Reebok: Uli Becker:Zurück in die Vergangenheit

Der Sportartikelhersteller Reebok forciert unter Uli Becker Fitness und Spaß, weniger den Hochleistungssport. Das Ziel ist klar: Der alte Erfolg der achtziger Jahre soll wiederkommen.

Uwe Ritzer

Viel hat Uli Becker in der zurückliegenden Stunde über Markenpflege und -führung gesprochen. Er schwärmte von seinen Kollegen in der Reebok-Zentrale in Canton im US-Bundesstaat Massachusetts. Er analysierte den Verlust des exklusiven Ausrüstervertrages für die US-Footballliga an Nike und wich der ein oder anderen Frage auch mal geschickt aus.

Uli Becker Reebock

Uli Becker soll die Marke Reebok auf der ganzen Welt unverwechselbar machen. Um das angeschlagene Unternehmen aufzupäppeln, schickte die Schwestermarke Adidas den Manager im Sommer 2006 in die USA.

(Foto: Reebok)

Becker, 47 Jahre alt und Chef des amerikanischen Sportschuhherstellers Reebok, ist unweit des Dortmunder Fußballstadions groß geworden, und Ruhrpöttlern sagt man nach, eine schnörkellose und auf den Punkt gebrachte Ansprache zu pflegen. Dann aber entfährt ihm plötzlich ein fast schon poetischer Satz, wie man ihn von diesem hemdsärmeligen Typen mit den Stoppeln am Kinn so nicht unbedingt erwartet. "Es geht darum, ein Lächeln zu produzieren", sagt er.

Das also ist seine Mission. Man kann das mit dem Lächeln in doppelter Hinsicht verstehen. Zum einen soll Uli Becker für das Lächeln bei den Verantwortlichen und den Aktionären der Adidas AG sorgen. 3,2 Milliarden Euro hat der Sportartikel-Konzern aus Herzogenaurach 2006 für die US-Marke Reebok hingelegt. Um nach dem Kauf festzustellen, dass die Neuerwerbung schwer angeschlagen ist. Becker beschreibt das bildlich: "Plötzlich hatten wir einen Stiefbruder, der im Rollstuhl sitzt." Um diesen wieder aufzupäppeln, schickte Konzernchef Herbert Hainer zwei Handvoll erfahrene Adidas-Leute in die USA. Darunter, im Sommer 2006, auch Uli Becker, der mit einer Amerikanerin verheiratet ist und sich selbst als Amerika-affin bezeichnet. Und der von sich sagt, er habe gleich nach dem Studium 1990 nicht nur seine Frau, sondern auch Adidas geheiratet.

In Canton sei er auf eine Marke getroffen, "die registriert, aber nicht respektiert wurde", sagt Becker. Die bis dahin alle paar Monate ihre Strategie gewechselt hatte und mal mit wilden Rappern auf jugendliches US-Großstadtpublikum zielte und im nächsten Moment wieder auf brave Hausfrauen in Fitnessstudios. Im Vertrieb war Reebok auf Nordamerika und Großbritannien fixiert und im Rest der Welt kaum präsent. Zu allem Überfluss war Reebok ins Billigsegment abgerutscht. Fast 40 Prozent der Schuhe kosteten weniger als 30 US-Dollar. Das zieht das Marken-Image nach unten und die Margen sowieso. "Reebok war zwar eine Firma mit enorm vielen Ideen, aber ohne Strategie", sagt Becker. "Wir mussten viel bereinigen, aber auch die Reebok-Leute selbst hatten den Willen, etwas zu verändern." Er stimmt ein Loblied an auf die motivierten Mitarbeiter, denen nun der Turnaround zu verdanken sei (siehe Kasten).

Auch für Paul Harrington findet Uli Becker ein paar freundliche Worte, den damaligen Reebok-Chef. Dabei kam der als behäbiger, eher uninspirierter Südstaatler rüber, nicht aber als ein Manager, dem man zutraute, Reebok zu einer globalen Marke zu machen. Im März 2008 musste Harrington gehen, und Becker rückte nach. Der heuerte den smarten britischen Rennfahrer Lewis Hamilton als Markenbotschafter an. Kurz darauf wurde Hamilton Formel-1-Weltmeister, und Reebok hatte ein bekanntes Gesicht, mit dem sich etwas verband.

Eine daniederliegende Marke im Konsumgüterbereich wiederzubeleben ist schwer. Vor allem aber dauert es seine Zeit, denn gut und gern anderthalb Jahre vergehen, bis eine neue Kollektion entwickelt, produziert und im Handel gelandet ist und Ertrag bringen kann. Mitte 2009 wurden bereits die ersten Totengesänge auf den Sportartikelhersteller angestimmt. Experten zweifelten angesichts von stetigen Umsatzverlusten und Verlusten, ob Adidas die Probleme bei der US-Tochter jemals in den Griff bekommen wird. Reebok habe keine Produkte, die man unbedingt im Sortiment haben müsse, hieß es aus dem Handel. "Auch intern im Konzern fielen manchmal herbe Worte", sagt Becker. Der Druck im eigenen Haus wuchs.

Ziele rasch definiert

Becker sagt, die Herzogenauracher Zentrale habe ihm trotzdem "immer freie Hand gelassen". Die strategischen Ziele waren alsbald definiert: Aus der britisch-nordamerikanischen Marke sollte eine werden, die von Konsumenten auf der ganzen Welt als unverwechselbar wahrgenommen wird. Und die eindeutig positioniert ist. Heute setzt Reebok dort an, womit man in den achtziger Jahren mit der Fitness-Päpstin Jane Fonda groß geworden war: als Marke für Training und Fitness, speziell auch für Frauen. Worin sich die eigentliche Erklärung für Beckers Satz vom neuen Lächeln findet: Reebok zielt, anders als die große Schwestermarke Adidas, weniger auf ambitionierte Hochleistungssportler, sondern auf Kunden, "die schon den Weg zu Fitness als Erlebnis und Spaß empfinden", sagt Becker.

Die Strategie beginnt zu greifen, wie die Entwicklung der vergangenen Monate zeigt. Als Rückschlag werteten Branchenvertreter und Beobachter allerdings, dass Reebok unlängst einen Exklusiv-Ausrüstervertrag mit der US-National Football League (NFL) an Nike verlor. Immerhin ist Football die uramerikanische Sportart. In Herzogenaurach und Canton will man von Niederlage nichts hören. "Die NFL ist nicht notwendigerweise der Partner, den wir als Fitness- und Trainingsmarke brauchen", sagt Becker. "Und wir sparen sehr viel Geld, das wir anderweitig investieren können." Auch aus dem Profifußball will man sich weitgehend zurückziehen.

Vor sich auf den Tisch im Reebok-Markenzentrum in Herzogenaurach hat Uli Becker die neuesten Entwicklungen gestellt. Einen Schuh, der die Muskulatur beim normalen Gehen trainiert, vor allem jene am Gesäß. Und einen Basketballschuh mit einer speziellen Sohlenkonstruktion, die sich künftig auch auf anderen Schuhen finden soll. Der Vater zweier Teenager treibt selbst zurzeit kaum Sport. Früher kickte er im westfälischen Hamm immerhin in der Oberliga. Später hat er sich in langen Rennen gegen die Pfunde nach eigenem Bekunden etwas abgenützt. Nun trainiert er im Fitnessstudio und passt in die neue Zielgruppe von Reebok: Training zum Spaß, aber nicht für Rekorde. Solche will er mit Reebok brechen. "Wir schreiben gerade erst das erste Kapitel einer Erfolgsgeschichte", sagt Becker, ehe der Marketingmann in ihm vollends ausbricht: "Adidas und wir stehen gut nebeneinander, um die Welt zusammen zu attackieren."

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