Razzia bei Audi:Spur nach ganz oben

Martin Winterkorn und Ulrich Hackenberg bei VW

Der damalige VW-Vorstandschef Martin Winterkorn (re.) und Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg 2009 bei der Automesse in Detroit.

(Foto: Marijan Murat/dpa)

Ermittler verdächtigen frühere Audi-Vorstandsmitglieder des Betruges, erneut gab es Razzien in Büros und Wohnungen. Hohe Ex-Manager sollen von den Abgas-Manipulationen gewusst haben - es wird für die Chefs von VW und Audi unangenehm.

Von Klaus Ott

Wiko und Hacki galten einst als ziemlich beste Freunde im VW-Konzern. Martin Winterkorn, genannt Wiko, war Vorstandschef bei Volkswagen in Wolfsburg und zuvor bei der Tochter Audi in Ingolstadt. Ulrich Hackenberg, genannt Hacki, war als Entwicklungschef jahrelang so etwas wie die linke und die rechte Hand von Wiko. Nach Beginn der Abgasaffäre im September 2015 verloren beide ihre Vorstandsämter, Winterkorn bei Volkswagen und Hackenberg bei Audi; und entzweiten sich zudem. Jetzt haben die beiden wieder etwas gemeinsam: Sie sind Beschuldigte in der Affäre um manipulierte Schadstoffmessungen bei Dieselfahrzeugen.

Gegen Winterkorn, der alle Vorwürfe zurückweist, ermittelt die Staatsanwaltschaft in Braunschweig schon länger. Nun hat auch Hackenberg ein Aktenzeichen, bei der Staatsanwaltschaft München II. Die Münchner Strafverfolger gehen dem Verdacht nach, Audi habe mehr als 200 000 Autos fälschlicherweise als "Clean Diesel", als sauber verkauft, trotz hoher Abgaswerte. Bislang hatten die für Audi zuständigen Münchner Strafverfolger, mit einer Ausnahme, Verfahren gegen heutige und frühere Beschäftigte aus der unteren und mittleren Ebene eingeleitet. Jetzt wird auch gegen Hackenberg und ein weiteres ehemaliges Vorstandsmitglied ermittelt, gegen Stefan Knirsch. Am Donnerstag wurden die Wohnungen der beiden und von einem weiteren Beschuldigten durchsucht. Insgesamt sind es, nach vorausgegangenen Razzien in den vergangenen Wochen, schon 17 Verdächtige im Fall Audi.

Zwei Ex-Vorstandsmitglieder von Audi, die von Manipulationen gewusst haben sollen - das macht die Lage auch für die heutige Konzernspitze um VW-Chef Matthias Müller und Audi-Chef Rupert Stadler ziemlich unangenehm. Lautet doch die Lesart von Müller & Co., ein kleiner Kreis von Mitarbeitern habe ohne Wissen von oben die Behörden getäuscht und so dem ganzen Unternehmen schwer geschadet. Diese Version haben die Ermittler schon lange in Frage gestellt. Jetzt glaubt die Staatsanwaltschaft München II, genügend Hinweise zu haben, um auch gegen Hackenberg und Knirsch vorzugehen. Gegen Leute aus der ehedem ersten Reihe.

Hackenberg wollte sich auf Anfrage am Donnerstag am Telefon nicht zu dem Verdacht äußern, in einen Betrug von Audi-Kunden verwickelt zu sein. Der Ex-Vorstand verwies auf seine Anwältin. Diese wiederum war trotz mehrerer Versuche bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht erreichbar. Der Anwalt von Stefan Knirsch, Frank Eckstein, wollte sich nicht zu der Durchsuchung und zu den Anschuldigungen gegen seinen Mandanten äußern. Knirsch, das ist ebenso wie Hackenberg eine pikante Personalie. Der Motorenexperte war nur neun Monate Entwicklungsvorstand bei Audi gewesen, bevor die VW-Tochter ihn fallen ließ, wegen seiner mutmaßlichen Verwicklung in die Abgasaffäre. Hoch entlohnt worden ist der Kurzzeit-Vorstand trotzdem. Er erhielt zwei Millionen Euro Gehalt und Boni. Außerdem sagte ihm Audi "im Zusammenhang mit dem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Vorstand" noch eine Vergütung in Höhe von 3,8 Millionen Euro zu. So steht es in dem im März 2017 veröffentlichten Geschäftsbericht für 2016.

Knirsch wird durch interne Unterlagen von Audi und von ehemaligen Kollegen schwer belastet. Er soll im Oktober 2013 bei Audi eine alarmierende Präsentation ("Risikoeinschätzung") bekommen haben. Motorenexperten hatten auf elf Seiten vor der "Aufdeckung" einer verbotenen Software gewarnt. Der kalifornischen Umweltbehörde CARB seien falsche oder nicht vollständige Angaben gemacht worden. Auch bei der US-Umweltbehörde EPA drohe Ärger. 62 000 Autos seien betroffen, Strafen könnten sich auf bis zu 37 500 Dollar pro Fahrzeug belaufen. Die US-Behörden könnten auch Rückrufe anordnen oder im schlimmsten Fall die Zulassung entziehen. Knirsch soll angewiesen haben, die Behörden nicht zu informieren. Sein Anwalt hatte im vergangenen Jahr auf Anfrage dazu mitgeteilt, Knirsch wolle "keine Stellungnahme abgeben".

Als einziger Beschuldigter sitzt der ehemalige Chef der Audi-Motorenentwicklung und Porsche-Entwicklungsvorstand Wolfgang Hatz in Untersuchungshaft. Das Oberlandesgericht München will demnächst über eine Haftbeschwerde entscheiden. Hatz weist den Vorwurf zurück, er sei in die Abgasaffäre verwickelt. Hackenberg wiederum äußerte sich zwar am Donnerstag nach der Durchsuchung nicht, er hat aber bei früheren Gelegenheiten bestritten, von Manipulationen gewusst zu haben. Er war bei internen Untersuchungen bei Volkswagen als Zeuge vernommen worden. Was an den Vorwürfen dran ist oder nicht, und wie das Ermittlungsverfahren endet, bleibt abzuwarten.

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