Rotstiftpolitik zu Lasten der Konsumenten:Verbraucher, allein zu Haus

Der Fall Payback zeigt: Deutschlands Konsumenten haben viele Anwälte, aber wenige Helfer. Vor allem auf politischer Ebene werden die Interessen der Kunden häufig vernachlässigt.

Marco Völklein

In Sachen Verbraucherschutz haben die Richter am Bundesgerichtshof in dieser Woche einen engen Terminplan. Am Dienstag standen Entscheidungen zu Reisepreisen und zu Pfusch von Handwerkern an.

An diesem Mittwoch zittert der Rabattkartenanbieter Payback, ob er eventuell 22 Millionen Kundenhaushalten neue Anmeldeformulare zuschicken muss. Auch in den Wochen zuvor waren die Richter schwer beschäftigt und hatten mehrfach zu Renovierungsklauseln in Mietverträgen Recht gesprochen.

EU unterstützt Verbraucher

Das zeigt: Verbraucherverbände, Mietervertreter, Fahrgastvereine und viele andere Konsumentenvereinigungen nutzen ihre Möglichkeit, um mehr Schutz für den Verbraucher durchzusetzen. Noch nie war der Kunde so sehr König wie heute - zumindest, wenn es um seine Lobby geht. Ein Heer von Anwälten steht dem Verbraucher zur Seite.

Hilfe kommt auch von der EU-Kommission: Die Europa-Politiker müssen zwar oft für den Unmut der Bürger herhalten. Tatsächlich aber macht deren Politik den Alltag vieler Verbraucher leichter.

So ist es der EU zu verdanken, dass es eine europaweite Regelung gibt, die Passagieren bei Annullierungen oder Verspätungen von Flügen klar definierte Schadensersatzansprüche zusichert. Und so war es die EU, die dafür gesorgt hat, dass Urlauber in diesem Sommer günstiger per Handy nach Hause telefonieren können. Demnächst packt sie die Tarife für SMS und mobiles Internet an.

Versäumnisse der deutschen Politik

Die Brüsseler Politiker haben den Blick auf die Verbraucher. Ihre deutschen Kollegen aber nicht. Zu sehr sind sie offenbar den Einflüssen und Einflüsterungen großer Unternehmen ausgesetzt, um wirklich im Sinne des Kunden zu handeln.

So ächzen zwar seit Monaten die Bürger hierzulande unter den hohen Gas- und Strompreisen. Doch die deutsche Politik versäumt es seit Jahren, diese Märkte so zu gestalten, dass neue Wettbewerber realistische Chancen gegen die etablierten Versorger haben - und ihnen mit günstigeren Angeboten Kunden abjagen könnten.

Dazu wäre es nötig, dass der Staat den Konzernen verbietet, Mondpreise dafür zu kassieren, wenn ein Konkurrent Gas oder Strom durch ihre Netze zum Kunden leitet. Das würde die Konkurrenz spürbar beleben und über kurz oder lang die Preise drücken.

Fluch und Segen freier Märkte

Dies hat bereits funktioniert, als vor Jahren der Markt für Handy, Telefon und Internet liberalisiert wurde. Die Preise dort sind seitdem drastisch gefallen.

Liberalisierte Märkte sind allerdings nicht nur ein Segen für Verbraucher; sie können auch ein Fluch sein, zumindest aber eine Herausforderung. War zum Beispiel früher der deutsche Versicherungsmarkt streng reguliert, so mischen mittlerweile viele neue Anbieter mit.

Zahlreiche Konzerne - oftmals aus dem Ausland - werben mit immer neuen Produkten um Kunden. Auch mit der Riester- und der Rürup-Rente sind neue Angebote hinzugekommen, die so manchen Bürger überfordern.

Schon die Grundsatzfrage "Riestern - ja oder nein?" können viele nicht für sich beantworten. Geht es dann ins Detail, stehen Entscheidungen nach der optimalen Vertragsart und dem günstigsten Anbieter an, steigen viele aus. Oder schließen irgendetwas ab. Umso wichtiger ist es, dem Verbraucher versierte Helfer an die Seite zu stellen. Kompetent. Und vor allem unabhängig.

Kürzungen bei Verbraucherzentralen

Gut ist es, dass viele Verbraucherzentralen in den vergangenen Jahren diesen Bedarf erkannt haben - und ihr Beratungsangebot über klassische Ernährungs- und Gesundheitstipps hinaus ausgedehnt haben auf Themen wie Altersvorsorge und Geldanlage.

Geradezu erstaunlich ist zugleich, wie ihnen das gelingen konnte, denn seit Jahren fahren die Bundesländer ihre Zuwendungen für die Verbraucherberatung zurück, allein im Jahr 2007 im Schnitt um zehn Prozent. Baden-Württemberg zum Beispiel bringt nur 18 Cent pro Jahr und Einwohner für Verbraucherberatung auf. Wer einmal versucht hat, eine Verbraucherzentrale auf Anhieb telefonisch zu erreichen, weiß, wie sich solche Sparpolitik in der Praxis auswirkt.

Der Verbraucher in Deutschland - er hat zwar immer mehr Anwälte. Aber an genügend Helfern fehlt es ihm.

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