Rentenpolitik:Alles im Fluss

Die große Koalition muss sich beim Thema Rente erst noch zusammenraufen. Das zeigt sich auch bei der Angleichung der Renten von Ost und West.

Von Thomas Öchsner

Für den früheren Bundesarbeitsminister Franz Müntefering ist klar: Beim Thema Rente "muss es bald Entscheidungen geben". Sonst bekommt die Rentenversicherung große Probleme, wenn die Generation der Babyboomer in Rente geht.

Das Interview mit dem früheren SPD-Chef, der als Vater der Rente mit 67 gilt, ist der letzte Beitrag in der Serie "Unsere Zukunft, unsere Rente". In 26 Folgen haben SZ-Autoren dabei beleuchtet, was bei der privaten, betrieblichen und gesetzlichen Alterssicherung in Deutschland gut und schlecht läuft, wie alte Menschen ihr Leben gestalten und welche neuen Geschäftsmodelle es rund um den Ruhestand gibt. Vieles hat sich in den vergangenen Jahren geändert: Es gibt mehr und mehr Rentner, die ihr Altersgeld im Ausland beziehen. Manche verbringen ihren Lebensabend in einem Altenheim im Osteuropa, weil es dort billiger ist. Wieder andere hören auch mit 65 plus nicht mit dem Arbeiten auf, zum Beispiel, weil sie gerne weiter etwas Sinnvolles tun wollen.

Vieles ist im Fluss, das gilt auch für die Bundesregierung: In dieser Woche hat das Bundeskabinett das Gesetz für die Flexi-Rente gebilligt. Es soll vom nächsten Jahr an helfen, Arbeit und Rente besser miteinander zu kombinieren. In den nächsten Monaten könnten weitere Entscheidungen in Sachen Rente kommen, wenn sich Union und SPD vor den Bundestagswahlen im Herbst 2017 dabei noch zusammenraufen. Doch das wird schwierig.

Das zeigt sich schon beim größten Brocken: der Angleichung der Renten von Ost und West, die mehr als 25 Jahre nach der deutschen Einheit immer noch unterschiedlich berechnet werden. So liegt der Rentenwert Ost derzeit bei 94,1 Prozent des West-Wertes. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will ihn in zwei Schritten zum 1. Januar 2018 und zum 1. Januar 2020 auf Westniveau anheben. Nahles und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) streiten sich aber, wer die Mehrkosten von jährlich 1,8 Milliarden Euro in den Jahren 2018 und 2019 sowie 3,9 Milliarden Euro von 2020 an bezahlen soll.

Die Arbeitsministerin will sich diese Milliarden auf keinen Fall aus der Rentenkasse holen. Schäuble will den Steuerzahler nicht belasten. Das spricht nicht dafür, dass die Renteneinheit noch vor den Bundestagswahlen auf den Weg gebracht wird. Andererseits haben die Parteichefs von CDU, CSU und SPD bei ihrem Spitzentreffen gerade angekündigt, sich genau in dieser Frage in diesem Herbst noch einigen zu wollen.

Ein Fragezeichen steht auch hinter der Lebensleistungsrente, mit der Union und SPD dem Koalitionsvertrag zufolge Minirenten von langjährig versicherten Geringverdienern aufstocken wollen. 2,3 Milliarden Euro sind im Bundeshaushalt bis 2020 dafür eingeplant. Doch die Widerstände gerade beim Wirtschaftsflügel der Union und bei den Arbeitgeberverbänden sind groß. Auch Nahles selbst scheint von dem Projekt, das sie von ihrer Vorgängerin Ursula von der Leyen (CDU) geerbt hat, nicht wirklich überzeugt zu sein. Bislang hat ihr Haus noch nichts Konkretes vorgelegt. Und in einer Antwort auf eine Grünen-Anfrage teilt das Arbeitsministerium lapidar mit: "Gegenwärtig gibt es noch keine Festlegung zum Zeitplan der Umsetzung einer solidarischen Lebensleistungsrente."

Mehr wird man erst irgendwann im Herbst erfahren. Dann will Nahles ein Gesamtkonzept zum Thema Rente vorlegen. So lange muss auch Müntefering warten. Er wünscht sich eine Politik, die den Mut hat, über Legislaturperioden hinauszudenken und auch mal für Dinge einzutreten, die "vielleicht noch nicht populär" sind.

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