Reden wir über Geld mit Ute Lemper:"Deutschland ist materialistischer als die USA"

Tournee-Auftakt von Ute Lemper

Sängerin Ute Lemper lebt sei 20 Jahren in New York.

(Foto: dpa)

Sängerin Ute Lemper ist eine echte Diva. Im Interview erzählt sie, warum sie trotzdem selbst das Bad putzt, Musicals nicht mehr erträgt und was sie von der AfD hält.

Von Claus Hulverscheidt

Es gießt wie aus Eimern, als Ute Lemper schnellen Schrittes die 79. Straße an New Yorks Upper West Side überquert, den Regenschirm zusammenklappt und zur Tür hereinstürmt. Lemper hat den Interview-Ort selbst ausgesucht, sie wohnt gleich um die Ecke, und der Name des Cafés ist gewissermaßen Programm: "Nice Matin", schöner Morgen, halb auf Englisch, halb auf Französisch - und damit perfekt passend zum vielleicht einzigen deutschen Weltstar, der mittlerweile ebenso viele Jahres seines Lebens im Ausland verbracht hat wie daheim, insbesondere in New York und Paris.

Lempers guter Laune hat der Regen nichts anhaben können. Und überhaupt gilt: Wer sich eine Musik-Diva als kompliziertes, notorisch kapriziöses Wesen vorstellt, muss enttäuscht sein, wenn er sich mit Lemper trifft. Sie lacht, zeigt auf dem Handy Fotos ihrer Kinder, bestellt beim verständnislos dreinblickenden Kellner versehentlich auf Deutsch einen Milchkaffee und plaudert munter drauf los.

Keine Lust mehr auf den Broadway

Mit dem Musical, das sie einst groß machte, kann die 53-Jährige heute nur noch wenig anfangen. "Kunst in den USA ist Unterhaltung, Kommerz, sie muss vermarktbar sein. Die dunklen Kapitel des Menschseins, des Lebens, aus denen Kunst ja oft erst entsteht, muss man hier in Amerika komplett ausblenden", sagt sie. "Ich habe deshalb schon gar keine Lust mehr, mir ein Broadway-Stück anzuschauen." Ein Umstand, der die Wahl-New-Yorkerin ganz generell ins Grübeln gebracht hat: "Ich liebe diese Stadt und werde sie immer lieben. Aber wissen Sie was? Wenn meine Kinder schon größer wären, würde ich zurück nach Europa gehen. Ich bin im Herzen Europäerin - und ich werde es wohl immer bleiben."

Doch auch mit Deutschland hat die gebürtige Münsteranerin immer noch ein Problem, die heute als Chanson- und Jazz-Sängerin die Bühnen der Welt bespielt und auch vor schwierigen Themen wie dem Holocaust nicht zurückschreckt. "Deutschland ist materialistischer als die USA", sagt sie. Statussymbole seien in Deutschland viel wichtiger. Die Bundesrepublik sei vielerorts "einfach provinziell". Das zeige auch der Aufstieg der AfD: "Die Leute suchen ihr Heil in einer reaktionären, rückwärtsgewandten nationalen Identität und in Abschirmung gegen andere Kulturen", sagt Lemper. "An die Stelle von Neugier und Weltoffenheit tritt der Tumor der Provinzialität."

Privat ist die Sängerin nach eigener Einschätzung "ganz bodenständig" geblieben, die Wohnung sei keineswegs "schnieke-fein", sondern mit zwei Erwachsenen und vier Kindern so proppenvoll, dass sie, der Weltstar, jahrelang in einem der Kinderzimmer habe proben müssen. "Ich spüle, ich putze, ich wasche", erzählt Deutschlands einzige Diva. "Und wenn der Hund sich mal vergisst und auf den Boden macht, dann mache ich auch den Teppich sauber."

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