Reden wir über Geld mit Rolf Deyhle:"Die Masse ist alles"

Rolf Deyhle hatte schon immer große Träume. Er baute Häuser und verkaufte 16.000 Wohnungen, holte Musicals wie "Cats" und "Das Phantom der Oper" nach Deutschland und brachte "Ben Hur" an seinen Originalschauplatz Rom zurück - je größer, desto besser. Dann verlor er plötzlich viel. Ein Gespräch über das große Geld.

Eva-Elisabeth Fischer

Von seinem Büro aus schaut Rolf Deyhle, Immobilien-, Musical- und Cinemaxx-Unternehmer, auf die Hügel von Stuttgart. Besucher fordert der 73-Jährige gerne auf, den fast sechs Kilo schweren Fifa-Worldcup-Pokal aus 18-karätigem Gold und Malachit hochzuheben. Deyhle ist die einzige Privatperson, die einen besitzt. Er bekam den Pokal überreicht, weil er die weltweite Vermarktung der Fußball-Weltmeisterschaften aufbaute. Ein Gespräch über das große Geld.

STELLA-MUSICAL "CATS"

Zusammen mit Friedrich Kurz holte Rolf Deyhle in den Achtzigerjahren viele internationale Musicals nach Deutschland. Ihre erste Produktion "Cats" in Hamburg war nur eine von vielen, die ein Millionenpublikum ansprachen.

(Foto: DPA)

SZ: Herr Deyhle, reden wir über Geld. Sie sind einer der reichsten Männer Deutschlands und kokettieren gern mit Ihren schwäbischen Wurzeln.

Deyhle: Wie kommen Sie darauf? Ich bin sparsam und vermeide Unnötiges.

SZ: Welche Geldausgaben finden Sie nötig?

Deyhle: Ich gebe für Projekte, die mich interessieren, Geld aus, und früher auch für Kunst. Und für meine Kinder mache ich alles. Aber doch nicht nur mit Geld. Kinder brauchen Zeit und Ratschläge, man muss für sie da sein.

SZ: Sie haben vier Söhne und zwei Töchter. Kam es schon mal hart auf hart?

Deyhle: Einer meiner Söhne lief in der Jugend aus dem Ruder. Nach heftigem Streit empfahl ich ihm, möglichst weit weg zu gehen und sich von seinem damaligen Freundeskreis zu trennen. Er entschied sich für China. Das Land war damals noch zu.

SZ: Und er durfte trotzdem rein?

Deyhle: Er hat ein One-Way-Ticket gekauft und sich zum Shaolin-Tempel in der chinesischen Provinz Henan irgendwie durchgeschlagen und dort tagelang vor dessen Toren ausgeharrt, bis ihn ein Mönch, der heute der Abt ist, hereingeholt hat. Der Tempel ist die Wiege des Zen-Buddhismus. Mein Junge war der erste Nicht-Chinese, den die Mönche zu sich aufnahmen.

SZ: Waren Sie auch mal dort?

Deyhle: Mein Sohn hat Seiner Heiligkeit, dem Abt Shi Yongxin, von seinem Vater erzählt, und was der so alles macht. Der hat mich dann mit rund 20 anderen Mönchen besucht, und ich bin auch mal hin. Am meisten beeindruckte mich, wie fast hunderttausend Jugendliche vom kleinsten Steppke aufwärts mit Feuer in den Augen ihre Übungen machten. Da habe ich die Kraft gefühlt, die im Zen-Buddhismus steckt. Bei uns im Westen sind ja viele Werte zerstört.

SZ: Hat Sie das beeinflusst?

Deyhle: Ich habe die Gründung des Shaolin-Zentrums in Berlin unterstützt und bin 2010 zum ersten Kulturbotschafter des Tempels berufen worden.

SZ: Und Ihre Halskette?

Deyhle: . . . ist eine buddhistische und gehörte dem Abt. Er trug sie bei seiner feierlichen Einführung ins Amt - und überreichte sie mir mit den Worten: "Die Idee des Shaolin-Tempels repräsentieren jetzt wir beide, du und ich."

SZ: Allerdings sind Sie kein Mönch, sondern Geschäftsmann. Sie waren schon in den frühen 1960er Jahren wirtschaftlich sehr aktiv, mit Anfang 20, nachdem sie das Bauherrenmodell erfunden hatten.

Deyhle: Am Anfang verkauften wir pro Woche 1000 Wohnungen. Da bin ich aus dem Anzug gar nicht mehr rausgekommen. Damals gab es niemanden in Deutschland, der annähernd so viel gebaut hat wie ich. Bei 16.000 Wohnungen hab' ich die Notbremse gezogen und gesagt: Jetzt sollen's andere machen.

SZ: Durch das Bauherrenmodell, Steuersparen für Privatanleger, haben etliche Menschen ihr Geld verloren.

Deyhle: Das war später. Solange ich aktiv war, war alles knochenseriös.

"Denken Sie, ich müsste noch arbeiten?"

SZ: Nach der Wende investierten Sie in Ostimmobilien. Wie lief das ab?

Rolf Deyhle

Der Unternehmer Rolf Deyhle war unter anderem im Immoblien-, Film- und Musicalgeschäft erfolgreich.

(Foto: picture-alliance, dpa)

Deyhle: Ich habe mir einen Hubschrauber gemietet und bin eine Woche durch Ostdeutschland geflogen. Und dann stieg ich ein.

SZ: Ein Fehler?

Deyhle: Ich habe dort wahnsinnig viel Geld verloren. Aber nicht ungern. Mitnehmen kann man ja sowieso nichts. Wir haben in Cottbus die ganze Stadtmitte gebaut, in anderen Städten auch. Ich war doppelt unterwegs, weil wir gleichzeitig überall Cinemaxx-Kinos aus dem Boden stampften. Das erste in Hannover. Da war Gerhard Schröder noch Ministerpräsident und hat die ganze Nacht mit uns gefeiert.

SZ: Wie kamen Sie auf die Idee?

Deyhle: Damals war die deutsche Kinolandschaft am Boden, durch diese wohnzimmergroßen Schachtelkinos, die sich gegenseitig umbrachten. Ich sagte mir: Hier müssen Kinotheater entstehen; in Amerika haben wir gesehen, wie das funktioniert. Also haben Achim Flebbe und ich das in Deutschland gemacht.

SZ: Ihr Kerngeschäft waren dann aber schnell die Musicals.

Deyhle: Ich ging da leidenschaftlich gern rein, in London und New York. Aber Bonn kann man nicht einfach den Broadway überstülpen. In Deutschland gab es nur diese subventionierten Häuser, viel zu klein, also musste ich Theater bauen, die Flora in Hamburg, die ehemalige Kanonenschmiede von Krupp in Essen, dann die Theater in Stuttgart, Bochum und noch einige.

SZ: Sie selbst gelten als Mann der Masse.

Deyhle: Die Masse ist alles. Der Akademiker muss genauso seine Freude haben wie der kleinste Hilfsarbeiter, alle gehören dazu.

SZ: Massenhaft Menschen, das bringt massenhaft Geld für Sie.

Deyhle: Unternehmerisches Handeln muss davon geprägt sein, den Menschen zu dienen, ihnen zu nutzen und sie zu erfreuen. Da spreche ich nicht über Zahlen.

SZ: Und über Pleiten? Ihre Stella AG mit Musicals wie "Cats" und "Phantom der Oper" ging insolvent.

Deyhle: Da war ich längst ausgestiegen. Eine Investorengruppe, bei der hauptsächlich Banken das Sagen hatten, übernahm die Geschäftsführung. Die waren offenbar nicht in der Lage, so ein Unternehmen zu führen.

SZ: Mal ehrlich: "Ben Hur", das Pleitespektakel, das Sie dem Produzenten Franz Abraham abkauften - roch es zuerst nach Kunst oder nach Geld?

Deyhle: Herrn Abraham konnte ich die Show gar nicht abkaufen, weil er nicht mehr der Eigentümer war. Außerdem mache ich nichts nur des Geldes wegen. Denken Sie, ich müsste noch arbeiten? An "Ben Hur Live" war ich erst einmal gar nicht interessiert. Wenn so eine gigantische Show als Wanderzirkus durch die Welt gekarrt wird, dann sind die Kosten doch gigantisch!

SZ: Sie hatten Angst, wieder Geld zu verlieren.

Deyhle: Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das wirtschaftlich funktioniert. Aber eines Nachts kam mir die Idee: Wenn überhaupt, muss das nach Rom. Für immer.

SZ: Nach Rom?

Deyhle: Klar! Rom ist das abendländische Zentrum für Kunst und Kultur. Doch es gibt dort kein nennenswertes Entertainment. Schon gar keines, das sich auf die Historie ringsum bezieht. Aber genau das ist die logische Ergänzung eines jeden Kurztrips nach Rom. Allerdings war es erst mal schwierig, die Römer dafür zu gewinnen. Nach einigen Gesprächen konnte ich dann die Verantwortlichen im Kultusministerium und der Stadt Rom davon überzeugen, dass das ihre Geschichte ist und dass es eine solche Show nirgends gibt. Da bekamen sie leuchtende Augen. Die Touristen, die nach Rom kommen, sind ja vor allem Christen und kulturell Interessierte, die die größte Wiege unserer Kultur besichtigen. Ich bin deshalb ja auch schon mit meiner Familie dort gewesen.

SZ: Haben Sie für "Ben Hur" in Rom ein Extra-Haus gebaut?

Deyhle: Ich wollte in den Circus Maximus. Da war jetzt 2000 Jahre lang nix.

SZ: Warum wollten Sie da hin?

Deyhle: Das ist der Originalschauplatz. Dort wurde Ben Hur für seine legendären Wagenrennen gefeiert. Im Circus Maximus sah ich die Chance auf Erfolg. Aber weil ein Lady-Gaga-Konzert riesige Müllberge hinterlassen hat, stellte die Presse Großveranstaltungen dort in Frage. Deshalb hat man mich überredet, zunächst aufs neue Messegelände zu gehen.

SZ: Messe statt Circus.

Deyhle: Die Messe ist sechs Jahre alt, 14 Hallen, völlig überdimensioniert. Sie hat keinen besonders guten Ruf bei den Römern, vor allem, weil dort nichts los ist. Die haben es versäumt, eine Event-Halle zu bauen.

SZ: Wie sind Sie vorgegangen?

Deyhle: Wir haben eine Halle ausgesucht und sie zu einer Arena mit 2400 Plätzen umgebaut. Unser Partner ist die Stadt Rom, die uns wissen ließ, dass sie mit uns das Image der Messe hochziehen will. Dann sind da riesige Hotels um die Messe herum, richtige Brummer. Bis zum Dezember sind fünf bis sechs Millionen Touristen in Rom. Ich will, was ich schon immer in Deutschland gemacht habe, auch mit dieser Show: die breite Masse ansprechen.

SZ: In Ihrem Büro steht ein Fußball-Worldcup-Pokal. Sie wollten ihn versteigern - da lief die Fifa Sturm. Brauchten Sie Geld?

Deyhle: Überlegen Sie mal selbst: Was würde ein Pokal denn einbringen? Bei meinen Projekten geht es doch um ganz andere Dimensionen.

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