Rechte für Kunden:VW rüstet kaum Dieselautos um

Der Autokonzern muss kaum fürchten, dass sich Kunden gegen die Abgas-Manipulation wehren. Aber würde ihnen eine Sammelklage in Deutschland überhaupt helfen? Gesetze gelten nämlich nicht rückwirkend.

Von Markus Balser, Klaus Ott und Katja Riedel, Berlin

Opposition und Verbraucherschützer fordern in der Debatte um mangelnden Verbraucherschutz rasche Konsequenzen. "Mehr als ein Jahr nach Bekanntwerden des Abgas-Skandals wurde nur ein Bruchteil der betroffenen Fahrzeuge umgerüstet", sagte der Grünen-Verkehrspolitiker Stephan Kühn am Mittwoch in Berlin. Gerade einmal zehn Prozent der betroffenen VW-Dieselfahrzeuge seien bisher umgerüstet, hat die Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen mitgeteilt. Ein noch dramatischeres Bild ergebe sich bei der Umrüstung der Pkws anderer Hersteller, warnt Kühn. Die meisten Hersteller weigerten sich gänzlich, ihre Fahrzeuge umzurüsten. Zuletzt hatten sich verschiedene Ministerien gegenseitig die Schuld gegeben, dass Kunden bislang nicht mehr Verbraucherrechte bekommen - etwa, indem sie als Gruppe klagen können. "Das Hick Hack zwischen Dobrindt und Maas muss ein Ende haben", fordert auch Renate Künast (Grüne), die Vorsitzende des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz. "Die Dummen sind mal wieder die Verbraucher. Sie warten beim Abgas-Skandal vergeblich auf Entschädigungen, weil sie anders als in den USA keine gemeinsamen Klagerechte haben", sagte sie der Süddeutschen Zeitung. Das Verbraucherschutzministerium kündigte zwar infolge öffentlichen Drucks an, den Referentenentwurf zur Musterklage "noch in diesem Jahr" in die Ressortabstimmung zu geben. Danach müssen noch Kabinett und Bundestag einen Gesetzentwurf beschließen. Das kann dauern. Noch in der vergangenen Woche war aus Regierungskreisen zu hören, ein solches Gesetz werde wohl nicht mehr vor der Bundestagswahl in Kraft treten. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fordert eine rasche Verabschiedung. "Eine effizientere und verbraucherfreundliche Rechtsdurchsetzung in Deutschland ist überfällig", sagte vzbv-Chef Klaus Müller. Es sei nicht nachvollziehbar, dass wie im VW-Skandal Verbraucher "massenhaft Schäden aufgrund eines Gesetzesverstoßes erleiden, aber ihre Rechte individuell gerichtlich durchfechten müssen". Geschädigte Kunden müssen derzeit noch allein klagen.

Die Einführung solcher Rechte ist in Deutschland umstritten. MAN-Betriebsratschef Saki Stimoniaris etwa kritisierte die Forderung nach Sammelklagen. Er sitzt auch im VW-Konzernbetriebsrat und sieht Risiken für Hunderttausende Arbeitsplätze, sie seien mindestens so hoch zu bewerten wie Verbraucherrechte. Umstritten ist, ob VW-Kunden von einer Musterfeststellungsklage profitieren können, weil Gesetze nicht rückwirkend gelten. Vorstellbar wären allerdings auch Schäden, die erst später auftreten: etwa durch gesunkene Wiederverkaufswerte oder mögliche höhere Betriebskosten nach der Umrüstung der Autos. Und diese ist ja in der großen Mehrheit der Fälle bis jetzt noch nicht erfolgt.

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