Kartellprozess gegen Carlos Slim:Señor Superreich muss gigantische Strafe zahlen

Er gilt als reichster Mann der Welt - verdankt Carlos Slim seine Position dubiosen Geschäftspraktiken? Sein Mobilfunkkonzern dominiert mit saftigen Preisen das mexikanische Handynetz, jetzt greift das Kartellamt ein: Der Mann muss eine Milliardenstrafe zahlen.

Peter Burghardt

Wenn von Carlos Slim Helú die Rede ist, geht es meist um sagenhafte Summen. Seit 2010 setzt das Fachblatt Forbes den Mexikaner an die Spitze der Reichen-Weltrangliste - zuletzt wurde ihm ein Vermögen von 74 Milliarden Dollar zugeschrieben, mehr als seinen Verfolgern Bill Gates und Warren Buffett aus den USA. Sein Wohlstand hat viel zu tun mit dem Telekommunikationskonzern Telmex, den er 1990 preiswert vom Staat erwarb und aus dem später die Mobilfunkfirma América Móvil mit ihrer mexikanischen Vertretung Telcel entstand.

Carlos Slim Helu

Die Kartellwächter bitten Carlos Slim zur Kasse. Die Wettbewerbshüter verhängen gegen eines seiner Unternehmen eine saftige Gedlstrafe.

(Foto: AP)

Damit verdiente Slim als nahezu uneingeschränkter Marktführer, jetzt bricht er auch als Büßer Rekorde: Mexikos Kartellamt CFC hat gegen Telcel eine Geldstrafe in Höhe von mehr als elf Milliarden Pesos verhängt, gut eine Milliarde Dollar, mehr als 700 Millionen Euro.

Das Urteil spricht von "monopolistischen Praktiken". Telcel nütze seine Position, um Rivalen unfair zu verdrängen, das behindere den Wettbewerb und schade den Verbrauchern. Außerdem verlange das Unternehmen von den Wettbewerbern bei der Verbindung zu Telcel-Kunden Gebühren, die teilweise sogar noch höher als die Kosten für das Gespräch seien. Die Schäden betrügen laut CFC jährlich 72 Milliarden Pesos, sechs Milliarden Dollar, berichtet die Zeitung El Universal.

Damit spricht die Aufsichtsbehörde aus, was Nutzer und Konkurrenten von Telcel bereits seit langer Zeit erleben. Telcel kontrolliert 70 Prozent des Handynetzes in Mexiko, Mutter Telmex sogar 80 Prozent des Festnetzes. Die Tarife gehören zu den höchsten der Welt.

Geklagt hatten Widersacher wie Telefónica, Axtel, Alestra und Mercatel. Angesichts der Anzeigen untersucht die CFC bereits seit 2006 Telcel, einen Goldesel in Slims Imperium. Auch die internationale Organisation OECD hatte wiederholt gewarnt, Mexikos Monopolwirtschaft hemme die Entwicklung. In der erst 18 Jahre langen Geschichte der mexikanischen Wettbewerbskontrolle ist dies der schärfste Schiedsspruch, die Höhe der Strafe entspricht zehn Prozent der Aktiva von Telcel, das ist das gesetzlich festgelegte Höchstmaß. Das Kartellamt erläuterte dies mit Schwere und Dauer der verbotenen Praxis sowie mit dem wirtschaftlichen Gewicht des Unternehmens. Obendrein ist Telcel Wiederholungstäter.

Den Magnaten Slim mit seinen 250.000 Angestellten wirft das nicht um. Aber die Causa Telcel wirft ein Schlaglicht auf sein Geschäftsmodell. Der Sohn libanesischer Einwanderer übernahm den vormaligen Staatskonzern Telmex vor mehr als zwanzig Jahren, als die Regierung des korruptionsverdächtigen Präsidenten Carlos Salinas von der Revolutionspartei PRI Staatsbetriebe privatisierte.

Der Schriftsteller Mario Vargas Llosa nannte das Regime einst "die perfekte Diktatur". Dank seiner schon damals erstklassigen Politkontakte und seines famosen Instinkts für Sonderangebote bekam Slim weite Teile des Festnetzsystems seinerzeit für lächerliche 1,8 Milliarden Dollar. Längst hat sich der Wert dieses wohl besten Kaufs der mexikanischen Wirtschaftsgeschichte vervielfacht. Aus Telmex ging die Tochter América Móvil hervor, zu dem Konglomerat gehören außer Telcel ebenfalls erfolgreiche Filialen wie Claro, dessen Netz inzwischen fast ganz Südamerika überzieht.

Für Mexikos Telefonierer und Internetnutzer ist der 1940 geborene Slim seit geraumer Zeit die entscheidende Größe. Telmex und América Móvil sind Slims Basis seines märchenhaften Aufstiegs zur modernen Version von König Midas, der alles zu Gold macht, was er anfasst. Als Schnäppchenjäger ist der Kunstfreund und Anhänger von Baseball- Statistiken ansonsten bereits seit den achtziger Jahren erfolgreich. Seine Holding Carso vereint Einkaufszentren, Restaurants, Banken, Baufirmen. Kaum ein Mexikaner schafft es, einen Tag ohne Slim auszukommen, besonders Telmex zählt zu den Schwergewichten der Börse.

El Ingeniero, wie der Bauingenieur genannt wird, greift gewöhnlich zu, wenn es dem Investitionsobjekt schlecht geht. Slim sicherte sich in günstigen Momenten auch Anteile bei Apple und der New York Times. Als nächste Coups sind der Großeinstieg in der Formel 1 geplant sowie der gesamte Erwerb der Anteile an einem brasilianischen Satelliten. Ansonsten tritt der Witwer wie gehabt als Mäzen auf, hat ein neues Museum für seine gewaltige Kunstsammlung eröffnet, verteilt billige Laptops oder will gemeinsam mit Bill Clinton der von Gewalt geprägten Stadt Ciudad Juárez beistehen.

Mexikanische Funktionäre und Gerichte hatten bis zuletzt wenig getan, um ihn zu bremsen. Doch in den ähnlich umstrittenen Fernseh-Riesen Televisa und TV Azteca fand er mächtige Herausforderer. Slim will in deren Markt, Televisa und TV Azteca wollen in sein Telefonreich. In diese Schlacht der Kolosse platzt nun das spektakuläre Wettbewerbsurteil gegen Telcel. Slim hat 30 Tage, es anzufechten. Das Kartellamt will weiter ermitteln.

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