Razzia in Wolfsburg:Besuch bei Osterloh

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Ermittler wollen klären, was ein Betriebsratschef verdienen darf. Bei Volkswagen-Mann Bernd Osterlohn sind es bis zu 750 000 Euro im Jahr.

Von Klaus Ott, München

Hat bis zu 750 000 Euro im Jahr verdient: VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Rotlicht-Affäre, fragwürdige Sponsoring-Vorgänge beim Werksklub VfL Wolfsburg, Abgasaffäre, Kartellvorwürfe: Seit etlichen Jahren kommen bei Volkswagen in Wolfsburg und im Umfeld des Konzerns immer wieder mal Ermittler zu Besuch. Manchmal angemeldet, meist unangemeldet. An diesem Dienstag war es schon wieder so weit. Staatsanwälte und Steuerfahnder filzten die Büros gleich mehrerer Spitzenleute. Die Beamten suchten bei Finanzchef Frank Witter und Personalvorstand Karlheinz Blessing nach Unterlagen, die Aufschluss geben über die hohen Bezüge von Betriebsratschef Bernd Osterloh. Auch in dessen Büro schauten die Ermittler vorbei. Der mächtige Belegschaftsboss hat nach eigenen Angaben in den vergangenen Jahren bis zu 750 000 Euro im Jahr verdient. Viel Geld für einen Gewerkschafter und Betriebsratschef. Zu viel?

Das will die Staatsanwaltschaft Braunschweig klären, die in diesem Fall ermittelt. Allerdings nicht gegen Osterloh. Stattdessen werden Vorstand Blessing und drei weitere Personalmanager der Untreue verdächtigt. Hätte Volkswagen dem Betriebsratschef zu hohe Bezüge gewährt, dann wäre Firmengeld zu Unrecht ausgegeben worden. Hinzu käme ein mögliches Steuerdelikt. Diese Mittel hätten beim Fiskus nicht als Betriebsausgaben geltend werden dürfen; die von Volkswagen zu zahlenden Steuern wären also höher ausgefallen. Deshalb waren bei der jetzigen Durchsuchung, der zweiten in dieser Sache, die Steuerfahnder im Einsatz.

Der Zweck der Razzia liegt auf der Hand. Die Behörden wollen wissen, wie bei Volkswagen über die Bezüge von Osterloh diskutiert und entschieden wurde. Gab es Bedenken, die sich in Mails und Vermerken finden? Wie wurden die bis zu 750 000 Euro im Jahr errechnet? Was die Ermittler mitgenommen haben, kann belastend sein. Aber auch entlastend. Von Letzterem ist die Konzernspitze um Vorstandschef Matthias Müller und Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch überzeugt. Nach Wolfsburger Lesart handelt es sich nicht um eine neue Affäre, sondern um eine Grundsatzfrage: Was darf ein Betriebsratschef verdienen, der im eigenen Unternehmen und anderswo hoch dotierte Posten angeboten bekommt, diese aber ausschlägt? Dürfen seine Betriebsratsbezüge zum Ausgleich deutlich höher ausfallen, als das üblich ist?

Diese Grundsatzfrage führt zum Paragrafen 78 Betriebsverfassungsgesetz. Dort heißt es, Belegschaftsvertreter dürften "wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung". Das bedeutet, wer im Unternehmen etwa als Facharbeiter nach und nach aufgestiegen und deshalb mehr und mehr verdient hätte, darf als Betriebsrat nicht kurz gehalten werden. Sondern hat ebenfalls Anspruch auf Gehaltssteigerungen, die über dem liegen, was die Gewerkschaften an Tariferhöhungen heraushandeln. So weit, so klar.

Alles in Ordnung, besagt ein von Volkswagen eingeholtes Gutachten

Was aber ist, wenn jemand wie Osterloh einen Vorstandsjob angeboten bekommt, den des Personalchefs beispielsweise, und dort mehrere Millionen Euro im Jahr verdienen könnte. Greift da auch der Paragraf 78 mit der Bestimmung, dass niemand benachteiligt werden dürfe? Im Prinzip ja, sagt Professor Gregor Thüsing, Direktor des Instituts für Arbeitsrecht der Universität Bonn. Thüsing hat für Volkswagen ein Gutachten verfasst, in dem er zu dem Ergebnis kommt, der Autohersteller habe sich im Fall Osterloh völlig korrekt verhalten. Gestützt auf diese Expertise, weist VW die Verdächtigungen der Braunschweiger Staatsanwaltschaft zurück. Den Ermittlern soll das Gutachten inzwischen vorliegen.

Zu seiner VW-Expertise äußert sich Thüsing nicht. Er bestätigt nicht einmal, dass er ein solches Gutachten verfasst habe. Der Bonner Professor für Arbeitsrecht sagt aber, wie er den Paragrafen 78 generell betrachtet. Wenn jemand Karriere machen könne, aber lieber Betriebsrat bleibe, dann könne der Arbeitgeber bei der Bezahlung die ausgeschlagenen Angebote berücksichtigen. Das könne für einen Belegschaftsvertreter durchaus eine "Anspruchsgrundlage" sein. Schließlich dürfe ein Betriebsrat nicht benachteiligt werden.

Osterloh selbst hat bereits vor einem halben Jahr in einem Interview mit der Braunschweiger Zeitung seine Bezüge offengelegt. Sein Grundgehalt liegt bei 200 000 Euro, hinzu kämen Bonuszahlungen. Sein höchster Verdienst seien die besagten 750 000 Euro gewesen - in einem Jahr. Aktuell seien seine Bezüge deutlich niedriger. Osterloh wörtlich: "Das Unternehmen hat meine Einstufung nach Recht und Gesetz vorgenommen." Sie sieht das der Betriebsrat auch weiterhin. "Wir gehen ebenso wie Volkswagen unverändert davon aus, dass das vom Unternehmen festgelegte Gehalt von Bernd Osterloh im Einklang mit den rechtlichen Vorgaben steht", sagte ein Betriebsratssprecher nach der neuerlichen Durchsuchung.

© SZ vom 16.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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