Rücktritt des Schweizer Nationalbankpräsidenten:Grüezi Gott, das war's

"Dafür stehe ich vor Ihnen mit meinem Ehrenwort": Der Chef der Schweizerischen Nationalbank, Philipp Hildebrand, nutzt seinen Abgang, um seine Unschuld zu beteuern. Trotzdem könnte die Affäre die Schweizer Psyche abermals nachhaltig erschüttern.

Thomas Kirchner

Nein, er habe nie gelogen in dieser Sache, er habe nie gefehlt - aber dennoch hat der Schweizer Nationalbankpräsident wegen des Vorwurfs von Insidergeschäften seinen sofortigen Rücktritt erklärt. Nach langem Nachdenken und angesichts der vehementen öffentlichen Diskussion sehe er, keinen "abschließenden und definitiven Beweis" liefern zu können, dass die beanstandeten Finanztransaktionen ohne sein Wissen angeordnet worden seien, sagte Philipp Hildebrand am Montag in Bern.

In dieser schwierigen Zeit müsse der Gouverneur einer Notenbank aber absolute Glaubwürdigkeit haben, sonst bestehe die Gefahr, dass er schwierige Entscheidungen nicht mehr treffen und kraftvoll umsetzen könne. Das Amt übernimmt zunächst sein Stellvertreter Thomas Jordan.

Hildebrand war in Verdacht geraten, sein Wissen als Präsident der Nationalbank (SNB) möglicherweise zu Geld gemacht zu haben. Im Detail geht es hauptsächlich um eine Transaktion vom 15. August 2011, als Hildebrands Frau Kashya, eine Finanzexpertin und Galeristin, für 400.000 Franken etwas mehr als 500.000 Dollar kaufte, zwar über sein Konto bei der Basler Bank Sarasin - aber ohne sein Wissen, wie Hildebrand beteuert. Der Schweizer Franken stand damals im Vergleich zum Dollar auf einem hohen Stand. Anfang September setzte die Nationalbank einen Mindest-Wechselkurs von 1,20 Franken zum Euro fest, woraufhin der Wert des Dollar im Vergleich zum Franken stieg.

Oder war es doch Hildebrand selbst, der die Transaktion veranlasste? Das behauptet das Magazin Weltwoche unter Berufung auf den Whistleblower, jenen Sarasin-Mitarbeiter, der Hildebrands Kundendaten heimlich fotografierte. Hildebrand legte am Montag den Gegenbeweis in Form einer E-Mail vor, die seine Frau, als Bestätigung einer vorherigen mündlichen Verabredung, an den Bankberater der Familie geschickt hatte.

Der Wortlaut dieser Mail stand schon in der Sonntagspresse: "Lieber Felix, wie besprochen möchten wir unsere FX-Position von 31 auf 50 Prozent erhöhen." FX steht für Fremdwährungen. Das Wort "wir" in der Mail (im Original: "we would like to") lässt zumindest vermuten, dass Kashya Hildebrand in Einvernehmen mit ihrem Mann gehandelt hat.

Auf einer ersten Pressekonferenz hatte Hildebrand das Handeln seiner Frau indirekt mit deren "starker Persönlichkeit" zu erklären versucht. Am Montag wiederholte er, er habe sich inhaltlich nichts vorzuwerfen: "Dafür stehe ich vor Ihnen mit meinem Ehrenwort." Dennoch seien im Umfeld der Transaktion Fehler gemacht worden, die er bedaure. Was er damit meinte, sagte Hildebrand nicht. Er habe seit jener Pressekonferenz genug Zeit zum Nachdenken gehabt, um einzusehen, dass er die Affäre nicht vom Tisch bekomme. Auch seien nach einigem Suchen seither neue Dokumente aufgetaucht. Neben Material, das ihn eher entlaste, sei darunter auch eine Kundennotiz der Bank Sarasin, in der sein Berater festhält, Hildebrand habe sich mit dem Devisenkauf seiner Frau einverstanden erklärt.

Weitere Franken-Dollar-Transaktionen

Ebenfalls belastend ist, dass Hildebrand an ebenjenem 15. August 20.000 Dollar für seine Tochter kaufte. Unbestritten ist auch, dass Hildebrand zumindest im Laufe des vergangenen Jahres weitere Franken-Dollar-Transaktionen, zum Teil in Millionenhöhe, veranlasste. Er erklärt dies mit Immobiliengeschäften. Im Februar verkaufte er ein Chalet bei Gstaad für 3,3 Millionen Franken. Ein Drittel legte er in Dollars an, wovon er wiederum im Oktober einen Teil in Franken zurückwechselte, um eine Ferienwohnung in Graubünden zu erwerben.

Da beide Geschäfte in Franken getätigt wurden, gibt es eigentlich keinen plausiblen Grund für die Tauschaktionen - außer dem Wunsch, von Währungsschwankungen zu profitieren. Dass dies anrüchig ist bei einem Notenbankpräsidenten, der den Wert von Währungen mit seinem Handeln direkt beeinflusst, darüber herrscht Einvernehmen in der Schweizer Öffentlichkeit.

Hildebrand betonte, er habe diese Devisengeschäfte damals nicht als problematisch angesehen. "Sonst hätte ich sie ja nicht gemacht." Der Dollar und Geschäfte mit ihm gehörten einfach seit 20 Jahren "zu dem Leben, das wir führen". Im Nachhinein sei ihm klar, dass solche Transaktionen für einen Notenbanker, dessen höchstes Gut die Glaubwürdigkeit sei, nicht in Ordnung seien.

Politische Dimensionen

Der 48-Jährige ist seit 2010 im Amt und gilt als international versierter Fachmann. Nach der Pleite der US-Großbank Lehman Brothers forderte er strengere Eigenkapitalvorschriften für die Großbanken UBS und Credit Suisse ein, womit er sich auf dem Schweizer Bankenplatz Feinde machte. Besonders Christoph Blocher, Vordenker der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP), wirft Hildebrand, Staatsvermögen zu verschleudern. Blocher ärgert sich vor allem darüber, dass die SNB mit Euro-Stützungskäufen im Kampf gegen die starke Landeswährung mehr als 26 Milliarden Schweizer Franken verpulvert hat. Mehrmals hat er Hildebrands Rücktritt gefordert.

Swiss National Bank Chairman Hildebrand leaves after a news conference in Bern

Der Chef der Schweizerischen Nationalbank Philipp Hildebrand tritt zurück. Er könne keinen definitiven Beweis gegen die umstrittenen Vorwürfe vorlegen.

(Foto: REUTERS)

Parteipolitische Note durch Blocher

Ausgerechnet Blocher spielt nun eine wichtige Rolle als Briefträger in der Affäre. Sie war ans Licht gekommen, nachdem sich ein IT-Mitarbeiter von Sarasin mit Bankdaten an einen Anwalt gewendet hatte. Dieser kontaktierte Blocher, der anschließend die Regierung, den Bundesrat, über den Vorwurf gegen Hildebrand informierte. Damit bekam die Causa augenblicklich eine stark parteipolitische Note; der Verdacht auf ein Komplott gegen Hildebrand stand - und steht noch immer - im Raum.

Für die Schweizer Politik ist der Fall Hildebrand auf jeden Fall peinlich. Die Regierung hatte die Vorwürfe gegen den Notenbanker untersuchen lassen und sich danach unmissverständlich hinter ihn gestellt. In einer TV-Sendung hatte die Justizministerin und amtierende Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf am Wochenende noch pragmatisch argumentiert: Sein "moralischer Fehler" sei zwar unentschuldbar, werde aber durch seine Reue aufgewogen. Solange er sich rechtlich nichts habe zuschulden kommen lassen, sei es für die Schweiz besser, wenn er im Amt bleibe und seinen internationalen Einfluss behalte. Hildebrand war bis Montag Vizepräsident des Financial Stability Board.

Mehr Transparenz bei Transaktionen im SNB-Direktorium

Der Bankrat, das Aufsichtsgremium der Nationalbank, hat inzwischen beschlossen, alle Banktransaktionen der Mitglieder des Erweiterten Direktoriums der SNB zwischen Anfang 2009 und Ende 2011 durch eine externe Revisionsgesellschaft untersuchen zu lassen. Außerdem sollen die Regeln über die Geschäfte mit Finanzinstrumenten gründlich überprüft werden. Bis zum Vorliegen der neuen Bestimmungen bräuchten Devisentransaktionen über 20 000 Franken von Mitgliedern des Erweiterten Direktoriums und Mitarbeitern mit Zugang zu privilegierten Informationen eine Genehmigung der Nationalbank.

Die Affäre könnte die Schweizer Psyche abermals nachhaltig erschüttern. Nachdem der Streit um das Bankgeheimnis halbwegs ausgestanden zu sein schien, fühlte sich das Land inmitten der Turbulenzen in der Euro-Zone einige Monate lang wieder als sicherer Hafen, in dem ruhig und verlässlich gewirtschaftet wird. Da passt ein Notenbankchef, der sich vielleicht an die Buchstaben, aber nicht an den Geist wichtiger Regeln hält, ebenso wenig ins Bild wie eine Privatbank, deren Mitarbeiter die Kontobewegungen selbst prominentester Kunden problemlos nach außen tragen können. Aufmerksam wurden in der Schweiz die internationalen Reaktionen zum Fall Hildebrand registriert - das Wall Street Journal beispielsweise befand, der Zentralbanker Hildebrand habe die "Swiss Brand", die Marke Schweiz, beschmutzt.

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