Rocket Internet:Vom Suchen und Finden

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Die Beteiligungsfirma Rocket Internet setzt verstärkt auf Essen-Lieferdienste und investiert dafür sehr viel Geld.

Von Varinia Bernau und Caspar Busse, München

Es ist die Suche nach dem nächsten ganz großen Ding. Das treibt sie an, die vielen Geldgeber für Start-ups. Sie wollen die Geschäftsidee finden, die in der digitalen Welt alles ändert, die sich weltweit durchsetzt und die dann für das ganz große Geld sorgt. Ganz vorne dabei bei diesem unermüdlichen Suchen und Finden ist Oliver Samwer, der sich auch schon mal als "aggressivsten Mann im Internet" bezeichnet hat. Inzwischen aber ist er vor allem Vorstandsvorsitzender der Berliner Beteiligungsgesellschaft Rocket Internet - und in dieser Rolle schlug er zuletzt eher leisere Töne an.

Folgt man Samwer, so sind das nächste große Ding im Internet Lieferdienste für Mahlzeiten und Lebensmittel. "Es wird dort jede Menge Wachstum geben", schwärmte Oliver Samwer am Dienstag, als er zum ersten Mal die Jahreszahlen für Rocket Internet und einige der wichtigsten Start-ups vorlegte, die Rocket Internet groß machen will. Die Renditen in diesem Geschäft seien sehr hoch, sagte er. Was er nicht sagte: Im Geschäft mit übers Internet angebotener Mode, mit dem Rocket Internet begann, sind sie eher mickrig. Das Ziel von Rocket sei es, die weltweit größte Online-Imbiss-Gruppe außerhalb Chinas entstehen zu lassen. Am Dienstag gab Samwer die Übernahme des türkischen Lieferdienstes Yemeksepeti bekannt - für immerhin 529 Millionen Euro.

Erst im Februar hatte Rocket Internet fast eine halbe Milliarde Euro in eine Beteiligung an der Lieferplattform Delivery Hero investiert, in Deutschland besser bekannt unter dem Namen Lieferheld. Rocket Internet ist inzwischen mit etwa 40 Prozent beteiligt (siehe Grafik). Nach der Übernahme des türkischen Marktführers Yemeksepeti werden die Dienste aus dem Rocket-Reich Essen in mehr als 70 Ländern ausliefern. Konkurrenten lästern allerdings, dass darunter viele Schwellenländer seien, in denen die Menschen weder die Gewohnheit noch das Geld für solcherlei Essenbestellungen haben.

Im vergangenen Herbst erst war Rocket Internet an die Börse gegangen. Kurze Zeit später folgte eine Kapitalerhöhung. Das Geld wird in Beteiligungen in hoffnungsvolle, meist kleine Internetfirmen investiert, das internationale Portfolio ist inzwischen unübersichtlich groß geworden. Damit der Umsatz in die Rocket-Bilanz einfließen kann, muss die Beteiligung allerdings bei mehr als 50 Prozent liegen, was nur selten der Fall ist.

An diesem Dienstag präsentierte nun Samwer die erste Bilanz seit dem Börsengang, und die fiel nicht gut aus. Auf dem Papier steht ein Verlust von 20,2 Millionen Euro nach einem Gewinn von 174,2 Millionen Euro im Vorjahr. Damals wurden Anteile am erfolgreichen Online-Modehändler Zalando veräußert. Zuletzt mussten nun hohe Kosten für den Börsengang bilanziert werden, größere Beteiligungen wurden nicht veräußert. Diese beiden Effekte sind nach Angaben von Rocket der Hauptgrund für den drastischen Gewinnrückgang. Der Umsatz von Rocket Internet stieg 2014 dank des Wachstums bereits konsolidierter E-Commerce-Unternehmen in Brasilien um immerhin 43 Prozent auf 104 Millionen Euro.

Immer auf der Suche nach einer neuen digitalen Geschäftsidee: Oliver Samwer, Vorstandsvorsitzender und Gründer von Rocket Internet. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Samwer sprach trotzdem von einem "exzellenten Jahr". Den aktuellen Bestand an Bargeld bezifferte er auf 1,4 Milliarden Euro. 2015 sollen bis zu zehn neue Start-ups gegründet werden. Den Wert des Firmenportfolios beziffert Rocket auf nunmehr 4,6 Milliarden Euro. An der Börse ist die Holding derzeit knapp 7,5 Milliarden Euro wert. Zuletzt hatte Rocket auch seine Firmenstruktur vereinfacht: Modehändler wie Dafiti und Zalora wurden genauso zu einem Geschäftsbereich zusammengefasst wie die Essenslieferdienste.

Als einer der Aspiranten für die Börse gilt der Online-Möbelhändler Westwing

Die Frage, wann denn endlich einmal eine der Beteiligungen von Rocket Internet Gewinn mache, wischte Samwer entschlossen zur Seite. Man habe stets betont, dass ein Start-up aus dem Onlinehandel sechs bis neun Jahre brauche, um profitabel zu wirtschaften. Da sei man auf gutem Wege. Womöglich gar auf gutem Wege, eines der Start-ups an die Börse zu bringen - so wie einst den Modehändler Zalando?

Als einer der nächsten Börsenkandidaten gilt der Münchner Online-Möbelhändler Westwing, dessen Geschäfte gut laufen. Der Vorstandschef der Münchner Firma, Stefan Smalla, hatte aber zuletzt im Interview der Süddeutschen Zeitung gesagt, es gebe mit dem Gang an den Aktienmarkt keinerlei Eile. Außerdem pochte er auf Unabhängigkeit bei allen Geschäftsentscheidungen. "Wir bestimmen als Unternehmensführung die Richtung. Wir führen das Unternehmen in eigener Regie, und bekommen Hinweise von unseren Investoren", betonte Smalla. An Westwing ist neben Rocket unter anderem die Tengelmann-Gruppe beteiligt.

© SZ vom 06.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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