Reform der Euro-Zone:EU-Kommission plant zusätzlichen Notfall-Fonds

EU Leaders Attend Eastern Partnership Summit

Jean-Claude Juncker, der Präsident der EU-Kommission, möchte die Euro-Zone reformieren. Der Zeitpunkt dafür ist günstig.

(Foto: Dario Pignatelli/Bloomberg)

Damit sollen Länder wie Irland im Fall eines harten Brexits oder Spanien bei finanziellen Problemen in der Katalonien-Krise abgefedert werden. Doch wer soll das bezahlen?

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Der europäische Kalender nimmt keine Rücksicht auf nationale Befindlichkeiten. In zwei Wochen treffen sich die Staats- und Regierungschefs zum Euro-Sondergipfel, auch wenn eine unter ihnen nicht entscheidungsfähig sein wird: Angela Merkel, die geschäftsführende Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland.

Klar ist, dass der Europäische Rat die geplante Euro-Reform nicht ohne Berlin ausloten kann, deshalb soll es offiziell nur um einen Fahrplan und mögliche Themen gehen. Wahr ist aber auch: Der Machtkampf ums große Geld hat begonnen. Die Euro-Finanzminister werden am kommenden Montag das Gipfeltreffen vorbereiten, zwei Tage darauf wird die EU-Kommission ihre Pläne zur Zukunft der Währungsunion vorstellen. Und die haben es in sich.

"Stabilisierungsfunktion" soll Ländern in finanziellen Schwierigkeiten helfen

Die Brüsseler Behörde will den Euro-Rettungsfonds ESM zu einem Europäischen Währungsfonds (EWF) ausbauen und diesen mit einem neuen Notfall-Instrument ausstatten. "Der EWF könnte auch zukünftige politische Initiativen unterstützen, um eine Stabilisierungsfunktion für die Euro-Zone zu schaffen", heißt es etwas umständlich im Entwurf des Kommissionspapiers, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Die sogenannte "Stabilisierungsfunktion" soll Ländern der Währungsunion helfen, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten; Ökonomen sprechen von asymmetrischen Schocks. Würde etwa Irland wegen eines harten Brexit ins Taumeln geraten oder die Katalonien-Krise Spanien in große Not bringen, könnte die Gemeinschaft einspringen.

Die brisanten Fragen sind nur: Woher soll das Geld dafür kommen? Und wer entscheidet darüber, ob es sich tatsächlich um einen Schock handelt, den das betroffene Land nicht selbst mitverschuldet hat? Nachdem die EU-Kommission für ihre laxe Auslegung des Stabilitätspakts heftig kritisiert worden ist, dürfte allen voran Deutschland darauf pochen, dass die Behörde in diesen Fragen nicht das letzte Wort hat. Wenn es überhaupt so weit kommt, denn die Mitgliedstaaten müssten dem Plan zustimmen. In ihrem Papier beteuert die Kommission zwar, dass die "Stabilisierungsfunktion" erst greifen werde, wenn alle fiskalpolitischen Maßnahmen im Rahmen des Stabilitätspakts ausgeschöpft seien. Doch wie definiert man das?

Im Gegensatz zu den deutschen Plänen strebt die Behörde an, dass ein Europäischer Währungsfonds nicht wie bisher in alleiniger Hand der Euro-Staaten bleibt, sondern unter EU-Recht firmiert. Die Stimmrechtsanteile sollen aber unangetastet bleiben. Der Fonds soll außerdem die Letztsicherung für den Banken-Abwicklungsfonds übernehmen ("Backstop"). Im Gespräch sind bis zu 60 Milliarden Euro. "Diese Obergrenze kann erhöht werden", heißt es im Kommissionspapier.

Die Idee eines "Extra-Haushalts" für Europa dürfte für Konflikte sorgen

Die Bedeutung des bisherigen ESM wird in jedem Fall zunehmen. Da sich der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Zentralbank (EZB) aus der künftigen Überwachung von sogenannten Programmländern - zurzeit ist das nur noch Griechenland - zurückziehen wollen, bleibt das an EU-Kommission und Rettungsfonds hängen, der künftig wohl nur anders heißen wird. Bis auf den Namen ist das jedoch unumstritten.

Für große Konflikte dürfte hingegen eine Idee aus Paris sorgen: ein Extra-Haushalt für die Euro-Zone. Auch hier stellt sich die Frage, ob die Mitgliedstaaten bereit sind, dafür Geld zu zahlen. Zumal mit Großbritannien ohnehin einer der Nettozahler die EU verlassen wird und noch völlig offen ist, wer dafür einspringt - oder eben nicht. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte in seiner Europa-Rede angeregt, ein Euro-Budget über Unternehmensteuern mitzufinanzieren, die dazu in Europa aber erst einmal angeglichen werden müssten.

Umstritten ist auch, wie groß dieser Haushalt sein soll. Bislang sprach Macron von "mehreren" Prozentpunkten des Bruttoinlandprodukts. Das wäre ein weitaus höherer Geldtransfer als beim existierenden EU-Haushalt, der mit je einem Prozent der Wirtschaftsleistung aller EU-Staaten gefüttert wird. In Südeuropa würden einige Staaten das Geld gerne nutzen, um wirtschaftliche Ungleichgewichte zwischen den Euro-Staaten auszugleichen. Doch die neue Regierung in Berlin dürfte wie jene in Den Haag und Wien jegliche Form der Umverteilung kritisch sehen. Neue Geldtransfers ohne Gegenleistung sind so gut wie ausgeschlossen. Möglich erscheinen hingegen gemeinsame Investitionsprojekte, etwa in große Datenzentren, um Europa fit für die Digitalisierung zu machen.

Wie gesagt: Es geht um viel Geld - und um einen neuen Posten, den eines möglichen Euro-Finanzministers. Hochumstritten ist, welche Rechte er haben soll. Darf er, wie von südeuropäischen Staaten gefordert, Schuldtitel ausgeben? Oder darf er, wie von Nordeuropäern gefordert, die nationalen Haushaltspläne zurückweisen? Einen möglichen Kompromiss hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ins Spiel gebracht. In seiner Rede zur Lage der Union skizzierte er den Posten eines Wirtschafts- und Finanzministers für die EU, der zugleich die Euro-Gruppe leitet. Einen solchen "Doppelhut" gibt es bereits in der europäischen Außenpolitik. Die Außenbeauftragte Federica Mogherini ist im Auftrag der Kommission und der nationalen Außenminister tätig.

Sollten die Mitgliedstaaten sich darauf einigen, wäre noch nicht mal eine Änderung der EU-Verträge nötig. Eine solche gilt derzeit als nicht durchsetzbar, weil sie in einigen Staaten Volksabstimmungen nach sich zögen - mit ungewissem Ausgang. Allerdings, so heißt es in Brüssel, hält die Kommission einen EU-Wirtschafts- und Finanzminister erst im Jahr 2025 für realistisch. So soll es am Mittwoch in einer Mitteilung stehen.

Der Zeitpunkt für eine Reform der Währungsunion ist günstig. Die Wirtschaft im Euro-Raum hat sich erholt und politisch gibt es bis zu den Europawahlen 2019 ein seltenes Zeitfenster, das die Staats- und Regierungschefs nutzen wollen. Im Juni 2018 soll es konkrete Entscheidungen geben. Dann auch wieder mit einer handlungsfähigen Bundesregierung.

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