. Sie rechnet ihm hoch an, dass Diehl bis heute fast 80 Prozent seiner Arbeitsplätze in Deutschland hat, davon 3000 im Raum Nürnberg.

Auch als das Ende des Kalten Krieges und die einsetzende Globalisierung Diehl im Wehrtechnik- und im Metallgeschäft gleichermaßen zusetzten, baute er nur moderat Stellen ab.

In seiner Heimatstad tritt Karl Diehl vor allem als Mäzen in Erscheinung. Mit Millionenbeträgen unterstützte er den Wiederaufbau und den Erhalt der im Krieg zerbombten Nürnberger Altstadt.

Auch zu seinem 100. Geburtstag spendet er dafür eine halbe Million Euro. Genauso viel Geld fließt in eine von zwei Stiftungen, die er für Menschen und speziell für in Not geratene Ex-Mitarbeiter eingerichtet hat. Aktuelle Diehl-Beschäftigte erhalten zum Geburtstag des Patriarchen einen freien Tag.

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