Regionale Unterschiede bei der Steuer:Gerechtigkeit ist eine Frage der Geografie

Regionale Steuerlast

Der eine zahlt so viel, der andere so viel: Wie hoch die Steuerlast ist, hängt auch vom Wohnort ab.

(Foto: sde)

Ob Kirchensteuer oder Grunderwerbsteuer - wieviel jeder Einzelne zu zahlen hat, hängt oft vom Wohnsitz ab. Aber nicht nur zwischen den Bundesländern gibt es Unterschiede.

Von Oliver Klasen

Der größte Teil der 600 Milliarden Euro, die jedes Jahr an den Fiskus gehen, sind die Einkommen- und die Mehrwertsteuer. Zwar gibt es bei der Mehrwertsteuer viel Verwirrung um den ermäßigten Satz von sieben Prozent und auch bei der Einkommensteuer gibt es zahlreiche komplizierte Detailregelungen. Allerdings gelten sie bundesweit einheitlich. Bei einigen anderen Steuerarten gibt es dagegen je nach Bundesland, zum Teil sogar je nach Gemeinde, erhebliche Unterschiede. Gerechtigkeit ist dann auch eine Frage der Geografie. Eine Übersicht - ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Recherche

"Wie gerecht ist das deutsche Steuersystem?" Diese Frage hat unsere Leser in der ersten Abstimmungsrunde unseres neuen Projekts Die Recherche am meisten interessiert. Dieser Text ist einer von am Ende mehr als zwei dutzend Beiträgen, die die Fragen beantworten sollen. Alles zum Thema Steuergerechtigkeit finden Sie hier, alles zu Die Recherche finden Sie hier.

Kurioses bei der Kirchensteuer

Die Kirchensteuer ist schon an sich ein Kuriosum, denn Deutschland ist das einzige Land, in dem der Staat die Aufgabe übernommen hat, Gelder für die Glaubensgemeinschaften einzuziehen. Damit nicht genug. Es gibt auch abhängig vom Wohnort überraschende Sonderregelungen.

So beträgt die Kirchensteuer in den meisten Bundesländern neun Prozent der zu zahlenden Einkommensteuer. Außer in Bayern und Baden-Württemberg: Dort sind es nur acht Prozent. Bei einem Jahreseinkommen von 36.000 Euro macht der Unterschied immerhin knapp 76 Euro aus.

Bei Spitzenverdienern gibt es noch eine weitere Besonderheit. Für sie besteht die Möglichkeit, ihre Kirchensteuer quasi begrenzen zu lassen - Kappung lautet der Fachbegriff. Dabei wird die Kirchensteuer nicht von der Einkommensteuer abgeleitet, sondern als fester Prozentsatz vom Einkommen.

Für sehr hohe Einkommen - je nach Höhe der prozentualen Kappungsgrenze ist dafür ein Einkommen von 100.000 Euro oder sogar von etwa zwei Millionen Euro pro Jahr erforderlich - bedeutet das einen nicht unerheblichen Vorteil. Während ein Durchschnittsverdiener etwa zwei Prozent seines Einkommens für die Kirchensteuer aufwenden muss, fällt bei einem Spitzenverdiener normalerweise ein Anteil von mehr als vier Prozent an. Dieser wird im Zuge der Kappung gesenkt und auf einen konstanten Maximalwert festgesetzt. Die Ersparnis ist allerdings relativ gering, wie dieses Rechenbeispiel verdeutlicht.

Kappung nutzt vor allem Einkommensmillionären

Wie hoch dieser konstante Prozentsatz angesetzt wird, ist wiederum von Bundesland zu Bundesland und selbst von Kirche zu Kirche unterschiedlich. Während ein Mitglied der evangelischen Kirche Württemberg niemals mehr als 2,75 Prozent seines Einkommens für die Kirche aufbringen muss, liegt die Grenze für ein Mitglied der evangelischen Kirche Baden bei 3,5 Prozent des Einkommens. Mitglieder der katholischen Kirche in Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und im Saarland kommen erst dann in den Genuss der Kappung, wenn die Kirchensteuerbelastung vier Prozent ihres Einkommens übersteigt.

Bayern - noch eine weitere Ausnahme - ist das einzige Bundesland, in dem überhaupt keine Kappung möglich ist. Hier müssen immer acht Prozent bezahlt werden. Und als wäre das alles noch nicht kompliziert genug, erfolgt die Kappung in einigen Bundesländern automatisch, in anderen müssen die Steuerpflichtigen sie selbst bei den Finanzämtern beantragen.

Länderunterschiede bei der Grunderwerbsteuer

Die Grunderwerbsteuer wird immer dann fällig, wenn ein Grundstück den Besitzer wechselt und dabei ein Kaufvertrag abgeschlossen wird. Sie zählt nicht zu den größten Einnahmequellen des Staates, macht aber immerhin 1,3 Prozent des Steueraufkommens in Deutschland aus. 2012 wurden knapp 7,4 Milliarden Euro Grunderwerbsteuer gezahlt. Diese Einnahmen gehen vollständig an die Länder.

Bis August 2006 lag die Steuer bundesweit einheitlich bei 3,5 Prozent des jeweiligen Kaufpreises. Im Zuge der Föderalismusreform haben die Bundesländer aber die Möglichkeit erhalten, die Höhe der Steuer in eigener Verantwortung festzulegen. Die meisten Bundesländer haben das für Erhöhungen genutzt und verlangen zwischen 4,5 und 5,5 Prozent - Schleswig-Holstein sogar 6,5 Prozent. Nur in Bayern und Sachsen gilt noch der alte Satz von 3,5 Prozent.

Befreit von der Grunderwerbsteuer sind nur Verkäufe zwischen Ehepartnern und direkten Verwandten und - nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts - inzwischen auch in eingetragenen Lebenspartnerschaften.

Steuerexklave Büsingen

Während die Grunderwerbsteuer von Bundesland zu Bundesland variiert, gibt aber auch steuerliche Besonderheiten, die in einem viel kleineren Gebiet für viel weniger Personen gelten. Ein solcher Sonderfall ist die Gemeinde Büsingen am Hochrhein, eine deutsche Exklave mit 1328 Einwohnern, die vollständig vom Gebiet der Schweiz umschlossen ist.

Weil Büsingen zollrechtlich zur Schweiz und damit nicht zur Europäischen Union gehört, fallen viele Verbrauchsteuern weg, die ansonsten vom Zoll erhoben würden - zum Beispiel die Kaffeesteuer, die Bier- und Branntweinsteuer sowie die 2004 eingeführte Alkopopsteuer. Außerdem ist Büsingen die einzige Gemeinde Deutschlands, die keine Grundsteuer erhebt.

In dem Ort, wo der Zahlungsverkehr ohnehin größtenteils mit Schweizer Franken abwickelt wird, gilt bei der Mehrwertsteuer das Schweizer Recht. Sie liegt deswegen nur bei acht statt bei 19 Prozent wie in Deutschland. Für Lebensmittel gilt sogar ein noch niedrigerer Satz von 2,5 Prozent.

Ihre Einkommensteuer müssen die Büsinger allerdings an den deutschen Fiskus zahlen. Das bringt Nachteile, denn die Steuersätze in Deutschland liegen höher als in der Schweiz. Als Ausgleich dafür erhalten die Büsinger einen höheren Freibetrag bei der Einkommensteuer. 30 Prozent des Einkommens unterhalb von 10.225 Euro bleiben steuerfrei.

Nur 27 Steuerfahnder pro eine Million Einwohner

Vom Sonderfall Büsingen abgesehen gibt es regionale Unterschiede im Steuersystem, die sich zwar nicht direkt auf die Steuersätze auswirken, wohl aber auf die Gefahr, als Steuerhinterzieher erwischt zu werden: Die Zahl der Steuerfahnder ist je nach Bundesland sehr unterschiedlich.

Bundesweite Zahlen zu Steuerfahndern (für Privatpersonen) und Betriebsprüfern (für Firmen) werden von der Bundesregierung zwar nicht veröffentlicht, obwohl die Daten existieren. Dank parlamentarischer Anfragen der Grünen in elf Bundesländern lässt sich seit vergangenem Jahr jedoch ein Überblick gewinnen, wie unterschiedlich der Fahndungsdruck je nach Region ist.

Nach den neuesten verfügbaren Zahlen von 2009 gibt es in Bayern nämlich nur 27 Steuerfahnder pro eine Million Einwohner. In Hamburg sind es dagegen anteilsmäßig fast doppelt so viele. Hier prüfen 52 Fahnder pro eine Million Einwohner. Auch bei den Betriebsprüfern sieht es in Bayern nicht besser aus. Der dortige Oberste Rechnungshof beklagte in seinem Jahresbericht 2012 Tausende fehlende Stellen in der Steuerverwaltung. Besonders eklatant ist der Personalmangel im Außendienst: So wird ein Kleinstbetrieb statistisch nur alle 250 Jahre kontrolliert.

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