Roaming:Telefonieren, als wäre man daheim

Ab 15. Juni ist Schluss mit Extra-Handygebühren im EU-Ausland. Urlauber sollten dennoch auf Kostenfallen achten. Reise-Muffel können von rein nationalen Tarifen profitieren.

Von Berrit Gräber

Endlich ausgiebig quasseln am Strand von Mallorca, am Gardasee oder in der Altstadt von Bratislava: Wer auf Reisen in der Europäischen Union (EU) sein Smartphone nutzt, muss nicht mehr mit Extra-Gebühren rechnen. Vom 15. Juni an fallen die lästigen Zusatzkosten im EU-Ausland komplett weg. Stattdessen gilt "roam like at home": Telefonieren, simsen oder surfen darf nur noch so viel wie zu Hause kosten. Neues Sparpotenzial ist jetzt auch für Urlaubs-Muffel drin, die neuerdings rein nationale Tarife wählen können. Doch bei aller Roaming-Freiheit gibt es EU-weit nach wie vor Einschränkungen und Gebührenfallen sind zu beachten, wie Cläre Pillath, Telekommunikationsexpertin der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz, mahnt.

Was sich konkret ändert

Seit 2007 sinken die sogenannten Roaming-Aufschläge in der EU. Heute sind sie 90 Prozent günstiger als noch vor zehn Jahren. Vom 15. Juni an fallen sie komplett weg. Mobilfunkanbieter dürfen von ihren Kunden dann keine Gebühren mehr für die Nutzung fremder Netze verlangen. Das Aus für die Extra-Kosten auf den üblichen Inlandspreis gilt in allen Mitgliedstaaten der EU, vorerst auch noch in Großbritannien, sowie in Island, Liechtenstein und Norwegen.

Vorsicht beim Surfen im Internet

Grundsätzlich können Verbraucher im EU-Ausland jetzt bedenkenlos ihre Flatrate nutzen und zu Inlandspreisen telefonieren und SMS versenden. Beim Surfen im Internet sei allerdings Wachsamkeit ratsam, sagt Pillath. Wer in seinem Tarifmodell zum Beispiel eine Datenvolumengrenze vereinbart hat, muss sich auch im Urlaub daran halten. "Bei offenen Tarifen können Anbieter eine Obergrenze festsetzen", betont die Verbraucherschützerin. Denn die Inlandspreise fallen im EU-Ausland nur bei angemessener Datennutzung an, dem sogenannten "Fair Use". Übertreibt es ein Kunde fern von zu Hause, dürfen Mobilfunkunternehmen doch Geld verlangen. "Urlauber sollten vor ihrer Reise im Vertrag die genauen Konditionen nachlesen oder beim Anbieter nachfragen", rät Pillath.

Eine Urlauberin am Strand von Sarti in Griechenland

Eine Urlauberin am Strand von Sarti in Griechenland. In der EU darf das Gespräch nach Hause nur noch so viel kosten wie im Heimatland.

(Foto: Friso Gentsch/dpa)

Gebührenfreiheit nur auf Reisen

Die Gebührenfreiheit ist nur für vorübergehende Aufenthalte oder Reisen im EU-Ausland gedacht, gibt Thomas Grund zu bedenken, Experte von Stiftung Warentest. Nicht erlaubt ist, sich jetzt einen besonders günstigen Handytarif, etwa aus Polen oder Tschechien, herauszupicken, um damit dauerhaft in Deutschland Geld zu sparen. Keine gute Idee ist zudem, auf Mallorca oder in Griechenland zu überwintern und dabei dauerhaft die deutsche Flatrate zu nutzen. Mobilfunkanbieter dürfen Kunden verwarnen und notfalls Aufschläge verlangen.

Achtung bei netzinternen Flatrates

Zwar ist es künftig möglich, etwa von Italien aus mit einer deutschen Sim-Karte ohne Aufschlag nach Budapest zu telefonieren, nach Antwerpen oder Hamburg. Wer aber von Deutschland aus jemanden in Österreich, Spanien oder in der Slowakei anruft, muss auf Zusatzkosten gefasst sein, warnt Markus Weidner vom Online-Magazin Teltarif. "Das ist verrückt, für diesen Handy-Anruf gilt dann nicht der EU-weite Inlandstarif." Wenigstens müssen die Gesprächspartner nicht mehr für das eingehende Telefonat zahlen. Aufpassen sollten außerdem Kunden, die sogenannte Community-Flatrates nutzen, wie beispielsweise bei Aldi, Rossmann oder auch O2 häufig üblich. Für netzinterne Flatrates gilt die neue Verordnung nicht. Gesprächsminuten werden dann deutlich teurer abgerechnet.

Sparpotenzial für Daheimbleiber

Seit mehreren Wochen bieten Mobilfunkunternehmen auch Tarife an, mit denen sich nur innerhalb Deutschlands telefonieren und surfen lässt. Zu den ersten Anbietern gehören etwa Deutschlandsim, Callmobile und Yourfone. Wer nie ins Ausland reist oder sein Handy konsequent daheim lässt, kann mit solchen Nationaltarifen ordentlich Geld sparen, berichtet Grund. Ohne Roaming werden beispielsweise nur 19,99 Euro statt 29,99 Euro im Monat fällig. Die Sim-Karte wird nach dem Grenzübertritt gesperrt. Die Nutzung von kostenfreien Wlan-Netzen im Hotel oder auf Flughäfen bleibt aber möglich.

Mehr Aufwand, weniger Einnahmen

"Sicher ist es für die Verbraucher attraktiv, in allen EU-Ländern zu den Konditionen ihres Heimat-Tarifs zu telefonieren und surfen zu können", sagt Telefónica-Sprecherin Katja Hauß. Für die Provider ist die neue Roaming-Regelung weniger erfreulich. Bisher konnten sie die Gebühren für die Infrastruktur, Personalkosten und den Netzausbau verwenden, diese Einnahmen fallen nun weg. Zwar gleichen die europäischen Netzanbieter die Roaming-Ausgaben untereinander aus. Doch die vereinbarten Großhandelspreise sind EU-weit gleich, obwohl die Anbieter-Kosten pro Land unterschiedlich hoch sind. So zahlen die deutschen Netzanbieter im internationalen Vergleich deutlich mehr für die Frequenznutzung als Anbieter in anderen Ländern, sagt Hauß. In den letzten Monaten haben Telefónica-Mitarbeiter die Tarifsituation jedes einzelnen ihrer Millionen Kunden geprüft, stellten die Technik um, programmierten das System neu. Was bei Prepaid-Kunden unproblematisch war, konnte bei Vertragskunden aufwendig sein. Dieser Aufwand endet nicht mit der Umstellung zum 15. Juni. Durch die Roam-like-at-home-Regelung werden mehr Kunden in fremden Netzen unterwegs sein. Wie hoch ihr Anteil im jeweiligen Netz ist, können die Anbieter derzeit schwer abschätzen. Katharina Kutsche

Kostenfallen außerhalb der EU

Außerhalb der EU kann es auch nach dem 15. Juni teuer werden. Aus der Türkei daheim anrufen kostet mit einem Vertragshandy bis zu 1,94 Euro pro Minute, aus den USA oder Kanada zwischen 1,49 und 1,63 Euro, von Ägypten aus sogar happige 2,99 Euro. Auch eingehende Anrufe kosten. Für den Türkei-Urlauber bis zu 73 Cent pro Minute, für den Ägypten-Touristen 1,79 Euro, USA 70 Cent. Auch der Datenabruf geht richtig ins Geld. Kurz mal die E-Mails checken kann etwa in Tunesien 19 Euro pro Megabyte kosten. Wer sich vor hohen Rechnungen schützen will, deaktiviert vor der Abreise die Internetverbindung in ausländische Netze oder nutzt ausschließlich kostenfreie Wlan-Angebote.

Das gilt auf See und am Himmel

Kostspielig kann es für Urlauber auf Kreuzfahrten werden, wenn sie ahnungslos an Bord ihr Handy oder Tablet nutzen, warnt Grund. Die Roaming-Freiheit gilt nicht in europäischen Gewässern, außerhalb schon gar nicht. Je nach Anbieter kann die Kommunikation über das schiffseigene Netz mit daheim richtig teuer werden. Eine Minute nach Hause telefonieren kann bis zu sieben Euro und mehr kosten. Auch die Gebühren fürs Simsen und Surfen können gewaltig sein, wenn sich das Handy über einen Satelliten einwählt. Das Surfen im Flugzeug, das bei manchen Gesellschaften erlaubt ist, habe ebenfalls seinen Preis, betont Pillath. Wer abwartet, bis das Schiff im Hafen eingelaufen oder der Flieger gelandet ist, spart viel Geld.

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