Rolle der Ratingagenturen:Transatlantische Triple-A-Verschwörung

Moody's warnt Deutschland vor einer Verschlechterung der Bonität - und heizt damit Verschwörungsthorien an: Schreiben die Ratingagenturen den Euro kaputt? Auffällig ist, dass die amerikanischen Bonitätsprüfer Fehlentwicklungen in den USA und Japan oft ignorieren. Klar ist aber auch: Die Risiken für Deutschland in der Euro-Krise sind gewaltig.

Catherine Hoffmann

Die Deutschen lieben Verschwörungstheorien. Eine besonders populäre handelt von den amerikanischen Ratingagenturen, die den Euro kaputt schießen wollen mit ihren bösen Bonitätsurteilen. Wer so denkt, hat nun neue Nahrung bekommen: Moody's stellt die Kreditwürdigkeit Deutschlands infrage. Die Agentur will die Spitzennoten der Bundesrepublik untersuchen, der Ausblick wird nicht mehr als "stabil" beschrieben, sondern wurde auf "negativ" gesenkt. Das gilt auch für die bisherigen Musterschüler Niederlande und Luxemburg. Allen drei Staaten könnte also bald eine Herabstufung drohen - bislang glänzen sie noch mit der Bestnote: "Aaa".

Ratings Agencies in New York

Wie unerschütterlich das Vertrauen in die deutsche Leistungsfähigkeit ist, zeigte die Reaktion am Rentenmarkt: Die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen zuckten nur kurz.

(Foto: Bloomberg)

Als Grund für die Skepsis nannte Moody's die wachsende Unsicherheit über den Ausgang der Schuldenkrise in Europa. Es werde immer wahrscheinlicher, dass Griechenland die Euro-Zone verlassen müsse und Länder wie Spanien oder Italien weitere Hilfen in Anspruch nehmen müssten. Die Kosten dafür müssten vor allem wirtschaftlich starke Länder wie Deutschland schultern.

"Eine schlechtere Note wäre für die Bundesrepublik ein Imageschaden, einen großen wirtschaftlichen Schaden würde sie aber nicht anrichten", sagt Andrew Bosomworth, der Deutschland-Chef bei Pimco, dem weltweit größten Investor in Staatsanleihen. Wie unerschütterlich das Vertrauen in die deutsche Leistungsfähigkeit ist, zeigte die Reaktion am Rentenmarkt: Die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen zuckten nur kurz und machten einen kleinen Schlenker nach oben - von 1,17 auf 1,24 Prozent. Das ist weniger, als Großbritannien oder die USA zahlen müssen, die höher verschuldet sind.

Anleger kümmert der Krieg ums "Aaa" wenig

"Es fällt auf, dass von den Ratingagenturen Fehlentwicklungen etwa in den USA und Japan ignoriert werden, dass aber Europa trotz sichtbarer Fortschritte bei der Fiskalreform heruntergeschrieben wird", sagt der Chefvolkswirt der Bremer Landesbank, Folker Hellmeyer. Europa nehme Anstrengungen für eine bessere Haushaltsbilanz auf sich. "Japan und die USA aber tun nichts." Also doch eine Verschwörung?

Die Anleger kümmert der Krieg ums "Aaa" jedenfalls wenig. Sie stecken ihr Vermögen ohne zu zucken in deutsche Staatsanleihen und nehmen dabei sogar einen Verlust an Kaufkraft hin. Wie unangefochten der Status Deutschlands als sicherer Hafen für das Geld nervöser Anleger ist, zeigt sich auch darin, dass sie mit Renditen zufrieden sind, die unterhalb der Inflationsrate liegen.

Entsprechend gelassen reagierten denn auch Spitzenpolitiker der Regierung auf den schlechteren Bonitätsausblick. Die Bewertung sei "eher kurzfristig, vielleicht auch ein bisschen kurzsichtig", sagte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle. "Deutschland hat ein solides Wirtschaftswachstum, die Beschäftigungslage ist hervorragend." Unions-Fraktionsvize Michael Meister machte aus der schlechten Nachricht sogar eine gute: "Deutschland behält seine Bestnote."

Warnruf in der Euro-Krise

Brüderle wie Meister werteten das Urteil von Moody's aber auch als Warnruf in der Euro-Krise. "Die Bundesregierung hat wiederholt auf die Belastungsgrenzen Deutschlands hingewiesen", sagte der FDP-Fraktionschef. Und Meister betonte: "Der negative Ausblick zeigt auch, dass Deutschland nicht überfordert werden darf."

Die Gefahr ist groß, dass sich Berlin mit der Rettung des Euros übernimmt, das fürchten nicht nur amerikanische Bonitätswächter, sondern auch eine wachsende Schar deutscher Ökonomen. "Übersteigt der Schuldenstand eines Staates 90 Prozent seiner jährlichen Wirtschaftsleistung, wird es so langsam ungemütlich - wir liegen bei 80 Prozent", sagt Stefan Homburg, Direktor des Instituts für Öffentliche Finanzen der Universität Hannover. "Aber hierbei sind die ganzen Garantien noch nicht eingerechnet, die wir für Krisenstaaten übernommen haben." Rutscht ein hilfsbedürftiger Staat in die Pleite, werden sie fällig. Homburg fürchtet sogar, dass Deutschland schon vorher herabgestuft wird, nämlich dann, wenn der neue Rettungsschirm ESM ratifiziert wird. Deshalb hält er die Mahnung von Moody's nicht für tendenziös, vielmehr überrascht es ihn, dass sie so spät kam.

Währungsunion spaltet sich in Nord und Süd

Das große Problem ist: Niemand weiß, wie die Zukunft der Währungsunion aussieht. Gibt es demnächst einen funktionstüchtigen Rettungsschirm ESM oder nicht? Bleibt die Fiskalpolitik unter der Regie nationaler Parlamente, oder wird sie auf europäischer Ebene zentralisiert? Vor allem aber: Zählen künftig noch 17 Staaten zum Euro-Klub oder weniger? Solange solche Fragen unbeantwortet sind, bleiben die Anleger angespannt und die Ratingagenturen kritisch.

Wenn Griechenland aus dem Euro aussteigt, bleibt Deutschland schätzungsweise auf Forderungen im Wert von 80 Milliarden Euro sitzen, Geld, das Athen nicht mehr zurückzahlen wird - oder nur zu einem winzigen Teil. Allerdings wird es wohl nicht bei Griechenland bleiben. Wer sich die Zinsentwicklung der einzelnen Euro-Mitglieder anschaut, erkennt schon heute die Aufspaltung der Währungsunion in Nord und Süd.

Nord, das sind Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Österreich, Belgien und Finnland. Süd umfasst Italien, Spanien, Portugal, Irland und Griechenland. "Wird der Bruch vollzogen, wäre ein Schuldenerlass für die Krisenländer die Folge, Milliarden von Hilfen und Garantien müssten abgeschrieben werden", glaubt Pimco-Manager Bosomworth. Dann wäre eine Herabstufung Deutschlands unvermeidlich, das "Aaa" verloren.

Es wäre der Ernstfall, dem die Ratingagenturen vorbeugen. Die Bonitätsprüfer wollen sich nicht auf dem falschen Fuß erwischen lassen. Und sie wissen auch: Es gibt keinen guten Zeitpunkt für schlechte Nachrichten. Sie kommen immer ungelegen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: