Razzia in Ingolstadt:Warum Audi erneut durchsucht wurde

Ging es bei der Razzia im vergangenen Jahr um Modelle für den US-Markt, rücken jetzt auch Dieselfahrzeuge in den Fokus, die für den europäischen Markt bestimmt waren.

Von Klaus Ott

Erneut wird die VW-Tochter Audi wegen der Abgasaffäre durchsucht. Die SZ erklärt, was neu ist im Vergleich zur ersten Razzia im März 2017.

Mehr als 200 000 mutmaßlich manipulierte Fahrzeuge

Bei der ersten Razzia am 15. März 2017 ging es um 80 000 Dieselfahrzeuge von Audi für den US-Markt, die nach Erkenntnissen der dortigen Behörden manipuliert waren. Volkswagen hatte in den USA zugegeben, dass auch Audi an der Täuschung von Behörden und Verbrauchern mitgewirkt habe. Dieses Eingeständnis war Anlass für die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München II und die erste Razzia.

Jetzt, bei der neuerlichen Durchsuchungsaktion geht es um insgesamt mehr als 200 000 Dieselfahrzeuge. Die Staatsanwaltschaft hat ihre Untersuchungen wiederholt ausgeweitet; jeweils nach Hinweisen des in Flensburg ansässigen Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA). Das Amt, das dem Bundesverkehrsministerium unterstellt ist, überprüft seit Beginn der Abgasaffäre bei Volkswagen im September 2015 zahlreiche Modelle in- und ausländischer Autohersteller.

Bei Audi ist das Kraftfahrt-Bundesamt wiederholt fündig geworden. Teils betraf das Fahrzeuge der Ingolstädter VW-Tochter; teils Autos von Porsche mit Audi-Motoren. Porsche gehört ebenfalls zum Volkswagen-Konzern. Eine kürzlich erfolgte Rückrufaktion des KBA betrifft die Audi-Modelle A4, A5, A6, A7, A8, Q5, SQ5 und Q7 mit der Abgasnorm Euro 6. Hier hat das KBA nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums eine unzulässige Software festgestellt.

14 Beschuldigte, darunter ein früherer Spitzenmanager

Bei der ersten Razzia im März 2017 ermittelte die Staatsanwaltschaft München II wegen des Verdachts, Audi habe Käufer von Dieselfahrzeugen betrogen und verbotene Werbung betrieben, noch gegen unbekannt. Audi, so der Vorwurf, habe schmutzige Autos mit hohen Schadstoffwerten als sauber verkauft, als "Clean Diesel".

Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen 14 heutige oder frühere Beschäftigte von Audi, teilweise wegen Beihilfe zu den mutmaßlichen Delikten. Zahlreiche Beschuldigte waren oder sind in der Motorenentwicklung beschäftigt, das geht hinauf bis zum mittleren Management. Unter den Verdächtigen ist ein Ex-Spitzenmanager: Wolfgang Hatz, ehedem Chef der Aggregate-Entwicklung bei Audi.

Hatz, der im VW-Konzern Karriere machte und zuletzt dem Porsche-Vorstand angehörte, sitzt seit Ende September 2017 in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, in die Abgasaffäre verwickelt zu sein. Der Ingenieur bestreitet das. Hatz hat über seine Anwälte Haftbeschwerde eingelegt. Das Landgericht München I wies die Beschwerde zurück. Nun muss das Oberlandesgericht München in zweiter Instanz entscheiden.

Bußgeldverfahren gegen den Vorstand

Die Staatsanwaltschaft München II will herausfinden, ob der frühere Audi-Vorstand um den langjährigen Vorstandschef Rupert Stadler von den mutmaßlichen Manipulationen wusste. Den Ermittlern liegen inzwischen mehrere Aussagen vor, wonach der frühere Audi-Vorstand und Stadler, der nach wie vor im Amt ist, von Problemen bei der Abgasreinigung von Dieselfahrzeugen gewusst hätten.

In hochrangig besetzten Arbeitskreisen soll mehrmals darüber gesprochen worden sein, dass die Schadstoffreinigung bei Dieselfahrzeugen mit dem Zusatzstoff Ad Blue nicht wie geplant funktioniere. Ad Blue, verdünnter Harnstoff, wird in die Abgase gespritzt und senkt den Ausstoß von gesundheitsschädlichen Stickoxiden.

Bei der Staatsanwaltschaft München II läuft inzwischen ein Bußgeldverfahren gegen den Audi-Vorstand als Organ, das allerdings nicht namentlich gegen einzelne Manager gerichtet ist. Strafverfahren gegen Vorstandsmitglieder gibt es nicht.

Stadler hat wiederholt erklärt, er habe von Manipulationen nichts gewusst, Audi erklärte mehrmals, es gebe mit Ausnahme eines früheren Vorstandsmitglieds keine Hinweise auf Verfehlungen heutiger oder ehemaliger Vorstandsmitglieder.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: