Rubel-Verfall:Europa sorgt sich um Russland

  • In der EU-Kommission ist man "tief besorgt" über die Lage in Russland.
  • Die ökonomische Krise verkompliziert Verhandlungen über eine Verlängerung der Sanktionen.
  • Der Kreml könnte die aktuelle Krise nutzen, um noch mal mit Vehemenz dem Westen für alles die Schuld zu geben.

Von Stefan Braun, Daniel Brössler und Markus Zydra

Der tiefe Fall des Rubel stürzt die Europäische Union in ein Dilemma. Monatelang hatte die EU darauf gesetzt, dass wirtschaftlicher Druck den russischen Präsidenten Wladimir Putin zum Einlenken in der Ukraine-Krise bewegt. Nun tritt die Angst vor den Folgen eines wirtschaftlichen Kollapses in Russland in den Vordergrund. Die ökonomische Lage in Russland werde während des EU-Gipfels an diesem Donnerstag Teil einer strategischen Debatte über die östliche Nachbarschaft sein, wurde aus dem Umfeld von Ratspräsident Donald Tusk mitgeteilt. Im Vordergrund soll aber die Sorge angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage in der Ukraine stehen, die durch die Rubel-Krise im Nachbarland noch verschärft werden dürfte.

"Sehr besorgt"

Auch in der EU-Kommission äußerte man sich "sehr besorgt". Niemand habe ein Interesse daran, "dass Russland in eine tiefe Depression stürzt". In Brüssel wird aber auch darauf verwiesen, dass nicht in erster Linie die Sanktionen gegen Russland den Rubel unter Druck gesetzt haben, sondern die fallenden Rohstoffpreise. Eine Verschärfung der Sanktionen steht, abgesehen von Maßnahmen gegen die Wirtschaft der von Russland annektierten Krim, nicht auf der Tagesordnung des Gipfels.

Tusk steht aber vor der Herausforderung, die EU in der Sanktionsfrage zusammenzuhalten. 2015 laufen in drei Wellen die gegen Russland beschlossenen Sanktionen aus. Die ohnehin schwierigen Verhandlungen um ihre Verlängerung dürften durch die ökonomische Lage in Russland noch weiter verkompliziert werden. Eine Reihe von Ländern aus dem Süden und dem Osten der EU hatten Sanktionen zuletzt nur noch widerwillig zugestimmt.

Auch in der Bundesregierung wächst die Sorge. "Die Lage ist tatsächlich ernst'', sagte ein Sprecher von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Seit Wochen warnt Steinmeier davor, Europa und der Westen insgesamt dürften nicht versuchen, Russland wirtschaftlich niederzuringen. Er fürchtet vor allem, dass sich die Politik des Kreml in so einer Situation eher weiter verhärten würde. Für die wirtschaftliche Lage wird in Berlin wie Brüssel vor allem Putin selbst verantwortlich gemacht. "Das eigentliche Problem Moskaus ist der dramatische Vertrauensverlust in die Politik Russlands"', sagte ein hochrangiger Beamter der Süddeutschen Zeitung. Verwiesen wird auf Kapitalflucht aus Russland und den Verzicht auf Investitionen dort.

Deutsche Unternehmen unter Druck

Nichtsdestoweniger fürchtet man in der Berliner Regierungsspitze, dass der Kreml die aktuelle Krise nutzen könnte, um noch mal mit Vehemenz dem Westen für alles die Schuld zu geben.

"Wir erleben eine deutliche Verschärfung der Situation für deutsche Unternehmen in Russland", sagte DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier der SZ. In einer aktuellen Umfrage des DIHK bei 300 deutschen Unternehmen in Russland, erklärten zwölf Prozent der Befragten, dass sie sich aus Russland zurückziehen würden, wenn die Lage weiter so prekär bliebe. Die Firmen leiden aus zwei Gründen unter der Rubelschwäche. Zum einen sind die dortigen Einnahmen in Euro gerechnet viel weniger wert als früher. Zum anderen fragen die russischen Kunden weniger nach. Die deutschen Exporte nach Russland sind nach Brancheneinschätzungen in diesem Jahr um 20 Prozent zurückgegangen.

Die Bankenaufseher bei der Europäischen Zentralbank glauben nicht, dass der Bankensektor Europas durch die Rubel-Krise großen Schaden nehmen wird. schlimm kaum betroffen sind. "Wir denken, dass die Märkte für einige Tage, vielleicht einige Wochen nervös sein werden", sagte die Chefin der Aufsicht, Daniele Nouy, am Mittwoch im französischen Radiosender "Inter Radio". "Aber wir denken, dass die Schulden russischer Firmen bei den Banken eine Dimension haben, die keinen Anlass geben sollte, Probleme zu fürchten."

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