Roland Berger geht:Ende Legende

Roland Berger, der quirlige Mann ohne Bremse, tritt ab. Zumindest ein bisschen. Die Konsequenz für die von ihm gegründete Unternehmensberatung? Sie muss sich völlig neu organisieren.

Karl-Heinz Büschemann

Das ist für manche schwer vorstellbar: Die Münchner Unternehmensberatung Roland Berger Strategy Consultants muss künftig ohne ihren Gründer und Namensgeber Roland Berger auskommen. Deutschlands bekanntester Berater tritt ab. Der stets braungebrannte Herr, der seinen Kunden oder den Zuschauern von Fernseh-Talkshows so gern die Welt erklärt, zieht sich zurück. Am 17. Juli will der 72-Jährige den Posten des Aufsichtsratschefs der Beratungsgesellschaft in Deutschland abgeben, um Ehrenvorsitzender des Gremiums zu werden. Der 52-jährige Burkhard Schwenker, der seit 2003 der Chef der Unternehmensberatung ist, wird Berger im Aufsichtsrat beerben. Von ihm heißt es, seine Gesundheit sei nicht die beste. Neuer Chef des Beratungsunternehmens wird der 46-jährige Martin Wittig. Die zweitgrößte deutsche Unternehmensberatung steht damit vor einer Neuordnung.

Roland Berger geht: Der Gründer tritt ab, aber nicht ganz: Roland Berger bleibt "seiner" Beratungsagentur als Ehrenvorsitzender erhalten.

Der Gründer tritt ab, aber nicht ganz: Roland Berger bleibt "seiner" Beratungsagentur als Ehrenvorsitzender erhalten.

(Foto: sz.lokales)

Mann ohne Bremse

Schon vor sieben Jahren sah es so aus, als würde sich Roland Berger zurückziehen. Damals gab er die operative Führung der Gesellschaft, die er 1967 gegründet hatte, an Burkhard Schwenker ab und wechselte in den Aufsichtsrat. Das aber hielt den wohl quirligsten deutschen Berater nicht davon ab, seinem Nachfolger an der Unternehmensspitze ins Geschäft hineinzufunken. Berger, der Unternehmen, aber auch Politiker wie Gerhard Schröder beriet, war einfach nicht zu bremsen. Schwenker, der einen glänzenden Ruf als Berater hat, konnte unter diesen Umständen den Bekanntheitsgrad des Gründers nie erreichen. Für Schwenker war dieses Verhältnis der Grund, sein altes Büro in Hamburg nie zu verlassen und die Beratungsgesellschaft stattdessen fern vom Gründer in der Hansestadt zu führen.

Der Erfolgsmensch Berger hatte schon als Student eine Wäscherei gegründet. Im Jahr 1967 begann er den Aufbau seiner Beratungsgesellschaft, die es in Deutschland mit den großen wie McKinsey oder Boston Consulting aufnehmen konnte. Wohl kein Vertreter der Wirtschaft war ein so erfolgreicher Netzwerker wie Berger. Kein Berater zog so viele Mandate von öffentlichen Einrichtungen an Land wie der in allen Parteien bestens verdrahtete Berger. Über Berger hieß es in der deutschen Wirtschaft: "Der weiß alles und kennt jeden." Den wohl größten Fehler seines Lebens machte Berger, als er Ende der achtziger Jahre die Deutsche Bank zum Großaktionär seiner Gesellschaft machte, die Anfang der neunziger Jahre sogar 95 Prozent des Kapitals hielt. Mühsam musste er mit seinen Partnern die eigene Firma zurückkaufen. Als diese Episode ausgestanden war, gehörten 90 Prozent der Gesellschaft seinen Partnern, Roland Berger hält heute noch knapp fünf Prozent an der Beratungsgesellschaft.

Dennoch ist es Schwenker in seinen sieben Jahren an der Unternehmensspitze gelungen, die Gruppe erheblich weiterzuentwickeln. Schwenker, der einen eher intellektuellen Habitus hat und eher unaufgeregt agiert, ist es gelungen, aus einer sehr stark deutschen Beratungsfirma eine der führenden europäischen Consultant-Firmen zu machen.

Endpunkt der Abnabelung

Weder Roland Berger selbst noch die Beratungsgesellschaft wollen die Vorgänger kommentieren. Aber es sieht danach aus, als sei der Personalumbau an der Spitze der Münchner Gesellschaft der Endpunkt der Abnabelung von ihrem noch immer präsenten Gründer.

Bei der Emanzipation der Berater von ihrem Gründer habe, so berichten Kenner, auch eine Rolle gespielt, dass der Drahtzieher Roland Berger gelegentlich persönlich in Interessenkonflikten steckte. Das sei in seiner Firma nicht gut angekommen. Besonders übel wurde ihm im vergangenen Jahr seine Rolle bei der Rettung des angeschlagenen Autoherstellers Opel angekreidet. Berger war persönlich Berater der Kanzlerin und sollte der Bundesregierung helfen, für die Traditionsfirma eine Lösung zu finden. Zugleich aber saß er im Aufsichtsrat des italienischen Autoherstellers Fiat, der Opel übernehmen wollte. Und die Berger-Beratungsgesellschaft beriet die Opel-Muttergesellschaft General Motors. Das war für manchen der Münchner Berater zu viel. Auch dass Berger gemeinsam mit den beiden Ex-Bertelsmann-Managern Manfred Lahnstein und Thomas Middelhof in London eine Investment-Gesellschaft gegründet hat, gefällt vielen in München nicht. Sie fürchten Rückwirkungen auf ihr Image, sollten eine Investition der Investment-Gesellschaft schief gehen.

Mit dem offiziell auf das Altenteil abgeschobenen Firmenpatriarchen und mit Schwenker, der künftig weniger Einfluss auf die Strategie der Roland Berger Consultants hat, kommt es verstärkt darauf an, welche Akzente Martin Wittig als Chef der Beratung setzen wird. Wittig war zuletzt der Vertreter von Berger in Zürich. Von ihm heißt es, er sei ein hemdsärmeliger Typ und das genaue Gegenbild des eher stillen Schwenker. Das Image des schnörkellosen Machers kann seinen Grund darin haben, dass Wittig seinen ersten Job unter Tage als Bergmann in einer saarländischen Kohlengrube fand. Wittig machte dann bei Berger Karriere, zuletzt setzte er beim Umbau des schweizerisch-schwedischen Konzerns ABB Akzente. Auch bei der Übernahme der Fluggesellschaft Swiss durch die Lufthansa hat der selbstbewusste Wittig nach eigenem Bekunden mitgewirkt. Ob er in Zukunft ohne den Übervater Roland Berger im Hintergrund agieren kann, ist noch unklar. Bekannt ist aber, dass der Patriarch den Neuen auf dem Chefstuhl in München mit Wohlwollen sieht.

Und komplett wird sich Roland Berger wohl auch jetzt nicht zurückziehen. In seiner Umgebung heißt es schon, er wolle weiter mitwirken und seine Kontakte für das Unternehmen nutzen. Ein Vertrauter zitiert Berger mit dem Satz: "Ich bleibe der Firma erhalten."

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