Rente mit 63:Ökonomen halten Pläne "für vollkommen unverantwortlich"

Wirtschaftswissenschaftler sind skeptisch, Familienunternehmer strikt dagegen und die Grünen sprechen von einer "Unsinnigkeit": Das schwarz-rote Rentenpaket zieht zunehmend Kritik auf sich. Bemängelt wird vor allem, dass die Reform nicht für mehr Gerechtigkeit sorgen wird.

Die Umsetzung des Rentenpakets der schwarz-roten Regierung wäre auch aus Sicht führender Ökonomen ein Fehler. Die Rente mit 63 und die Mütterrente seien ungerecht, würden zu steigenden Beitragssätzen führen und den Fachkräfteengpass auf dem Arbeitsmarkt verschärfen.

In einer Umfrage im Auftrag der von den Metall-Arbeitgebern finanzierten Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft lehnten 100 von 109 befragten Wirtschaftsprofessoren die geplante abschlagfreie Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren ab. 86 sprachen sich auch gegen Besserstellungen bei der Mütterrente aus, wie die Initiative berichtete. 84 der befragten 109 Professoren waren der Meinung, dass die Reform nicht für mehr Gerechtigkeit sorgen würde.

Fast alle (102) Experten rechnen mit steigenden Rentenbeiträgen. 76 Ökonomen befürchten darüber hinaus, dass sich mittel- und langfristig der Fachkräfteengpass auf dem Arbeitsmarkt verschärft. "Die Rentenpläne der Bundesregierung sind vollkommen unverantwortlich, weil sie der Rentenversicherung aufgrund eines geringen aktuellen Polsters hohe langfristige Mehrausgaben aufbürden", sagte der Rentenexperte Friedrich Breyer von der Uni Konstanz.

Auch der Verband der Familienunternehmer kritisiert die Pläne zur Rente mit 63. "Alle zahlen, nur wenige profitieren - das Rentenpaket ist Klientelpolitik hoch zehn", sagte der Verbandspräsident Lutz Goebel. "Länger leben und kürzer arbeiten, dass diese Rechnung nicht aufgeht, haben die meisten verstanden, nur die SPD und die Union nicht."

An diesem Montag plant der Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales eine Expertenanhörung zu dem Vorhaben. Koalitionsintern wird schon jetzt wieder heftiger darüber gestritten. Nach monatelangen Warnungen der Union vor Frühverrentungen als Folge des SPD-Projekts Rente mit 63 stellen Sozialdemokraten nun ihrerseits die von der Union durchgedrückte Mütterrente wieder infrage.

Auch die Grünen und die Linke machen vor der Expertenanhörung noch einmal Druck. "Union und SPD scheren sich nicht um Generationengerechtigkeit", sagte Grünen-Fraktionsvize Kerstin Andreae der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. "Beide sind zufrieden, wenn sie ihren Teil der Beute nach Hause tragen können." Die Union ihre Mütterrente aus Beitragsmitteln, die SPD ihre abschlagfreie Rente ab 63 nach 45 Versicherungsjahren. Linke-Chef Bernd Riexinger kritisierte in der Rheinischen Post: "Der Generationenvertrag wird sturmreif geschossen, wenn die Jüngeren für eine Leistung zahlen sollen, die ihnen selbst vorenthalten wird." Die Beitragsfinanzierung sei "himmelschreiend ungerecht".

Die abschlagfreie Rente ab 63 soll Beschäftigten mit mindestens 45 Versicherungsjahren einen um anfangs bis zu zwei Jahre vorgezogenen Ruhestand ermöglichen - ohne finanzielle Abstriche. Angerechnet werden auch Wehr- und Ersatzdienst, Zeiten der Kindererziehung und Pflege von Angehörigen sowie Phasen von Arbeitslosigkeit. Nicht einbezogen werden sollen Langzeit- und Dauerarbeitslose.

Von der frühen Rente ohne Abschläge profitieren nur die Geburtsjahrgänge bis 1963. Die Regierung geht davon aus, dass zum Start Anfang Juli 2014 schätzungsweise 200 000 von etwa 700 000 Neurentnern profitieren können. Die Pläne schlagen zwischen 2015 und 2030 mit je zwei bis drei Milliarden Euro zu Buche - deutlich weniger als die von der Union durchgesetzte Mütterrente.

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