Reden wir über Geld (37): Alfons Doblinger:"Niederlagen waren mein größter Erfolg"

Der Immobilienunternehmer Alfons Doblinger über das große Geld, den Deal mit der Neuen Heimat - und warum er den Banken verziehen hat.

Harald Freiberger

Das Phänomen lässt zehn Minuten auf sich warten, dann kommt er schwungvoll zur Tür herein. Der Immobilienunternehmer Alfons Doblinger, der 1990 die Wohnungen der Neuen Heimat kaufte und damit einen Sturm der Entrüstung auslöste, gibt das erste große Interview seines Lebens - mit 64. Gleich wird er weinen.

Alfons Doblinger, oh

Immobilienunternehmer Alfons Doblinger: "Der liebe Gott scheint mich immer prüfen zu wollen."

(Foto: Foto: oh)

SZ: Herr Doblinger, reden wir über Geld. Spüren Sie die Finanzkrise persönlich?

Alfons Doblinger: Ich befasse mich maximal zehn Minuten am Tag damit. Ich habe zu viel zu tun, um an die Krise zu denken.

SZ: Haben Sie sie kommen sehen?

Doblinger: Ich habe schon lange befürchtet, dass es bei Immobilienkrediten in den USA und untergeordnet in Europa zu einer Störung kommt, weil das Riesen-Missverhältnis irgendwann ausbricht. Es ist schade, dass wir Menschen nur unter Druck lernen. Ich empfinde die Finanzkrise aber nicht als Problem, sondern als Segen. Stellen Sie sich vor, diese Krise wäre erst in drei Jahren aufgetreten. Dann hätte die gesamte westliche Wirtschaft den Schaden nicht mehr eingrenzen können. Ich habe immer nur aus Krisen gelernt. Man braucht den Erfolg zur Selbstbestätigung, aber lernen tut man aus Rückschlägen.

SZ: Hatten Sie viele Krisen?

Doblinger: Es war nie so, dass ich einmal wieder ganz von vorne anfangen musste. Aber ansonsten war mein gesamter Berufsweg eine Abfolge von Erfolgen und Niederlagen. Es waren Situationen, die manchmal ausweglos schienen, ein ständiger Kampf. Der liebe Gott scheint mich immer prüfen zu wollen.

SZ: Lehnen Sie sich nie zurück?

Doblinger: Ich bin kein Mensch, der gut ausspannen kann. Obwohl, vor einiger Zeit war ich mit meiner Frau zwölf Tage auf den Azoren; da wollte ich immer schon hin, seit ich als kleines Kind im Wetterbericht immer vom Azoren-Hoch gehört habe. Aber eigentlich fühle ich mich am wohlsten bei der Arbeit.

SZ: Wie viel arbeiten Sie?

Doblinger: Ich fange um halb acht Uhr an und versuche, um halb neun abends zu gehen. Aber es wird immer wieder eine oder zwei Stunden länger. Früher war es noch viel intensiver. Da habe ich um fünf Uhr morgens angefangen und bin meist nach Mitternacht heimgekommen.

SZ: Wann war das?

Doblinger: In jungen Jahren als Holzhändler in meinem Geburtsort bei Cham. Ich habe mit 17 eine Sondergenehmigung vom Landratsamt bekommen, dass ich Lkw fahren darf und wurde dazu auch für volljährig erklärt. Damals war das erst mit 21 möglich.

SZ: Wie waren Sie als junger Chef?

Doblinger: Ich war in jungen Jahren sehr fordernd, mit mir unzufrieden, auch aggressiv, ich wollte immer weiter und weiter. Kaum dass ich eine mir vorgenommene Aufgabe erfüllt hatte, war ich schon wieder am nächsten Thema.

SZ: Wollten Sie ans große Geld heran?

Doblinger: Geld war nie ein Antrieb für mich, es war mir eigentlich immer gleichgültig, vor allem privat. Ich selbst brauche nur wenig. Das Geld war nötig, um meine unternehmerischen Ziele zu erreichen. Aber nie für mich privat.

SZ: Wie viel Geld haben Sie im Portemonnaie?

Doblinger: Ungefähr 250 Euro. Einmal im Jahr kaufe ich mir vielleicht ein paar Anzüge ab Werk, so für 200 Euro. Neulich war ich geschäftlich in Stuttgart, da habe ich gleich 30 Hemden mitgenommen, maßgefertigt in einer Fabrik.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, wie viele Arbeitsjahre Alfons Doblinger bereits hinter sich gebracht hat.

"Niederlagen waren mein größter Erfolg"

SZ: Teuer?

Doblinger: Nein, unter 30 Euro das Stück.

SZ: Woher kommt diese Bescheidenheit?

Doblinger: Ich muss dabei oft an meine Mutter denken. Wir lebten von einer kleinen Landwirtschaft im Bayerischen Wald. Wir hatten Sandböden und nur sechs Hektar Grund. Als Kinder waren wir oft bei der Feldarbeit. Wenn meine Mutter um elf Uhr nach Hause ging, wusste sie oft noch nicht, womit sie das Mittagessen zubereiten soll.

SZ: Fleiß entsteht aus der Not?

Doblinger: Kann sein. Ich arbeitete jedenfalls gerne. Zwei Dinge konnte ich immer: schlafen und essen. Ich war immer übernächtigt und immer hungrig, sogar nach dem Mittagessen. Ich habe es einmal ausgerechnet: Wenn man einen Neun-Stunden-Tag zugrunde legt und den Urlaub, den ich nicht genommen habe, habe ich etwa 120 Arbeitsjahre hinter mir. Auch Samstag und Sonntag habe ich immer durchgearbeitet. Nur eine Stunde war mir heilig.

SZ: Welche?

Doblinger: Am Sonntag um drei Uhr nachmittags, wenn im Fernsehen die Westernserie Bonanza kam.

SZ: Was hat Sie daran fasziniert?

Doblinger: Zum einen war es eine Art Sport, möglichst früh zu erraten, wie es ausgeht. Das Muster war ja stets dasselbe, dass am Ende der Gerechte siegt. Wichtig war auch, dass mir Westernfilme immer wieder Mut gemacht haben. Ich wusste oft nicht, wie es weitergeht, der Weg führte ins Ungewisse, es gab immer wieder schwere Niederlagen.

SZ: Welche Niederlagen?

Doblinger: Schwere Unfälle zum Beispiel. Einmal kam mein Lkw samt Anhänger auf einer bergigen Straße bei Schnee von der Fahrbahn ab. Die geladenen Baumstämme brachen über das Führerhaus herein, der Beifahrer und ich konnten uns nur durch einen Sprung aus den Türen retten. Der Anhänger zermalmte einen entgegenkommenden Pkw, der war nur noch 30 Zentimeter hoch. Ich war völlig schockiert. Plötzlich steht ein Mann vor mir und schimpft, wir hätten sein Auto zerstört. Ich frage ihn, wo er herkommt. Er sagt, dass er in dem Wagen gesessen hat. Ich weiß bis heute nicht, wie er da rauskam. Ich frage ihn, ob noch jemand anders drin saß. Er sagt: nein. Dieses Glück ist für mich unvergesslich. (Er weint, verlässt den Raum und kommt nach einigen Minuten wieder.)

SZ: Solche Erinnerungen gehen Ihnen immer noch nahe?

Doblinger: Ich bin ein sehr sensibler Mensch. Aber im Grunde waren Niederlagen mein größter Erfolg. Ich habe dabei erkannt, dass es nur einen Weg gibt, die Persönlichkeit weiterzubringen: Der Weg geht über die Läuterung. Erst durch die Rückschläge bin ich ruhiger geworden.

SZ: 1990 kauften Sie aus dem Bestand der Gewerkschaftsholding BGAG die Neue Heimat - 32.000 Sozialwohnungen in Bayern für 958 Millionen D-Mark und Übernahme der Kredite. Sie entfachten damit eine Art Volksaufstand. Wie kamen Sie eigentlich auf den Gedanken, die Neue Heimat zu kaufen?

Doblinger: Ich hatte die öffentliche Diskussion schon eine Weile verfolgt und habe einen Brief an BGAG-Chef Hans Matthöfer geschrieben. Wir wurden uns schnell einig. Er sagte, er habe die Wahl zwischen einem englischen Investor und mir. Und er vertraue mir mehr, weil man aus der Ferne nicht so viel Verantwortung zeigen muss. Wenn ich mich dagegen schlecht gegenüber den Mietern verhielte, gäbe es in der Öffentlichkeit einen Sturm der Entrüstung.

SZ: Haben Sie damals geahnt, was auf Sie zukommen würde?

Doblinger: Ich habe Matthöfer gefragt, was er glaube. Da sagte er: Ach ja, die Presse, die treibt alle drei Wochen eine neue Sau durchs Dorf. Die drei Wochen muss ich durchhalten, dann ist es vorbei.

SZ: Und wie lange hat es gedauert?

Doblinger: Die harte Phase drei Jahre, und dann kamen noch einmal drei Jahre Nachwehen.

SZ: Wo lag das Problem?

Lesen Sie auf der dritten Seite, was Alfons Doblinger von Bankern hält.

"Niederlagen waren mein größter Erfolg"

Doblinger: In Deutschland war es damals ungewöhnlich, dass ein privater Unternehmer einen großen öffentlichen Wohnungsbestand kauft. Es wurde massiv Stimmung gegen mich gemacht, nach dem Motto: Der macht jetzt Luxussanierungen und treibt dann die Mieter raus. Ich geriet auch in die Mühlen der Politik.

SZ: Wie das?

Doblinger: Beide großen Parteien versuchten, aus dem Fall Neue Heimat politisches Kapital zu schlagen. Ich saß zwischen allen Stühlen. In der Zeit haben mich vielleicht 100 Politiker angerufen, alle wollten den Fall für sich ausschlachten, nur zwei waren aufrichtig und haben sich um die Belange der Mieter gekümmert.

SZ: Welche zwei?

Doblinger: Einer war der bayerische DGB-Chef Fritz Schösser. Ich habe damals jeden Vormittag Nervenfieber gekriegt; wir sind dagesessen und haben Geld gezählt, um zu sehen, ob wir alle Verpflichtungen erfüllen konnten. Das Immobiliengeschäft ist ja sehr kapitalintensiv.

SZ: Normalerweise bekommt man das Geld doch von Banken ...

Doblinger: Die haben mich drei Jahre lang nicht mehr finanziert. Sie wollten nicht in der Öffentlichkeit dastehen als diejenigen, die den bösen Doblinger finanzieren.

SZ: Sind Sie noch sauer auf die Banken?

Doblinger: Ich habe ihnen verziehen, so wie ich allen Menschen verzeihe und auch mir verzeihe . Ich kenne viele Bankvorstände gut, und ich habe sie als anständige Menschen kennengelernt. Das ist gerade jetzt wichtig zu sagen, wo man immer von "arroganten Bankern" hört. Die Mitarbeiter der Banken sind viel besser als ihr Ruf. Die Banken sichern nicht nur das Weiterkommen der Wirtschaft, sie sichern auch Arbeitsplätze, weil zum Beispiel die Bayern LB und die Sparkassen zusammen in Bayern 60.000 Menschen beschäftigen.

SZ: Sie haben damals den Mietern versprochen, dass sie in ihrer Wohnung bleiben dürfen, und das auch eingehalten. Warum hat man Ihnen trotzdem nicht geglaubt? Gibt es eine Kluft zwischen dem öffentlichen Bild von Ihnen und dem, wie Sie wirklich sind?

Doblinger: Das wundert mich auch immer wieder. Ich weiß nicht, was da mein Schicksal ist. Auf jeden Fall soll es mich lehren, dass ich nicht zu leichtsinnig und zu siegessicher werde. Durch irgendetwas werde ich immer schön am Boden gehalten. Und das hat mir insgesamt nicht geschadet. Ich habe mal einen Rhetoriktrainer kennengelernt. Er hat gesagt, Doblinger, Sie verstecken sich. Sie müssen sich zeigen, wenn Sie eine Rede halten, es ist Ihr Auftritt. Und er hat gesagt: Vergraben Sie den Sieg, der ist nicht wichtig, schauen Sie allein aufs Ziel. Das war damals der wichtigste Rat.

SZ: War das Ihr Hauptproblem, dass Sie sich vor der Öffentlichkeit versteckt haben, wo Sie sich hätten zeigen sollen?

Doblinger: Ich hatte eben andere Prioritäten. Die Mieter und meine Aufgaben waren mir wichtiger. Ich möchte unabhängig von Lob und Tadel werden. Man wird es umso schwerer, wenn man in die Außenwelt geht.

SZ: Sie sind jetzt 64. Noch ein Jahr bis zur gesetzlichen Rente.

Doblinger: Wenn ich gesund bleibe, möchte ich noch 20 Jahre arbeiten.

SZ: Sie wollen weiterarbeiten bis ans Ende Ihrer Tage?

Doblinger: Ein Ziel von mir ist es schon auch, etwas mehr Privatleben zu haben. Seit Jahren möchte ich mit meiner Frau ein Ferienhaus aus Holz bauen, irgendwo in den Bergen, am besten in der Nähe von einem Wasserfall, weil fließendes Wasser den Kopf klar macht. Aber wir haben den richtigen Standort noch nicht gefunden. Bergwandern ist mein großes Hobby, und der größte Luxus ist für mich, nach einer Bergwanderung auszuschlafen.

SZ: Wie groß ist Ihr Privatvermögen?

Doblinger: Nächste Frage, bitte.

SZ: Das war die letzte. Vielen Dank.

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