Rentendebatte:Mindestens 1000 Euro

Die österreichische Rente gilt vielen Deutschen als Vorbild, die Linkspartei würde das System gerne übernehmen. Experten wiederum warnen: viel zu teuer! Aber warum sind die Bezüge im Nachbarland hoch? Und wer bezahlt das? Ein Überblick.

Von Alexandra Föderl-Schmid

In Diskussionen über Renten in Deutschland wird gerne auf Österreich verwiesen. Tatsächlich sind die Pensionen, wie die Bezüge im Nachbarland heißen, vergleichsweise üppig: Frauen bekommen durchschnittlich 904 Euro, Männer 1466 Euro - 14 Mal im Jahr.

Allerdings sind im OECD-Vergleich auch die Beiträge sehr hoch. Jeder Arbeitnehmer, der mehr als 426 Euro monatlich verdient, muss verpflichtend in die Kranken- und Pensionsversicherung einzahlen. Es gilt ein einheitlicher Beitragssatz von 22,8 Prozent für alle Berufsgruppen, wobei 10,25 Prozent auf die Arbeitnehmer und 12,55 Prozent auf die Arbeitgeber entfallen. Zum Vergleich: Derzeit liegt der gesamte Beitrag in Deutschland für Pflichtversicherte bei 18,7 Prozent, den sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber teilen.

Beiträge sind in Österreich wie in Deutschland aber nur bis zu einer bestimmten Höhe des Arbeitsentgelts, der Beitragsbemessungsgrenze, zu zahlen. Die Höchstbeitragsgrundlage im Jahr 2017 beträgt in Österreich 4980 Euro monatlich. In Deutschland liegt dieser Betrag mit 6350 Euro (alte Bundesländer), beziehungsweise 5700 Euro deutlich höher.

Der Grund, warum Männer eine im Durchschnitt um mehr als ein Drittel höhere Monatsrente erhalten, liegt, zusätzlich zu Unterschieden bei der Bezahlung, vor allem beim Eintrittsalter: das gesetzliche Renteneintrittsalter liegt für Frauen bei 60, jenes für Männer bei 65 Jahren. Frauen kommen somit zumeist auf weniger Versicherungsmonate, was sich auf die Höhe der Rente auswirkt. Erst von 2024 an soll schrittweise eine Angleichung erfolgen und von 2033 an für alle einheitlich 65 Jahre gelten. Eine frühere Anhebung wurde zuletzt im Wahlkampf kurz diskutiert, die bisherigen Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP haben sich dann doch für die Beibehaltung des Status quo entschieden.

Die Politik hat bei der vergangenen großen Reform 2005 das Ziel ausgegeben: Nach 45 Beitragsjahren sollen alle Versicherten im Alter von 65 Jahren eine Pension von 80 Prozent des Lebensdurchschnittseinkommens erhalten. Für viele ist das ein frommer Wunsch. Um Altersarmut bei Menschen zu verhindern, wurde das System der Ausgleichszulage eingeführt. Wer eine sehr niedrige Rente bezieht, bekommt zusätzlich Geld, was in Österreich häufig als "Mindestpension" bezeichnet wird. Wer in Österreich lebt und als Alleinstehender im Alter monatlich weniger als 890 Euro zur Verfügung hat, erhält insgesamt mindestens 1000 Euro. Pro minderjährigem Kind erhöht sich der Wert um 137,30 Euro. Voraussetzung ist jedoch, dass man mindestens 30 Beitragsjahre in der Pensionsversicherung vorweisen kann - viele Frauen erreichen dies nicht. Arbeitszeiten aus Mitgliedsstaaten der EU müssen anerkannt werden. Mehr als 200 000 Menschen beziehen in Österreich diese Mindestpension, weit mehr als die Hälfte davon sind Frauen.

Experten weisen darauf hin, dass jede dritte Rente nicht mehr von Beiträgen gedeckt ist

Warum das österreichische System zwar bei Rentnern einen guten Ruf genießt, aber von Experten als reformbedürftig angesehen wird, liegt zum einen am vergleichsweise frühen Rentenantrittsalter. Das gesetzliche und das faktische Renteneintrittsalter klaffen insbesondere bei Männern weit auseinander: Obwohl die Regierung Möglichkeiten zum früheren Eintritt in den Ruhestand eingeschränkt hat, gehen Männer noch immer vergleichsweise früh im Alter von 61 Jahren und drei Monaten in den Ruhestand. Außerdem steigt die Zahl der Neuzugänge ins Pensionssystem an. Zum anderen nehmen auch die staatlichen Zuschüsse stetig zu. OECD-Zahlen zufolge gibt Österreich 14 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Pensionen aus, der OECD-Schnitt liegt bei 8,7 Prozent.

Auch der Beitrag hat sich in den vergangenen Jahrzehnten massiv erhöht: Seit dem Beschluss des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes 1956 hat sich der Pensionsversicherungsbeitrag von elf Prozent auf 22,8 Prozent mehr als verdoppelt. Experten wie der österreichische Sozialwissenschaftler Bernd Marin weisen darauf hin, dass derzeit jede dritte Pension nicht durch Beiträge gedeckt sei. Sie warnen davor, dass das System in der derzeitigen Form nicht mehr lange finanzierbar ist, zumal die Babyboom-Generation erst in Rente geht. Seit Jahren diskutiert die Politik, konnte sich aber nicht einmal darauf einigen, wie sie die Lebenserwartung in die Rentenformel integrieren.

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