Rechte Anfeindungen:Willkommen in den USA

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Der US-Joghurt-Hersteller Chobani gilt als Vorzeigeunternehmen: Er beschäftigt viele Flüchtlinge, hilft bei der Integration. Seit Monaten verbreiten Ultrarechte deshalb üble Verleumdungen über die Firma. Jetzt zieht Chobani vor Gericht.

Von Kathrin Werner

Hamdi Ulukaya hat genug. Die Rechten attackieren ihn schon seit Monaten. Erst schrieben sie, Ulukaya würde Amerika "mit Flüchtlingen ersticken". Das war noch harmlos. Dann wurden die Angriffe schmutziger. Ulukayas Unternehmen Chobani "importiert Vergewaltiger", schrieben sie und setzten die Marke mit einem Fall in Verbindung, in dem minderjährige Flüchtlinge ein Mädchen sexuell belästigt hatten. Dies geschah in der Nähe der Fabrik im US-Bundesstaat Idaho, in der Chobani Joghurt herstellt und Hunderte Flüchtlinge beschäftigt. Joghurt-Fabrik und Kriminalfall haben nichts miteinander zu tun. Und Ulukaya hat keine Lust, diese falschen Nachrichten ("Fake News") auf sich beruhen zu lassen. Er verklagt Amerikas berühmtesten Verschwörungstheoretiker Alex Jones, der hinter der Kampagne steckt.

Jones ist einer der mächtigsten Medienunternehmer der Ultrarechten, er hat eine tägliche Radiosendung, einen Youtube-Kanal und leitet die Nachrichten-Websites infowars.com und prisonplanet.com. Jones verbreitete die Geschichte über Chobani und den Missbrauch auf mehreren Kanälen. Und: Die Flüchtlinge in der Fabrik seien auch schuld an steigenden Tuberkulose-Erkrankungen in der Region. Auch dafür gibt es keine Belege. Laut Chobanis Anwälten habe sich Jones geweigert, das Video und die Artikel von der Website zu entfernen. Jetzt klagen sie wegen Geschäftsschädigung und verlangen Schadenersatz in Höhe von mindestens 10 000 Dollar. Jones will sich wehren.

Ulukaya hat Flüchtlingshilfe zu seinem großen Thema gemacht. Gut ein Drittel seiner 2000 Mitarbeiter sind Flüchtlinge. Chobani chartert Busse, um sie zur Arbeit zu bringen. Übersetzer helfen in elf Sprachen. Es gibt Englischkurse. Viele der Flüchtlinge kommen aus der Grenzregion zwischen Syrien und der Türkei - nicht weit weg von dem Dorf, aus dem Ulukaya stammt.

Denn Chobani ist auch eine uramerikanische Immigranten-Erfolgsgeschichte. Ulukaya ist in einem kurdischen Dorf in der Türkei aufgewachsen. Sein Vater war Schäfer. Ulukaya war ein helles Köpfchen und durfte in Ankara studieren. 1994 ging er nach New York für ein Wirtschafts-Aufbaustudium und befand amerikanischen Joghurt für minderwertig, längst nicht so cremig und nahrhaft wie zu Hause in der Türkei. Er gründete Chobani, der Name spielt mit dem türkischen Wort für Schäfer: çoban.

2005 kaufte er mit Hilfe eines Kredites in Höhe von 800 000 Dollar eine kurz zuvor geschlossene Joghurt-Fabrik von Kraft Foods in einem ländlichen Teil des Bundesstaats New York. Sein Joghurt traf auf ein Land, das sich gesünder ernähren wollte und bereit war, dafür mehr Geld auszugeben. Seine Firma wuchs, Ulukaya holte Finanzinvestoren an Bord, eröffnete eine zweite Fabrik in Idaho. Während die Rechten rufen, dass Immigranten Amerikanern die Jobs wegnehmen, macht Ulukaya das genaue Gegenteil: Er schafft Jobs.

Inzwischen ist der Schäferssohn Milliardär,das Magazin Forbes beziffert sein Vermögen auf fast 1,8 Milliarden Dollar. Und Time wählte ihn zu einem der 100 mächtigsten Menschen der Welt. Der 44-Jährige hat den "Giving Pledge" unterschrieben, eine Selbstverpflichtung, die Hälfte seines Vermögens zu spenden. Dafür hat er die Flüchtlingshilfe-Stiftung Tent Foundation gegründet. Gerade hat die Stiftung zum Beispiel eine Studie in Auftrag gegeben über die volkswirtschaftlichen Folgen, wenn Länder Flüchtlinge aufnehmen. Ergebnis der Studie, die vor allem auf Daten des Internationalen Währungsfonds beruht: Flüchtlinge lohnen sich. Die Rendite auf jeden Euro, den europäische Länder heute aufbringen, um Flüchtlinge aufzunehmen und in den Arbeitsmarkt zu integrieren, liege bei 100 Prozent innerhalb von fünf Jahren. Wenn Flüchtlinge Arbeit haben und Geld verdienen, steigern sie die Nachfrage, gründen Unternehmen und mindern den Fachkräftemangel. Ulukaya will das mit seiner Firma beweisen.

Von dem König der Verschwörungstheorien will sich der Joghurt-Milliardär nicht aufhalten lassen. Man müsse sich gegen Fake News wehren, sagt er. "Es ist wichtig, dass wir Ethik in der Berichterstattung behalten."

© SZ vom 27.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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