Ratlos in Davos:Die Elite in der Krise

Großes Lamento: Beim Weltwirtschaftsforum in Davos haben Manager und Politiker viel über die Welt in der Krise geklagt. Dabei hätten sie um den richtigen Kurs ringen sollen.

Marc Beise

Der große Zirkus ist aus, Davos gehört wieder den Wintersportlern. Fünf Tage Reden, 250 Podien, 2500 Diskutanten, Dutzende Regierungschefs, Tausende Treffen im Angesicht der Weltfinanz- und Wirtschaftskrise - selten gab es eine bessere Gelegenheit, den Zustand der Welt zu begutachten.

Ratlos in Davos: "Ihr seid die Krise": Demonstranten halten den Führungskräften in Davos ihre Einschätzung entgegen.

"Ihr seid die Krise": Demonstranten halten den Führungskräften in Davos ihre Einschätzung entgegen.

(Foto: Foto: Reuters)

Sind die Eliten bereit, eigene Fehler einzugestehen? Sind sie gar zu einer Umkehr bereit? Und sind sie in der Lage, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen? Vermutlich sind sie es weniger, als viele jetzt behaupten.

Davos 2009, behaupten Manager und Medien, sei angesichts der aktuellen Weltwirtschaftskrise erkennbar anders gewesen als früher: nachdenklicher, konstruktiver, selbstkritischer. Die Eliten hätten ihren Hochmut verloren, anmaßende Manager seien auf dem Weg der Läuterung. In Davos seien, heißt es, die Weichen für eine Bewältigung der Krise gestellt worden. Doch das stimmt nicht wirklich.

Unerträgliches Selbstbewusstsein

Nachgedacht wird auf dem Weltwirtschaftsforum in den Schweizer Bergen schon immer und vor allem viel geredet, aber die Welt ist darüber noch nie schlagartig anders geworden. Im Gegenteil: War es nicht so, dass häufig der gerade aktuell erkannte Trend eben nicht Realität wurde? Vor einigen Jahren gab es ein "grünes" Davos - danach trat der internationale Umweltschutz erst mal auf der Stelle.

Im vergangenen Jahr zeigten speziell die amerikanischen Wirtschaftsbosse ein unerträgliches Selbstbewusstsein: Eine Krise ist im Kommen? Ach was, wir werden das schon reißen. Die Krise kam, und kaum jemand reißt mehr was.

Wenn man Davos als Kontraindikator versteht, ließe sich fast wieder Hoffnung schöpfen. Denn diesmal war das vorherrschende Thema unter den aus aller Welt angereisten Managern und Politikern: Die Welt ist in der Krise, der größten seit 80 Jahren. Alles ist so schlimm, und es wird noch viel schlimmer.

Tatsächlich jedoch gibt es keine verlässlichen Anzeichen, dass sich die Lage rasch bessern wird. So sind in den vergangenen Tagen beängstigende Zahlen über das Schrumpfen der US-Wirtschaft bekannt geworden, andere wichtige Länder wie Japan geraten ebenfalls in Not. Eine Trendwende lässt sich nicht erkennen, stattdessen gibt es viele Hinweise darauf, dass Politiker, Unternehmer, Wissenschaftler noch nicht wirklich vorbereitet sind auf diese Zeit.

In Davos war ein beängstigender Herdentrieb der Eliten zu besichtigen. Vor einem Jahr noch war alles in Ordnung, jetzt die komplette Kehrtwende: Alle mal Trübsal blasen! Vergessen wurde darüber, nach Lösungen zu suchen, nach Auswegen, nach Konzepten gegen die Krise.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, wie wenig Bundeskanzlerin Merkel in Davos inhaltlich zu bieten hatte.

Die Elite in der Krise

Schier unerträglich war diese Krisenbeschwörung. Auf den Bühnen tauchten die immer gleichen Untergangspropheten auf, vor allem amerikanische Wissenschaftler, die fast ein Meinungsmonopol bildeten: Nouriel Roubini, Robert Shiller, Joseph Stiglitz.

Die anwesenden Unternehmer ordneten sich dem bereitwillig unter, waren grundsätzlich in Sorge, weideten sich in ihrem Unwissen über das Kommende. Bei Bedarf übte man ein wenig Selbstkritik. Meist allerdings wurde alle Verantwortung für die Krise auf die Banker und Finanzinvestoren abgeschoben, die in Davos fehlten. Wie einfach die Welt der Eliten doch sein kann.

Jetzt soll der Staat helfen. Wer auch sonst? Bedenken, die es früher gab, werden einfach verdrängt. Die Politiker hörten das mit Freude und präsentierten stolz ihre Hilfsprogramme, die Hunderte Milliarden verschlingen. Dass dieses Geld eines Tages zurückgezahlt werden muss, dass dies auf dem normalen Weg des Schuldenabbaus gar nicht mehr geht, dass es am Ende wohl zu einer dramatischen Geldentwertung kommen wird - all das wurde selten thematisiert.

Berechtigte Warnung Putins

Stattdessen hatten die Politiker alle Aufmerksamkeit, ohne inhaltlich viel zu bieten. Auch der deutschen Bundeskanzlerin fiel nicht viel mehr ein, als die "Kräfte des Marktes" zu kritisieren und im Übrigen die Hoffnung auf neue internationale Gremien zu verbreiten, etwa einen Weltwirtschaftsrat, der alles richten soll. Natürlich kam in ihrer Rede auch die soziale Marktwirtschaft vor, die Angela Merkel in die Welt exportieren will, ohne freilich zu erwähnen, dass es mit der Akzeptanz dieser Marktwirtschaft in Deutschland nicht mehr weit her ist.

Am Ende blieb es Russlands Premier Wladimir Putin vorbehalten, mit klaren Worten davor zu warnen, dass die nächste Übertreibung sich schon wieder ankündigt: der übertriebene Glaube an den Staat. Ausgerechnet Putin sagte dies, der bisher nicht als großer Demokrat und Marktwirtschaftler aufgefallen ist.

Davos 2009 zeigt, dass die weltweite Elite immer noch an der Oberfläche kratzt. Dabei müsste jeder wissen, dass es in dieser Krise nicht damit getan ist, als Unternehmer nur "im Nebel" zu agieren (so ein in Davos beliebtes Bild) und im Übrigen der Politik Blankoschecks auszustellen.

Wenn es so einfach wäre, wäre die Welt seit langem eine bessere. Man gewinnt die Zukunft nicht, wenn man sie den Machern des Augenblicks überlässt, die keine Konzepte haben, die über die nächsten Wochen hinausweisen. Am Ende wird es ohne Ringen um den richtigen Kurs nicht gehen. Wirklich gerungen wurde in Davos nicht. Insofern war es eine verpasste Chance.

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