Rente:Da bleibt nur Aussitzen

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Unbeschwerter Ruhestand: Immer mehr Rentner können ihn nicht mehr genießen, weil sie zu wenig Rente bekommen.

(Foto: Gemma Ferrando/Westend61/imago)

Die Union glaubt verstanden zu haben: Viele Wähler sorgen sich um ihre gesetzliche Rente. Ökonomen mahnen Reformen an. Doch einer Jamaika-Koalition fehlt ein gemeinsamer Nenner für Systemeingriffe.

Von Thomas Öchsner

Seit der Wahlschlappe für die Union hat CSU-Chef Horst Seehofer einen neuen Lieblingssatz. Wo immer Bayerns Ministerpräsident auch redet, sagt er: "Wir haben verstanden." Seehofer geht es dabei nicht nur darum, die Zuwanderung zu begrenzen, weil er glaubt, dass dies die meisten Wähler so wollen. Man müsse jetzt auch die sozialen Probleme angehen, und dazu zähle die Rente, sagt er. So sieht es mittlerweile auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, zumindest bei der Rente. Als die Abgeordneten von CDU/CSU zur Wahlnachlese in Berlin zusammenkamen, bezeichnete die CDU-Chefin die Sorge um die Rente als einen Grund für die starken Stimmenverluste der Union.

Vor der Wahl klang das noch ganz anders, aber hinterher ist halt auch die Kanzlerin schlauer. Im Wahlkampf sagte Merkel noch: "An der gesetzlichen Rente haben wir bis 2030 die Reformschritte eigentlich gemacht, die ich für notwendig erachte." Folglich stehen im Wahlprogramm der Union zum Thema Rente nur zweieinhalb dürre Seiten, die sich so lesen, als ob es gar keine großen Probleme gäbe. Darin ist die Rede vom stabilen Rentenbeitrag. Von den 30 Euro mehr Rente je Kind, die fast zehn Millionen Mütter mehr bekommen. Von der zweimaligen Erhöhung der Erwerbsminderungsrenten für kranke Frührentner. Und vom Rentenniveau, das derzeit bei 48 Prozent des Durchschnittsverdienstes nach 45 Beitragsjahren liegt und sich besser entwickelt hat als vorausgesagt.

Wirtschaftsinstitute mahnen: Deutschland befindet sich nur in einem "Zwischenhoch"

In ihrem Wahlprogramm sagt die Union deshalb lediglich Ja "zur Weiterentwicklung der Rente nach 2030". Alles Weitere will sie einer Rentenkommission überlassen, die "bis Ende 2019 Vorschläge erarbeiten soll". Ein Absatz später fällt noch der unverbindliche Satz: "Unser Ziel bleibt es, weiterhin Altersarmut zu vermeiden."

Nun eignet sich Rentenpolitik nicht für überhastete Entscheidungen. Aber der Druck auf CDU/CSU wächst, in einer möglichen Koalition mit FDP und Grünen schon früher konkreter zu werden, und dieser Druck kommt nicht nur von den Wählern. Die fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute haben in ihrer Gemeinschaftsdiagnose gerade erst gemahnt: Die Situation der gesetzlichen Rentenversicherung werde sich "mittel- bis langfristig spürbar verschlechtern". Noch befinde sich die deutsche Wirtschaft in einem "Zwischenhoch". Noch arbeite die geburtenstarke Generation der Babyboomer. Dies werde sich aber ändern, sodass weniger Erwerbstätige mehr Rentner finanzieren müssten. Die Ökonomen des Münchner Ifo-Instituts, des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), des RWI in Essen, des Kieler IfW und des IWH in Halle liebäugeln deshalb mit einer Rente mit 70 von 2030 an. Werde darauf verzichtet und werde die Politik die bis dahin ohnehin deutlich höheren Sozialbeiträge nicht weiter erhöhen, "müssen die Leistungszusagen der Rentenversicherung voraussichtlich sinken", heißt es in ihrer Prognose.

Was an Rente im Verhältnis zum Lohn bleibt, wird allerdings ohnehin weniger. Das Rentenniveau könnte nach einer Prognose des Bundesarbeitsministeriums von derzeit 48 Prozent bis 2045 auf unter 42 Prozent fallen. Schon jetzt sind die 48 Prozent nicht gerade üppig: Durchschnittlich 1396 Euro im Monat Rente ergibt das derzeit, vor Abzug von Beiträgen für die Kranken- und Pflegeversicherung. Hinzu kommt: Viele Erwerbstätige zahlen eben nicht 45 Jahre in die Rentenkasse ein, sondern gar nicht oder mit zu langen Pausen. Oder ihre Beiträge sind zu gering, weil sie mit ihrem Verdienst weit unterm Durchschnitt von derzeit 3091 Euro im Monat liegen. Die Altersarmut dürfte daher in den nächsten 20 Jahren deutlich zunehmen. Bis 2036 könnten etwa sieben Prozent der Neurentner ein so geringes Einkommen haben, dass sie auf die Grundsicherung im Alter, sozusagen das Hartz IV für Senioren, angewiesen sein werden, zeigt eine Studie des Berliner DIW und Mannheimer ZEW.

Das wäre ein Anstieg um 25 Prozent. Worauf also könnte sich eine Jamaika-Koalition einigen? Es dürfte nicht allzu viel sein. Die Rente mit 70 hat die Kanzlerin bereits ausgeschlossen. FDP und Grüne werden aber versuchen, mit der Union über ein flexibleres Rentenalter ins Gespräch zu kommen. Beide Parteien wollen, dass die Menschen mehr selbst entscheiden können, wann sie in Rente gehen. Das Rentenniveau zu stabilisieren, wie es die Grünen fordern, ist Union und FDP zu teuer. Nur das Netto-Rentenniveau bei 48 Prozent zu halten, statt es bis 2030 auf etwas über 44 Prozent sinken zu lassen, würde bereits gut 20 Milliarden Euro jährlich verschlingen. Auch die steuerfinanzierte Garantierente der Grünen wird schon aus Kostengründen in einer Jamaika-Koalition in der Schublade bleiben. So könnte es auch Seehofers Wunsch ergehen, bei der Mütterrente einen Nachschlag herauszuholen. Die Verbesserungen kosten schon jetzt um die sieben Milliarden Euro jährlich.

Vermutlich wird es bei den Koalitionsgesprächen deshalb eher um kleine Reformschritte bei der Rente gehen wie das Online-Rentenkonto, das über alle Ansprüche aus gesetzlicher Rente, Betriebsrente und privater Vorsorge informieren soll. Das hatte Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) vorgeschlagen. Dagegen wird wohl kein potenzieller Koalitionär ernstlich etwas haben.

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