Rechtsstreit mit Zeitung:Urheberrecht auf Sex-Reisen

Sind interne Ermittlungsberichte urheberrechtlich schützenswerte Werke? Ja, sagt die Ergo-Versicherung - zumindest wenn es darin um Bordellbesuche ihrer Mitarbeiter geht. Der Konzern droht dem "Handelsblatt" deshalb mit einer Klage.

Benjamin Romberg

So ein Konzernrevisionsbericht ist üblicherweise nichts, was die breite Öffentlichkeit interessiert - schon gar nicht, wenn es darin um Unternehmensreisen von Versicherungsvertretern geht, einer Berufsgruppe, der ein eher biederes Image anhaftet. Anders ist das im Fall der Ergo-Versicherung: Da enthalten die Dokumente interner Ermittler schon mal pikante Details zu Sex-Reisen von Angestellten. Rechnungen über mehrere Tausend Euro für Bordellbesuche auf Mallorca oder ein Foto-Shooting mit Playboy-Modells auf Jamaika.

Ein Jahr lang blieben die Berichte unter Verschluss - nun hat sie das Handelsblatt auf seiner iPad-App für Interessierte zum Download bereitgestellt. Dagegen will Ergo vorgehen, notfalls vor Gericht. Das Unternehmen hat die Zeitung aufgefordert, die Verbreitung der Berichte zu unterlassen und mit juristischen Konsequenzen gedroht, sollte das Blatt der Aufforderung nicht nachkommen. Das Handelsblatt verletze durch die Veröffentlichung die Urheberrechte der Ergo.

Damit ein Werk urheberrechtlich geschützt ist, muss eine sogenannte Schöpfungshöhe vorhanden sein. Sollte dies bei den Revisionsberichten der Ergo der Fall sein, müsste ein Gericht - sollten es die Parteien wirklich auf einen Rechtsstreit ankommen lassen - zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Schutz des Werkes abwägen.

Der Handelsblatt-Verlag erklärte umgehend, man werde freiwillig keinesfalls Unterlassungserklärung abgeben - und scheue auch nicht den Gang vors Gericht. "Wir beabsichtigen Rechtsmittel gegen diesen Beschluss einzulegen", sagte Chefjustiziar Thomas Gottlöber der Süddeutschen Zeitung. Das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit sei in diesem Fall wichtiger als urheberrechtliche Ansprüche.

Ein Ergo-Sprecher sagte lediglich: "Wir gehen nicht gegen die Berichterstattung vor, wir gehen gegen die Bereitstellung des Downloads vor." Einer Auseinandersetzung vor Gericht blickt man dem Vernehmen nach optimistisch entgegen.

Was steht in den Berichten, weshalb Ergo fürchten muss, dass sein ohnehin schon beschädigtes Image weiter leiden könnte? Die Dokumente legen nahe, dass die Skandalreise nach Ungarn im Jahr 2007 kein Einzelfall war, wie es der Konzern stets beteuert hatte. Damals hatten Vertreter der Hamburg-Mannheimer-Versicherung, die zum Ergo-Konzern gehört, in der Budapester Gallert-Therme mit Prostituierten und Hostessen gefeiert - auf Kosten des Arbeitgebers.

Weitere Lustreisen gab es aber auch in den Jahren zuvor und danach, wie aus den Berichten hervorgeht. Alleine dreimal durften besonders fleißige Mitarbeiter zur Belohnung nach Jamaika in ein Hotel namens "Hedonism II" reisen, das unter anderem mit diesem Satz für sich wirbt: "In diesen üppigen Gärten ist das Wort 'Nein' selten zu hören."

Ergo betonte, dass die Reisen nicht von der Zentrale organisiert worden seien. Dies hätten selbstständige Vermittler in Eigenregie getan und dafür einen Zuschuss vom Unternehmen bekommen. Den habe der Konzern inzwischen zurückgefordert.

Nach dem Skandal um die Party in Budapest hatte sich der Konzern mit einer ganzseitigen Anzeige an seine Kunden gewandt: "Wenn Unternehmen Fehler machen, unternehmen sie etwas dagegen." Erstmal unternimmt Ergo nun etwas gegen die Veröffentlichung der Dokumente durch das Handelsblatt.

In einem ähnlichen Fall hatte die Stadt Duisburg nach der Loveparade-Katastrophe 2010 vor Gericht eine einstweilige Verfügung gegen das Nachrichtenportal xtranews.de erwirkt, weil die Blogger interne Dokumente über die Planung der Loveparade veröffentlicht hatten.

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