Regionen für Start-ups:Wo die Gründer zu Hause sind

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Illustration: Stefan Dimitrov (Foto: N/A)

Immer mehr erfolgreiche Unternehmen suchen die Nähe zu jungen, innovativen Firmen.

Von Norbert Hofmann

Der heute milliardenschwere Instagram-Gründer Kevin Systrom hat jungen Unternehmern einmal geraten: "Denk lieber nicht ans Geld, es kann dich auf die Dauer verrückt machen." Ganz ohne geht es aber auch nicht. Da ist es eine gute Nachricht, dass sich deutsche Gründer derzeit über ein wachsendes Interesse von Investoren freuen können. Der von öffentlichen Partnern und privaten Unternehmen initiierte Hightech-Gründerfonds (HTGF) etwa, ein wichtiger Initiator von Start-up-Finanzierungen, ist gerade mit einem Volumen von 245 Millionen Euro an den Start gegangen.

Als Kapitalgeber mit dabei sind namhafte Unternehmen wie BASF, Drillisch, Robert Bosch oder Wacker. Aber auch weniger bekannte, weltweit erfolgreiche Firmen, sogenannte Hidden Champions, füttern den Fonds mit Kapital. "Nach den großen Unternehmen sucht jetzt zunehmend der gehobene Mittelstand die Zusammenarbeit mit Start-ups, um angesichts der enormen Innovationsgeschwindigkeit nicht den Anschluss zu verlieren", sagt HTGF-Geschäftsführer Michael Brandkamp. Auch ausländische Investoren sind interessiert. Die Gründer ihrerseits achten darauf, wo die besten Chancen winken.

Allen voran die Hauptstadt genießt einen besonderen Ruf. "Berlin gilt als hip und sexy", sagt Brandkamp. Weit mehr Start-ups als in anderen deutschen Metropolen arbeiten hier. Die weltoffene Atmosphäre trägt einiges dazu bei. "Ein großer Teil der rund 190 000 in Berlin Studierenden kommt nicht aus Deutschland, und das gilt auch für rund 40 Prozent der Unternehmensgründer", sagt Stefan Franzke, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderagentur Berlin Partner. Für die Stadt spreche auch, dass hier 3,6 Millionen Menschen aus 190 Nationen leben. Dennoch finden Gründer noch relativ moderate Lebenshaltungskosten und Büromieten. Längst geht es auch in Berlin nicht mehr nur um die Entdeckung der neuesten Apps. Dax-Unternehmen entwickeln ebenso Zukunftsprojekte wie Mittelständler vom Schlage Würth und Trumpf. "Rund zwei Drittel der Gründungen entstehen aus der Industrie", sagt Franzke. Auch das Geld lockt. Jedes dritte Start-up in Berlin hat laut einer KPMG-Studie bereits Wagniskapital erhalten. Im bundesweiten Durchschnitt ist es gerade mal jedes sechste.

Nach Erhebungen von Ernst & Young (EY) sind allein im ersten Halbjahr wieder 1,5 Milliarden Euro Risikokapital nach Berlin geflossen - das waren 177 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Hinzu kommen Anschubfinanzierungen über Acceleratoren. Dahinter verbergen sich Konzerne wie die Deutsche Telekom, Microsoft, Pro Sieben Sat 1 und VW, die zeitlich begrenzt Programme anbieten, in deren Rahmen sie auch Coaching und ihre Netzwerke zur Verfügung stellen. Hilfreich ist zudem, dass die Szene selbst immer wieder neue Multimillionäre hervorbringt. "Wir sehen hier viele Investoren, die einmal erfolgreiche Start-ups ins Leben gerufen haben und die jetzt nicht nur Geld, sondern auch ihr Know-how in die nächste Gründergeneration investieren", sagt Franzke.

Viele Weltmarktführer sind Partner, Kunde und Investor der Start-ups zugleich

Aufgrund der Nähe zu erfolgreichen Mittelständlern und namhaften Konzernen gelten auch das Ruhrgebiet und die Region entlang der Rheinschiene als Gründer-Hotspots. Dort haben neben Baden-Württemberg und Teilen Bayerns auch die meisten Hidden Champions ihren Sitz. Blickt man wieder auf die großen Metropolen, so ist München in der "Heatmap" der European Startup Initiative (esi) neben Berlin als einzige deutsche Stadt in den Top Ten vertreten. Die Studie nennt den guten Zugang zu Finanzierungen als einen der Vorzüge. Eine besondere Rolle spielt dabei Venture Capital, das große Investoren ab einer Höhe von 100 000 Euro bereitstellen. Bundesweit haben diese Investitionen in 2016 mit 0,93 Milliarden Euro das höchste Niveau seit dem Krisenjahr 2008 erreicht. "Auch im laufenden Jahr werden wir mindestens das gleiche Volumen oder sogar noch mehr sehen", sagt Peter Pauli, Geschäftsführer der Bayerischen Beteiligungsgesellschaft (BayBG).

In Bayern haben mit 45 Venture-Capital-Gesellschaften die meisten Anbieter von Risikokapital dieser Art ihren Sitz. Der Standort bietet zudem eine besondere Mischung aus Industrie- und Technologieunternehmen sowie exzellenter Forschung an Hochschulen und Instituten von Fraunhofer bis Max Planck. "Das klassische Beispiel des Silicon Valley zeigt, welche enorme Wirkung die räumliche Nähe zwischen Kapital, Forschungseinrichtungen und Gründern entfalten kann", sagt Pauli. Neben München gelten der Ballungsraum um Regensburg und das "Medical Valley" Erlangen-Nürnberg als starke Gründerzentren.

Auch die Politik treibt die Entwicklung voran. So hat Bayern Kapital, die Venture-Capital-Gesellschaft des Freistaats, in den vergangenen zwei Jahren 31 Millionen aus dem staatlichen Wachstumsfonds Bayern in junge Technologiefirmen investiert. Dass auch kommunale Anstrengungen viel bewirken, zeigt die Existenzgründeroffensive des Kreises Schwabach. Im NUI-Ranking der Gründungsregionen des Bonner Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) hat die Region nahe Nürnberg gerade den Sprung von Platz 51 in die Top 20 geschafft. "Der etablierte Mittelstand weiß, dass mit der Digitalisierung und anderen Trends wie etwa dem zunehmenden Einsatz künstlicher Intelligenz ein technologischer Umbruch ansteht, der das eigene Geschäftsmodell bedrohen kann", sagt Pauli. Firmen suchten daher häufiger den Kontakt zu jungen dynamischen Gründern.

In Baden-Württemberg hat das schon Tradition. Über 80 Prozent der von Start-ups entwickelten Lösungen sind auf den Bedarf von Firmen ausgerichtet. "Sie sind zudem nicht unter sich, sondern arbeiten schon immer eng mit der Wirtschaft zusammen", sagt Marc Mehlhorn, Leiter von Stuttgart Financial. Das ist ein Institut des Landes Baden-Württemberg und der Börse Stuttgart zur Stärkung des Finanzplatzes. Er verweist darauf, dass in keinem anderen Bundesland mehr Risikokapital von Firmen bereitgestellt wird. Die zahlreichen Weltmarktführer sind häufig Partner, Kunden und Investoren der Start-ups zugleich. "Das führt offenbar dazu, dass Start-ups aus Baden-Württemberg die deutschlandweit höchste Überlebensrate haben", sagt Mehlhorn. Die Online-Plattform Venture Zphere hilft jetzt auch, Mittelstand und Start-ups bundesweit zusammenzubringen. Gründer können sich hier präsentieren. Die Börse Stuttgart versucht dann über ihr Netzwerk, den Kontakt zu Investoren herzustellen.

© SZ vom 07.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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