Regelwerk für Schattenbanken:Im Dunkeln

Schattenbanken zu regulieren ist schwierig und kompliziert. Regeln und Vorgaben müssen ständig überprüft und angepasst werden.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Als der Investment-Manager Paul McCulley im Herbst 2007 erstmals über "Schattenbanken" schrieb, konnte er kaum ahnen, was er damit lostrat. Auf einmal gab es einen Begriff, ein Schlagwort, für den Teil des Finanzsystems, in dem vor der großen Rezession so viele Risiken versteckt waren. Erst griffen ihn Profis auf, dann die Politik, dann stand er in der akademischen Literatur. Man versuchte zu verstehen, was da außerhalb der Bankbilanzen und unsichtbar für die Aufsichtsbehörden im Schatten passiert war. Im zehnten Jahr nach Beginn der Finanzkrise zeigt sich: Mit dem Verstehen ist man schon weiter, mit der Regulierung nicht so sehr.

Immerhin ist inzwischen ungefähr klar, was Schattenbanken überhaupt sind. Der Finanzstabilitätsrat (FSB) bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich definiert das Schattenbankensystem relativ breit als "Kreditvermittlung durch Aktivitäten und Instanzen außerhalb des regulären Bankensystems." Das heißt: Sämtliche Kreditgeschäfte, die nicht über Institute mit Banklizenz laufen, sind der weiten Welt der Schattenbanken zuzurechnen. Vor der Finanzkrise waren es noch vor allem die Banken selbst, die Risiken in Tochtergesellschaften verstecken konnten, die im Geschäftsbericht nicht auftauchten. Neue Regeln haben solche Tricks seither erschwert. Wurden die Gefahren für das Finanzsystem dadurch bloß verlagert?

Die Europäische Zentralbank (EZB) setzt sich laufend mit den Entwicklungen in dem Sektor auseinander. "Das ist eben auch ein politischer Begriff, der auf einer technischen Ebene schwierig zu definieren ist", sagt Christian Weistroffer, EZB-Experte für Finanzmarktstabilität. Denn: "Der Schattenbankensektor besteht aus einer sehr heterogenen Gruppe von Institutionen und Geschäftsmodellen, die auf den ersten Blick nicht unbedingt viel miteinander zu tun haben." Nach der Finanzkrise hatte sich die Staatengemeinschaft zügig auf strengere Banken-Regeln geeinigt. Aus gutem Grund: Man wollte verhindern, noch einmal mit Steuergeld das Bankensystem vor dem Zusammenbruch bewahren zu müssen. In der Folge fanden immer mehr Finanzierungen außerhalb des Bankensektors statt. Das kann man auch positiv sehen: So wurden Volkswirtschaften insgesamt weniger abhängig von Banken.

Einige Jahre nach der Finanzkrise griff die Politik das Thema der Schattenbanken wieder auf. Es wurde auf G20-Gipfeln diskutiert und die EU-Kommission beauftragte die EZB nach versteckten Risiken im Schattenbankensektor zu suchen. Der Begriff blieb negativ besetzt, als Synonym für jene Finanz-Alchemisten, die das Krisenchaos verursacht hatten. In seinem jüngsten Bericht schreibt der FSB, die Teile des Systems, die damals zur Finanzkrise beigetragen hätten, seien deutlich geschrumpft und nicht mehr gefährlich. Zugleich würden Aufsichts- und Regulierungsbehörden den Sektor inzwischen besser überwachen und im Einzelnen identifizieren, wo man eingreifen müsse.

Weil der Sektor eben so diffus ist, kann man ihn auch nicht als Ganzes neuen Regeln unterwerfen. "Deshalb hat man sich auf einen sehr zielgerichteten Regulierungsansatz verständigt", sagt Weistroffer. Derzeit haben es die Experten vor allem auf die Investmentfonds-Branche abgesehen, die seit der Finanzkrise enorm gewachsen ist. Allerdings unterscheiden sich die Bilanzierungsregeln für Fonds von Land zu Land teilweise erheblich, die Datenlage ist oft unklar. Allein das Beispiel zeigt: Der Schattenbankensektor hat seinen Namen weiterhin verdient - auch wenn selbst die EU-Kommission inzwischen lieber von "marktbasierter Finanzierung" spricht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: