Riesige Räder, große Pläne:Ein Mann hebt ab

Langer Atem oder Sturheit? Der Investor Peter Massine will in Berlin unbedingt ein Riesenrad verwirklichen, obwohl etliche Investoren mit dem Projekt viel Geld verloren haben.

Angelika Slavik

Irgendwann Anfang der Neunziger Jahre stand David Copperfield auf einer Bühne in Berlin. Copperfield, in seiner Heimat USA als Illusionist bereits ziemlich bekannt, stand dort, weil er Europa erobern wollte.

The London Eye is seen on the South Bank of the River Thames in central London

The London Eye is seen on the South Bank of the River Thames in central London The London Eye is seen on the South Bank of the River Thames during early morning in central London August 3, 2009. REUTERS/Stefan Wermuth (BRITAIN CITYSCAPE SOCIETY)

(Foto: ag.rtr)

Er versuchte es schon eine ganze Weile, aber die Europäer wollten sich für seine Zaubershows nicht so recht begeistern, nicht bis zu diesem Abend in Berlin. Denn da holte er Claudia Schiffer auf die Bühne. Das Supermodel stand ein bisschen rum, assistierte bei einem Zaubertrick und lächelte.

Wenig später ließ man die Presse wissen, Schiffer und Copperfield seien jetzt ein Paar und plötzlich stürmte Deutschland die Copperfield-Shows. RTL veranstaltete ein Special nach dem anderen, die Bundesrepublik diskutierte über den Trick mit dem brennenden Reifen und Deutschlands Hausfrauen kauften Copperfield-Tassen und Copperfield-Kuschelkissen. Ein Millionengeschäft.

Lukrativer Selbsläufer

Die 350.00 Mark, die Schiffers Auftritt in Berlin gekostet hatte, waren also ausnehmend gut investiert, und der Mann, der das geahnt hatte, war Peter Massine. Massine, geboren in Nordrhein-Westfalen, war beauftragt worden, Copperfield in Europa bekannt zu machen - nach dem Anruf bei Schiffers Management erwies sich das praktisch als Selbstläufer, als ziemlich lukrativer noch dazu.

Fünfzehn Jahre später will Peter Massine wieder Geld in die Hand nehmen, doch ob die Rendite dabei ähnlich üppig ist wie bei der Geschichte mit Claudia Schiffer, daran zweifeln viele. Denn Peter Massine will ein Riesenrad bauen, unbedingt. "Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn ich das nicht hinbekomme", sagt Massine.

Das Riesenrad, in Finanzkreisen besser bekannt als das "Great Berlin Wheel" steht sinnbildlich für die vielen Enttäuschungen, die Anleger geschlossener Immobilienfonds in den vergangenen Jahren erleben mussten.

Ein wenig zu optimistisch

Hochglanz-Animationen von spektakulären Bauprojekten verführten vor allem Kleinanleger zu Investments, die sich in vielen Fällen als Reinfall erwiesen. Der Global- View-Fonds sammelte 2006 mehr als 200 Millionen Euro ein - mit der Absicht, in Berlin, Peking und Orlando Aussichtsräder zu errichten, die vor allem Touristen in großer Zahl anlocken sollten.

Doch die Kalkulation war, so scheint es, ein wenig zu optimistisch: Ende 2009 war das ganze Geld aufgebraucht, der Fonds in massiven Zahlungsschwierigkeiten - nur von den Riesenrädern war nichts zu sehen, weder in Berlin, noch in Peking oder gar Orlando. Einzig ein Grundstück am Bahnhof Zoo hatten sich die Projektbetreiber gesichert, kaum 500 Meter von Peter Massines Büro in der Hauptstadt entfernt. "Ich gehe jeden Tag an der freien Fläche vorbei", sagt Massine, "und ich will, dass dort dieses Rad steht. Weil es ein gutes Projekt ist."

Über die Gründe, warum aus den hochfliegenden Plänen bislang nichts geworden ist, wird heftig gestritten. Die Fondsmanager und auch die fondsausgebende Bank Delbrück Bethmann Maffei (DBM) führten bislang stets die Finanzkrise als Hauptgrund an. Fremdkapital sei schwer zugänglich und teuer geworden, zudem hätten die chinesischen Behörden das Projekt in Peking mit immer neuen Auflagen verzögert und weitaus teuer gemacht als ursprünglich kalkuliert.

Betrugsverdacht hin oder her

Es gibt aber auch andere Theorien zu der Frage, wo das Geld der Anleger hingekommen ist - etwa in die Karibik, wie die Anlegeranwälte der Münchner Kanzlei Mattil & Kollegen vermuten. Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen mehrere beteiligte Manager wegen des Anfangsverdachts der Untreue.

Verzicht auf Rechtsansprüche

Irgendwann zwischen den Meldungen über eine drohende Insolvenz des Fonds und den Berichten über mögliche Veruntreuung hat sich der Großteil der 10.000 betroffenen Anleger von der Idee des Riesenrads verabschiedet. Die meisten nahmen das Vergleichsangebot der Bank an, ließen sich 60 Prozent ihres Kapitals erstatten und verzichteten auf alle Rechtsansprüche gegen die Beteiligten. Die Gewissheit, wenigstens den Totalverlust zu verhindern - kaum ein Riesenradanleger, der dieser Versuchung widerstehen wollte. Betrugsverdacht hin oder her.

Nur einer wollte noch immer nicht loslassen: Peter Massine. Erst gründete er die Anlegerinitiative "Pro Riesenrad", die sich gegen einen Vergleich mit den Banken aussprach und stattdessen die Realisierung der Projekte forderte. Dann überbot er das Abschlagsangebot der DBM-Bank, garantierte Anlegern 80 Prozent ihres Kapitals und die Prozesskosten, wenn sie, jeder einzeln, die beteiligten Banken verklagen würden. "Ich wollte verhindern, dass die Banken sich einfach von ihrer Verantwortung freikaufen", sagt Massine. "Und ich wollte erreichen, dass das Riesenrad in Berlin doch noch gebaut wird und die Anleger die versprochene Rendite erhalten."

"Peking hat bestimmt Potential"

Da sich die Investoren aber nahezu geschlossen für das Vergleichsangebot von DBM entschieden, will Massine nun mit der Bank verhandeln und das Berliner Grundstück und die Planungsunterlagen kaufen. Die Finanzierung hätte er bereits "weitgehend gesichert", sobald ihm das Grundstück gehöre, könne mit dem Bau begonnen werden, sagt Massine. Nach zwei Jahren Bauzeit könnten dann jährlich "zwischen eineinhalb und zwei Millionen" Menschen von Massines Riesenrad über die Hauptstadt blicken, glaubt der Unternehmer - und rechnet damit deutlich vorsichtiger als einst die Great-Wheel-Initiatoren im Fondsprospekt: Drei Millionen Besucher im Jahr wurden dort prognostiziert.

Wenn das Konzept aufgeht, könne er sich durchaus vorstellen, auch die beiden anderen Riesenrad-Projekte in Peking und Orlando zu realisieren, sagt Massine. "Peking hat bestimmt Potential."

Den Umgang mit den chinesischen Behörden, die das Projekt im ersten Anlauf nicht eben gefördert haben sollen, müsste Massine eigentlich spielend meistern: Schließlich arbeitete er mehrere Jahre als Kulturmanager für die chinesische Staatsführung, vermarktete den staatlichen Zirkus und arrangierte das Rahmenprogramm des damaligen Staatspräsidenten Jiang Zemin bei dessen Auslandsbesuchen. Und wenn diese alten Kontakte nichts nützen, könnte er ja immer noch David Copperfield um Fürsprache bitten. Der Mann soll in Asien immer noch der Knaller sein.

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