Reise in die USA:In eigener Sache

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble will in Washington selbst die Themen besetzen und Botschaften senden. Eines will er nicht: sich rechtfertigen für Deutschland.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

An exterior view of the IMF headquarters is seen in Washington

Der Hauptsitz des Internationalen Währungsfonds in Washington.

(Foto: Jonathan Ernst/Reuters)

Geplante Ankunft in Washington ist kurz vor Mitternacht, gleich an diesem Donnerstagmorgen wird er eine Rede an der John-Hopkins-Universität über Europas Zukunft halten, direkt danach an der Carnegie-Stiftung für Internationalen Frieden, einer angesehenen Denkfabrik. Später stehen Verhandlungen der G-20-Partner im Programm, wo Deutschland noch bis zur Bundestagswahl die Präsidentschaft innehat. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lässt keinen Zweifel daran, was er auf seiner Reise nach Washington vorhat: Er selbst will Themen bestimmen und Botschaften senden - und sich nicht wieder für dieses und jenes bei seinen Partnern rechtfertigen müssen.

Deutschland gilt als kraftvoller Verteidiger von Welthandel und Multilateralismus

Wie im letzten Jahr. Die Reisen dürften dem Bundesfinanzminister in unguter Erinnerung sein. Bei der damaligen Frühjahrstagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank musste Schäuble harsche Kritik an seinem Umgang mit der Europäischen Zentralbank (EZB) hinnehmen. Bundespräsident Jens Weidmann sah sich veranlasst, EZB-Chef Mario Draghi gegen Schäubles Anschuldigung zu verteidigen, die Geldpolitik treibe der AfD Wähler in die Arme. Ein halbes Jahr später musste sich Schäuble von allen Seiten "sollte, müsste, könnte" anhören. Deutschland sollte den Handelsbilanzüberschuss abbauen, könnte die Deutsche Bank retten, sollte beim Schuldenschnitt für Griechenland einlenken. In fast allen Fragen von Belang lagen die Bundesregierung und der Währungsfonds über Kreuz.

Das soll bei der am Donnerstag beginnenden diesjährigen Frühjahrstagung der Finanzelite nicht wieder passieren. Griechenland? Über einen Schuldenschnitt für das Land werde nicht geredet, sagt ein Regierungsvertreter am Dienstag in Berlin. Die Deutsche Bank ist ohnehin aus den Schlagzeilen verschwunden. Anders als der Handelsbilanzüberschuss.

Am Tag vor Schäubles Ankunft fordert IWF-Chefin Christine Lagarde, dass Berlin seine enormen Exportüberschüsse nutzt, um mehr zu investieren. Ein Überschuss in der Leistungsbilanz von acht Prozent des Bruttoinlandsproduktes sei zu hoch. "Vier Prozent mögen vielleicht gerechtfertigt sein, acht Prozent sind es nicht", sagt sie in einem Interview mit mehreren Tageszeitungen. Schäuble hat für zu erwartende weitere Aufforderungen in Washington einige Argumente sammeln lassen, die er notfalls vorbringen kann.

Ein Regierungsvertreter verweist etwa auf einen Bericht, den das US-Finanzministerium vergangene Woche veröffentlicht hat - erstmals unter der neuen US-Administration. Dessen Sprache ähnele der des letzten Berichts, der im Herbst 2016 noch von der Obama-Administration herausgegeben wurde, sagt er. Die Passage zum Euro gebe Deutschland nicht die alleinige Verantwortung für die Schwäche der Währung, man stufe die Bundesrepublik ausdrücklich nicht als Währungsmanipulator ein. Man mahne die südlichen Länder Europas ebenso wie Deutschland, Hausaufgaben zu erledigen. Die Länder im Süden müssen strukturelle Reformen anpacken, Berlin mehr investieren.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland wieder in den Fokus der Kritiker rückt, ist abgesehen von Schäubles Vortragstätigkeit deshalb gering, weil es inzwischen ein ganz anderes, auf alle Bereiche übergreifendes Problem gibt. Und das heißt Unsicherheit.

Im Weißen Haus regiert ein Präsident, der von Welthandel und multilateralen Organisationen nicht viel hält, es sei denn, sie dienen seinem politischen Ziel "America first". Donald Trump lässt seine Handelsberater bereits prüfen, welche Organisationen Amerika nützlich sind und wer sich wie an ihrer Finanzierung beteiligt. Die USA sind beinahe überall die größten Anteilseigner. IWF-Chefin Lagarde sagte vergangene Woche in Berlin zwar auf Nachfrage, sie habe keinen Grund, daran zu zweifeln, dass der Weltwährungsfonds seine Mission wie bisher weiter erfüllen kann. Aber bei anderen Organisationen wie der Weltbank kann das schnell anders aussehen. Es steht nicht die Existenz, wohl aber die Fülle der Aufgaben zur Disposition.

Deutschland hat sich in der noch kurzen Regierungszeit von Donald Trump bereits den Ruf als kraftvoller Verteidiger von Welthandel und Multilateralismus erworben. Auch Schäuble gilt als Hoffnungsträger. Man werde ein klares "Ja" zu Globalisierung und arbeitsteiliger Weltwirtschaft in Washington vortragen, sagt ein Regierungsvertreter. Die Bundesregierung sehe es als ihre Aufgabe an, "multilaterale Institutionen so auszustatten, dass sie ihre Rolle erfüllen können". Wobei es dazu selbstverständlich Verbündete brauche. Auch die wird Schäuble in Washington suchen.

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