Rentenversicherung:Wer soll das alles zahlen?

Eltern ziehen die Rentenzahler von morgen groß, darum sollten sie stärker entlastet werden. Eine Strafabgabe für Kinderlose ist absurd - sie zahlen schließlich schon heute für anderer Leute Nachwuchs. Bei der Finanzierung des Rentensystems scheiden sich die Geister.

Ein Pro und Contra von Marc Beise und Sibylle Haas

Familien werden ausgebeutet, meint Marc Beise

"Der Druck auf die Kinderlosen wächst", lautet eine beliebte Schlagzeile, über die Jahre häufig variiert. Wäre ja schön, wenn der Druck wirklich stiege! Bisher aber wird nur diskutiert, in dieser Woche über die Frage, ob Kinderlose in der Rentenversicherung höhere Beiträge zahlen sollten als Eltern. Das Thema entzweit selbst Parteien. Jüngere CDU-Abgeordnete sind dafür, ihre Parteichefin Angela Merkel ist dagegen.

Dabei ist die Sache ganz einfach: Die Rentenversicherung ist nach dem Umlageprinzip organisiert, die Beitragszahlungen der Arbeitnehmer werden also nicht für sie angespart, sondern fließen direkt an die Rentner. Dieses Verfahren funktioniert, solange es genügend Nachwuchs gibt. Weil das im Startjahr 1957 der Fall war, wurden damals Kinder nicht berücksichtigt.

Mittlerweile hat Deutschland ein demografisches Problem, es werden weniger Kinder geboren, Rentner leben länger. Höchste Zeit, den Geburtsfehler zu korrigieren: Eltern, die dem System ja tendenziell Kinder zuführen, müssen entlastet werden; dafür haben Ökonomen kluge Modelle entwickelt, zum Beispiel einen Beitragspunkt Abschlag pro Kind. Das wäre nur gerecht.

Wir brauchen eine Reform - je schneller, desto besser

Nach einer neuen Studie wird ein im Jahr 2000 geborenes Kind im Laufe seines Lebens durchschnittlich 77 000 Euro mehr in die Rentenkasse einzahlen, als es selbst an Rente bekommen wird; andere Rechnungen gehen bis 150 000 Euro. Ökonomisch gesprochen ist das der fiskalische Vorteil, den ein zusätzliches Kind - auf Kosten der Eltern - über die Rentenversicherung für die Gemeinschaft erzeugt. Wer nun die familienpolitischen Leistungen, die es, unbestritten, in Milliardenhöhe gibt, gegenrechnen will, muss wissen: Diese staatlichen Leistungen für Kinder und Familien wiegen die Zusatzlast bei der Rente nicht annähernd auf, viele Studien belegen das.

Damit das klar ist: Es geht hier nicht um Strafe. In einer freiheitlichen Gesellschaft kann jeder nach seiner Façon glücklich werden, selbstverständlich auch ohne Kinder. Als Bürger eines Gemeinwesens allerdings muss jeder seinen - sachgerecht differenzierten - Beitrag leisten. Das geschieht in der Rente noch nicht, hier werden Familien benachteiligt, also ausgerechnet diejenigen, die das System am Leben erhalten. Wir brauchen deshalb eine Reform, die Kinderreiche begünstigt und Kinderlose stärker belastet. Je schneller, desto besser.

Familien werden gesponsert - die Replik von Sibylle Haas

Die soziale Zwangsabgabe für Kinderlose ist so absurd wie ein höherer Beitrag von Rauchern zur Krankenversicherung. Denn es gibt starke Raucher, die vor Gesundheit strotzen und die Solidargemeinschaft nicht belasten. Und es gibt kinderlose Paare, die mehr leisten als manches Elternpaar und damit viel für die Gesellschaft tun.

Doch es ist Mode geworden, die Kinderlosen zu beschimpfen. Sie gelten als egoistisch und asozial, weil sie das Geld der nächsten Generationen selbstsüchtig auf den Kopf hauen. Die Wahrheit ist, sie verprassen ihr eigenes Geld und zahlen ohnehin schon über höhere Steuern und Abgaben für die Kinder anderer Leute mit. Dabei ist unklar, ob deren Kinder einmal gute Beitrags- und Steuerzahler werden oder nicht.

Die demografische Strafabgabe für Kinderlose blendet aus, dass es Paare gibt, die schon gestraft sind, weil ihr Kinderwunsch unerfüllt geblieben ist. Und sie unterstellt per se, dass Menschen, die Kinder großziehen, ihren Beitrag bereits leisten. Wäre dies der Fall, müssten aus allen Kindern gute und leistungsfähige Bürger werden. Doch auf der Welt gibt es eben auch Nichtskönner und Schmarotzer. Was also machen wir mit Eltern, deren Kinder später straffällig werden? Und was geschieht mit Eltern, deren Sprössling in der Fürsorge landet oder der sich ins Ausland absetzt?

Kinder als Kapitalanlage? Bitte nicht!

Okay, wir kürzen all diesen Vätern und Müttern dann die Pflegeleistung, wenn sie alt und bedürftig sind! Eine Art Strafsoli für Eltern, die erzieherisch versagt haben.

Kinder als Kapitalanlage? Bitte nicht! Das hatten wir schon. In der DDR konnten junge Paare sogenannte Ehekredite durch Kinder tilgen, die Kredite "abkindern", wie das im DDR-Volksmund hieß. Und mit der Erfindung des Mutterkreuzes haben die Nationalsozialisten Frauen als Gebärmaschinen deklassiert. "Der deutschen Mutter". Vielen Dank!

Kinder werden gezeugt, weil sich zwei Menschen lieben. Für sie sind Kinder deshalb nicht Last, sondern Folge der Lust - und in Zeiten moderner Empfängnisverhütung eine zumeist freiwillige Entscheidung. Familien zu fördern, ist in Ordnung. Doch das geschieht ja längst über den Familienlastenausgleich mit Kindergeld, Freibeträgen, Elterngeld und, und, und ... Finanziert übrigens zum großen Teil von Kinderlosen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: