René Obermann:"Bei drei von vier Terminen sind wir pünktlich"

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Telekom-Chef Obermann über die Spitzelaffäre, die Finanzkrise - und Verbesserungen beim Kundenservice.

M. Beise, C. Busse, K.-H. Büschemann, C. Dohmen

Telekom-Chef René Obermann, 45, führt seit zwei Jahren den ehemaligen Staatskonzern. In der Zeit gab es einige Konflikte mit den Beschäftigten, derzeit wegen der Zusammenlegung von Callcentern. Auch die Affären um Datendiebstahl und die Bespitzelung von Aufsichts- und Betriebsräten belasten den Dax-Konzern.

Telekom-Chef René Obermann ist optimistisch was den Service des Unternehmens betrifft: In den letzten zwei Jahren habe es "enorme Verbesserungen" gegeben. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Obermann, die Finanzkrise bestimmt die öffentliche Diskussion. Gut für die Telekom, deren Probleme deshalb weniger beachtet werden, oder?

Obermann: Wie man's nimmt. In der Finanzkrise gehen die schlechten wie die guten Nachrichten unter. Ja, wir haben Imageprobleme wegen Datenklau und Spitzelaffäre. Aber wir haben auch Markterfolge und sehr gute Zahlen.

SZ: Wobei Ihr Unternehmen seit Jahren eher negativ in den Schlagzeilen steht, ob wegen der Abwanderung von Kunden, unfreundlichen Service oder der schlechten Entwicklung des Aktienkurses.

Obermann: Moment Mal, die Marktanteilesind gestiegen, und die T-Aktie läuft seit einiger Zeit besser als die Branche, dies ist ein Novum für die Telekom. Da sind wir ein bisschen stolz drauf...

SZ: ...und zufrieden?

Obermann: Wenn man unter dem Ausgabeniveau von 14 Euro liegt, kann man nicht zufrieden sein.

SZ: Sobald vier Kunden der Telekom zusammenstehen, gibt es drei Beschwerden über den Service der Telekom...

Obermann: Die Realität sieht heute anders aus. Vor zwei Jahren gab es noch deutlich mehr und schärfere Beschwerden unserer Kunden. Dann hatten wir zwei schwierige Phasen durch den Streik im Sommer 2007 und im Frühjahr, als wir in einem großen Kraftakt unsere IT-Systeme umgestellt haben. Ansonsten gab es enorme Verbesserungen.

SZ: Jetzt reden Sie die Dinge schön.

Obermann: Das will ich nicht. Wir werden noch lange mit dem Image des bürokratischen, kundenfernen ehemaligen Monopolisten leben müssen. Aber nur ein Gegenbeispiel: Drei von vier Terminen bei den Kunden zu Hause finden mittlerweile pünktlich statt, ein Anfang.

SZ: Das heißt, ein Viertel der Termine klappt nicht. Wir finden das viel.

Obermann: Seien Sie fair! Vor zwei Jahren war die Situation noch dramatisch. Die Callcenter waren faktisch kaum erreichbar, die Außendienstler konnten viele Termine nicht einhalten oder die Probleme vor Ort nicht lösen. Mittlerweile sind wir auf einem guten Weg, wir kommen sogar am Samstag.

SZ: Gerade bei Callcentern wird gespart: Gefährdet das nicht den Service?

Obermann: Das Gegenteil ist der Fall, wir wollen zusätzlich 70 Millionen Euro in 24 moderne Standorte investieren. Ja, wir müssen gleichzeitig 39 kleinere Standorte aufgeben. Es handelt sich hier nicht um eine reine Sparmaßnahme, sondern wir wollen den Service verbessern.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, ob es bei der Telekom weitere Sparmaßnahmen geben wird.

SZ: All diese Maßnahmen finden im öffentlichen Scheinwerferlicht statt. Bedauern Sie dies?

Obermann: Es ist Teil des Jobs. Ich habe viele kritische Schreiben zum Beispiel aus der lokalen oder regionalen Politik beantwortet. Aber keiner der Kritiker stellt dabei fest, dass wir eines der wenigen Unternehmen sind, welches Callcenter in dieser Größenordnung noch in eigener Regie in Deutschland betreibt. Wir gehen eben nicht an Billigstandorte hinter die Grenzen.

SZ: Sie haben sich auf den politischen Druck hin bewegt: Trier und Schwerin werden als Standorte erhalten. Gibt es da noch mehr Bewegung?

Obermann: Wir reden mit den Betriebsräten, wir haben zwei Standorte mehr angeboten, und wir werden eine Einigung finden.

SZ: Können Sie als global aufgestelltes Unternehmen überhaupt solche lokalen Interessen berücksichtigen?

Obermann: Wir können nicht nur, wir müssen. Wir sind als internationales Unternehmen nur handlungsfähig, wenn wir auch im Heimatmarkt Deutschland vernünftig angesehen und wirtschaftlich erfolgreich sind.

SZ: Sie verlieren mehr Geschäft beim Festnetz in Deutschland, als Sie hier bei neuen Technologien gewinnen. Wo werden Sie sparen?

Obermann: Augenblick, wir haben gerade bewiesen, dass wir den dramatischen Rückgang der Vergangenheit abbremsen. Im Übrigen denke ich nicht nur an Sparen, sondern auch an Investieren. Wenn die Hürden durch eine falsche europäische Regulierungspolitik endlich wegfallen, dann investieren wir gerne weiter und mehr in neue Hochgeschwindigkeitsnetze. Einerseits entsteht dadurch mehr Automation im Betrieb, andererseits mehr Beschäftigung beim Aufbau über viele Jahre.

SZ: Wie viele von den 130.000 Beschäftigten der Telekom in Deutschland brauchen Sie dann noch?

Obermann: Derzeit arbeiten bei uns hierzulande circa 130.000 Menschen, allein im Service, im Netzmanagement und in den Callcentern rund 50.000. Unser Ziel ist, die Arbeit so weit es geht im eigenen Konzern zu halten. Aber manche personalintensive Tätigkeit wird stärker automatisiert - das ist eine Realität in unserer Branche. Deswegen kommen wir um Anpassungen nicht herum.

SZ: Die Telekom hat ein Problem mit gestohlenen Kundendaten. Wie ernst nehmen Sie das Thema?

Obermann: Sehr ernst. Es hätte zum Datendiebstahl nicht kommen dürfen.

SZ: Das sagt sich leicht. Greifen Sie wirklich energisch genug durch? T-Mobile-Chef Philipp Humm hat die politische Verantwortung übernommen - aber hätte er nicht gehen müssen? Reicht die Niederlegung des Sprecheramts der Geschäftsführung bei einem so gravierenden Vorgang aus?

Obermann: Ich finde das Muster stupide, nach dem immer dann, wenn etwas schiefgeht, sofort der Ruf nach Köpfen kommt. Wenn eine Organisation den gleichen Fehler immer wieder macht, wenn Manager sich nicht als lernfähig erweisen, muss man sich trennen. Aber diesen Eindruck habe ich bei unseren Leuten nicht, sie sind sehr engagiert. Deshalb finde ich es richtig, den Mitarbeitern die Chance zu geben, aus Fehlern zu lernen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was sich durch den Einstieg von Blackstone bei der Telekom geändert hat.

SZ: Warum wurden einfache Betriebsräte bespitzelt?

Obermann: Das wissen wir nicht. Die Staatsanwaltschaft hat uns lediglich mitgeteilt, dass offenbar auch Verbindungsdaten von Betriebsratsmitgliedern ausgewertet worden sind. Ob die Betriebsräte selbst Opfer eines gezielten Bespitzelungsangriffs waren oder in den Fokus der Unternehmenssicherheit gerieten, weil sie telefonische Kontakte zu Aufsichtsratsmitgliedern hatten, ist ungeklärt. Wie auch immer, es ist auf jeden Fall ein Angriff auf die Mitbestimmung und deren besonderen Status.

SZ: Wer gab die Anweisung?

Obermann: Ob es eine konkrete Anweisung gegeben hat, Verbindungsdaten gerade auch von Betriebsratsmitgliedern auszuwerten und wer diese Anweisung erteilt hat, wissen wir nicht. Aufklären kann dies nur die Staatsanwaltschaft.

SZ: Sie wollen nicht nur sparen, sondern auch investieren. Die Finanzkrise macht die Aktien billig. Wäre jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für Zukäufe?

Obermann: Das Wesentliche ist, dass wir in den nächsten 24 Monaten stark genug sind, die erforderlichen Milliarden-Investitionen im In- und Ausland in unsere bestehenden Netze tätigen zu können. Abgesehen davon spekuliere ich grundsätzlich nicht über Firmenzukäufe.

SZ: Was hat sich durch den Einstieg von Blackstone bei der Telekom geändert? Solche Finanzinvestoren haben zuletzt viel von ihrem Nimbus verloren.

Obermann: Ich empfinde die Zusammenarbeit als konstruktiv. Wir müssen uns als börsennotiertes Unternehmen schließlich damit auseinandersetzen, wie unsere Strategie und unsere Arbeit aus Sicht der amerikanischen Finanzinvestoren beurteilt wird.

SZ: Ist dies eine Einladung an weitere Finanzinvestoren?

Obermann: Je mehr Aktionäre sich engagieren, umso besser.

SZ: Sie sagen, Blackstone hat das amerikanische Denken ins Haus gebracht: Müssen wir uns als Lehre aus der Finanzkrise von diesem Denken nicht schon wieder verabschieden?

Obermann: Der Kapitalmarkt wird nicht verschwinden, sondern sich ändern. Auch in Zukunft wird es wichtig sein, dass man die Stimme des amerikanischen Kapitalmarkts am Tisch hat. Wir werden nicht zurückfallen in unternehmerische Kleinstaaterei und uns auf Deutschland und Europa beschränken können.

SZ: Wir bestreiten nicht die Globalisierung. Aber wir fragen uns schon, ob man in Deutschland nicht zu viel an die Aktionäre gedacht, zu hohe Renditeziele gesetzt hat, zu kurzfristig in Quartalen geplant hat? Müssen wir nicht zurück zu einer sozialen Marktwirtschaft mit anderen Maßstäben für Rentabilität?

Obermann: Hierzulande kann man ohnehin nicht ausschließlich mit Renditezielen operieren. Dies ist in dieser Gesellschaft kein funktionsfähiges Modell. Ich glaube, es ist allen bewusst, dass wir die Interessen aller im Kopf haben müssen. Aber: Im Zentrum unternehmerischer Entscheidung muss weiterhin der wirtschaftliche Erfolg stehen. Dies zu ignorieren, wäre ein grober Fehler. Sonst kann man der sozialen Verantwortung nämlich nicht gerecht werden.

SZ: Herr Obermann, Sie sind Teil einer in Misskredit geratenen Spezies. Manager werden heute in Deutschland sehr kritisch gesehen. Können Sie nachvollziehen, dass das Image der Führungskräfte so schlecht ist?

Obermann: Konkrete Verfehlungen müssen kritisiert werden. Die generelle Verurteilung von Führungskräften in der Wirtschaft halte ich aber für unsinnig. Wenn Politiker zu stark pauschalisieren, machen sie einen Fehler. Wir brauchen gerade jetzt eine höhere Solidarität zwischen Wirtschaft und Politik, um die Auswirkungen dieser schweren Finanzmarktkrise einzudämmen.

SZ: Welche Rolle spielen die Politiker bei der Lösung der Finanzmarktkrise?

Obermann: Die Bundesregierung hat gut mit dem Rettungspaket reagiert, sie hat Schlimmeres verhindert. Wir müssen jetzt aus der Bankenrettungsaktion auch einen Weg finden, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Kredite müssen fließen und Investitionen getätigt werden. In manchen Bereichen gibt es alarmierende Signale.

SZ: Hat die Welt der Wirtschaft zu lange gedacht, sie könnte ohne die Politik ihre Geschäfte machen?

Obermann: Beide Seiten brauchen sich. Die Krise kann nur gemeinsam bewältigt werden. Da gibt es keine Alternative.

© SZ vom 13.11.2008/ld/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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