Rohstoffe:Nestlé hat schon wieder Ärger wegen Palmöl

Palm Oil Culture

Die Früchte bergen den Rohstoff Palmöl, doch der Anbau ist umstritten: Wo heute Palmen wachsen, stand vorher oft Regenwald.

(Foto: Dedi Sinuhaji/dpa)
  • Der Nestlé-Konzern ist überraschend aus dem Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl, kurz RSPO, geflogen.
  • Erst auf den zweiten Blick zeigt sich: Der viel kritisierte Konzern ist hier nicht der Böse in diesem Konflikt - ihm sind die RSPO-Regeln sogar zu lasch.

Von Silvia Liebrich

Der Schweizer Nestlé-Konzern steht wegen Palmöl unter permanenter Beobachtung von Umweltschützern. Immer wieder werden Vorwürfe laut, der größte Lebensmittelkonzern der Welt sei für den Verlust der letzten Regenwälder in den Anbauländern Malaysia und Indonesien mitverantwortlich. Dass Nestlé nun völlig überraschend aus dem wichtigsten Kontrollgremium der umstrittenen Industrie geflogen ist, dürfte Wasser auf den Mühlen seiner zahlreichen Kritiker sein. Immerhin gilt der Runde Tisch für nachhaltiges Palmöl, kurz RSPO, als wichtigste Selbstkontrollinstanz der Industrie. Verbrauchern verspricht das Siegel Rohstoffe aus sauberem Anbau.

Palmöl ist für Unternehmen und Wirtschaft Segen und Fluch zugleich. Kein anderes Öl ist so günstig und vielfältig einsetzbar, nicht nur in Lebensmitteln wie Pizza und Schokolade, sondern auch für Seife, Waschmittel und Biosprit. Kein anderes Öl ist gleichzeitig so umstritten, weil es mit dem Verlust der letzten Regenwälder, sozialen Konflikten und Korruption in Verbindung gebracht wird.

Allein seine Größe macht Nestlé zu einer perfekten Zielscheibe für Umweltschützer. Der Konzern nimmt nach eigenen Angaben fast ein Prozent der weltweiten Palmölproduktion ab, gut 420 000 Tonnen pro Jahr. Drastische Bildmontagen wie die eines Kitkat-Schokoriegels, der riesige Regenwaldbäume spaltet, sind nicht vergessen. Die Greenpeace-Kampagne mit Boykottaufrufen aus dem Jahr 2010 hat dem Image des Konzerns sehr geschadet. Der Konzern gelobte daraufhin Besserung.

Und nun dieser Rauswurf. Auf den ersten Blick scheint alles klar zu sein: Nestlé hat es wieder einmal verbockt.

Doch der zweite Blick macht deutlich, dass dahinter durchaus Kalkül steckt - und zwar von Seiten Nestlés. Hinter den Kulissen rumort es. Ein Streit, der auch ein schlechtes Licht auf den Nachhaltigkeitszirkel RSPO wirft, der 2004 von Plantagenbetreibern, Händlern und industriellen Abnehmern gegründet wurde. Initiiert wurde dieser von der Umweltorganisation WWF mit dem Ziel, den Ölpalmenanbau transparent zu machen und die Regenwaldvernichtung zu stoppen.

Offiziell begründet der Runde Tisch den Entzug der Mitgliedschaft damit, dass Nestlé seine Berichtspflicht verletzt und den Mitgliedsbeitrag von 2000 Euro nicht gezahlt habe. Alles nur ein Missverständnis? Wohl eher nicht. Ein Nestlé-Sprecher macht deutlich, worum es wirklich geht: "Wir waren der Meinung, dass der aktuelle RSPO-Standard im Widerspruch zu höheren Standards steht, die wir von unseren Lieferanten und der Lieferkette verlangen." Oder anders ausgedrückt: Nestlé sind die RSPO-Regeln zu lasch. Das Unternehmen hat nach der Greenpeace-Kampagne seine internen Anforderungen verschärft und lässt diese von der Organisation The Forest Trust prüfen.

Die Palmölindustrie hat nach wie vor ein Glaubwürdigkeitsproblem

Der Rauswurf kommt Nestlé vermutlich nicht ungelegen, erspart er doch den Austritt. Klar dürfte aber auch sein, dass der Nachhaltigkeitsrat ohne den Konzern - immerhin Gründungsmitglied - geschwächt ist. In einer Stellungnahme betont das RSPO-Gremium, dass man weiter in Gesprächen mit Nestlé sei. "Wir ermutigen Unternehmen immer dazu, höhere Standards umzusetzen", heißt es dort. Dies dürfe aber nicht zu Lasten des erfolgreichsten Modells zur Zertifizierung von nachhaltigem Palmöl geschehen. Laut RSPO wurde das Siegel in den vergangenen sechs Jahren acht Firmen aberkannt. Fest steht, dass die ganze Palmölindustrie nach wie vor ein Glaubwürdigkeitsproblem hat. Und das macht nicht nur Nestlé zu schaffen, sondern auch vielen anderen Abnehmern, darunter bekannte Firmen wie Coca-Cola, Mondelez, Mars, Unilever und Procter & Gamble. Das bestätigt auch der aktuelle Bericht der Umweltschutzorganisation Eyes on the Forest. Er legt bis ins Detail die Handelsströme der Branche offen - mit ernüchterndem Ergebnis. Einige große Händler, die am Runden Tisch (RSPO) sitzen und sich mit dessen Siegel schmücken, beschaffen einen Teil ihrer Ware heimlich aus streng geschützten Naturschutzgebieten und missachten die Gesetze.

Auch bei Nestlé hat man den Bericht der Umweltschützer genau gelesen. Einer der beanstandeten Händler beliefert auch die Schweizer. Willmar International gilt als größter Verarbeiter und Händler von Palmöl. "Wir begrüßen die Informationen, die uns Eyes on the Forest zukommen lässt", heißt es bei Nestlé. Man arbeite mit vielen Partnern zusammen, um einen tief greifenden Wandel in der Palmölindustrie voranzutreiben.

Dass Nestlé eigene Regeln verfolgt, stößt bei Umweltschützern auf Kritik. "Wenn jeder sich seine eigenen Verpflichtungen bastelt, lässt sich das kaum noch kontrollieren", sagt Ilka Petersen vom WWF. Sie verteidigt den Runden Tisch. Die Regeln seien transparent, und die Zertifizierung werde vom TÜV kontrolliert.

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