Rassismus:Wo Menschen im Alltag diskriminiert werden

Bei der Wohnungssuche, im Bewerbungsgespräch, sogar bei der Mitfahrgelegenheit: In vielen Situationen werden Menschen aufgrund ihrer Herkunft benachteiligt.

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Arbeiten

Bewerber bei Einstellungstest im Assessment Center

Quelle: Robert Kneschke - Fotolia

Das Experiment ist schnell gemacht. Zwei Bewerbungen, Noten, Lebenslauf, Berufserfahrung: identisch. Doch während sich einmal Lukas Müller, blond, freundliches Lächeln, um einen Ausbildungsplatz bewirbt, lächelt von der zweiten Bewerbung ein dunkelhaariger Mann namens Hasan Selçuk. Er schaut ebenso freundlich, bekommt aber messbar weniger Rückmeldungen. Um zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, muss er bis zu 1,5 Mal so viele Bewerbungen schreiben wie ein gleich gut qualifizierter Bewerber mit deutschem Namen. Das belegt eine von der Robert Bosch Stiftung finanzierte Studie aus dem Jahr 2014.

Ethan Sebastian, 44, ist vor fünf Jahren in die Schweiz eingewandert. Er ist dunkelhäutig, hat Englische Literatur studiert. In den USA arbeitete er bei Verlagen, es waren gute Jobs. In der Schweiz? Schrieb er Hunderte Bewerbungen. Irgendwann reichte es Sebastian. Auch er wagte das Experiment. 20 Firmen, die ihn abgelehnt hatten, sendete er seine Bewerbung erneut zu. Dieses Mal nannte er sich Ron Demler, heftete das Foto seines weißen Patenonkels daran. 17 von 20 Unternehmen luden Ron Demler zum Gespräch ein. Für Sebastian ist das der Beweis: Er wurde aus rassistischen Gründen abgelehnt. Das sagte er vor einigen Tagen der Boulevardzeitung Blick. Die Firmen haben nichts zu befürchten: Juristisch gebe es in der Schweiz keine Handhabe, heißt es von der Fachstelle für Rassismusbekämpfung.

Charlotte Theile

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Wohnen

Wohnung dringend gesucht

Quelle: dpa

Wer ein Kopftuch trägt, für den ist die Wohnungssuche in Deutschland schwieriger als für andere. Eine Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes von 2015 fand heraus, dass unter Teilnehmern mit sichtbar jüdischer oder muslimischer Religionszugehörigkeit nur etwa 18 Prozent eine Wohnungszusage bekamen, unter den christlichen Bewerbern hingegen 58 Prozent. Die Probanden trugen zur Verdeutlichung religiöse Symbole oder fragten explizit nach dem nächstgelegenen Gotteshaus. Auch Wohnungssuchende mit Migrationshintergrund wurden häufiger abgelehnt: Nur etwa 25 Prozent bekamen die Wohnungszusage. Bei denjenigen ohne Migrationshintergrund waren es mit 46 Prozent deutlich mehr. Für die Studie bewarben sich möglichst ähnliche Personen um eine Wohnung. Sie unterschieden sich nur durch Migrationshintergrund oder Religionszugehörigkeit. Im Einzelfall kann ein solches Vorgehen vor Gericht auch als Indiz für Diskriminierung dienen. Diese ist bei der Wohnungssuche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verboten. Dennoch fühlt sich laut einer Forsa-Umfrage von 2014 eine deutliche Mehrheit der Bürger mit Migrationshintergrund auf dem Wohnungsmarkt benachteiligt. Indizien für eine Diskriminierung zu erbringen, ist schwer. In einem Musterprozess hatte eine Familie 2010 vor dem Oberlandesgericht Köln Recht bekommen. Die Hausverwaltung hatte eine Vermietung an Afrikaner ausgeschlossen.

Nora Kolhoff

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Leihen

Nur nicht den Kopf in den Sand stecken - Wenn der Kredit kränkelt

Quelle: picture-alliance/ gms

Ein offizielles Schuldeingeständnis gab es nicht. Aber die Entscheidung, die die US-Bank Wells Fargo im Jahr 2012 traf, ließ sich durchaus so interpretieren. Der Bank drohte ein Gerichtsverfahren wegen Diskriminierung. Statt einen Prozess zu riskieren, öffnete Wells Fargo lieber das Portemonnaie. Die Bank nahm einen Vergleich an und zahlte insgesamt 175 Millionen Dollar. Der Grund: Das Justizministerium warf der Bank vor, systematisch Kunden mit Migrationshintergrund benachteiligt zu haben. Einer Untersuchung zufolge soll die Bank in 30 000 Fällen höhere Gebühren und Zinsen für Kredite verlangt haben, die Schwarze und Hispanics aufnahmen, um ihre Häuser zu finanzieren. So soll ein Afroamerikaner aus Chicago für einen Kredit in Höhe von 300 000 Dollar einen Aufschlag von knapp 3000 Dollar bezahlt haben, vermutlich wegen seiner Hautfarbe. Ärger bekam die Bank außerdem, weil sie in 4000 Fällen riskante Darlehen zu besonders teuren Konditionen an Menschen mit Migrationshintergrund verkaufte.

In Deutschland sind bislang keine Fälle in dieser Größenordnung aufgetreten. "Bei Bankkrediten kommt Diskriminierung vor. Die ethnische Herkunft spielt bei unseren Beratungsfällen aber nur selten eine Rolle." sagt Christine Lüders von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Die meisten Bürger, die dort um Hilfe bitten, seien im Fall eines Kredits nicht wegen ihrer Herkunft diskriminiert worden, sondern wegen ihres hohen Alters.

Jan Schmidbauer

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Bahnstreik: Die mitfahrgelegenheit-App hilft

Quelle: obs

Wer Fremde vom eigenen Tellerchen essen, auf dem eigenen Stühlchen sitzen oder im eigenen Bettchen liegen lässt, der braucht ein gewisses Grundvertrauen in den Menschen. Und er hat in der Regel das Bedürfnis, den potenziellen Gast vorher mal zu begutachten. Plattformen wie Airbnb ermöglichen genau das: Sie reduzieren die Anonymität zwischen zwei Fremden durch ein mit großem Bild ausgestattetes Profil und suggerieren, den künftigen Gast so besser einschätzen zu können. Sympathie auf den ersten Blick - oder eben nicht.

Genau dadurch begünstigt das Wohnungsportal jedoch auch Diskriminierung und Rassismus, behauptet eine Studie zweier Harvard Business School-Professoren. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass das Profilbild zur Diskriminierung dunkelhäutiger Nutzer beiträgt. Diese fänden seltener eine Übernachtungsmöglichkeit, auch würden ihre Wohnungen seltener von anderen gebucht. Die Tamilin Nihan Turimanasinghe hat diese Erfahrung auch schon gemacht, und das nicht nur auf Airbnb. "Schon drei Mal wurde mir eine Fahrt über ein Mitfahrportal abgesagt, weil ansonsten nur weiße Leute mitfahren würden", sagt sie. Von Initiativen wie dem "Muslim-Taxi", einer Mitfahrzentrale nur für Muslime, hält sie jedoch genauso wenig: "Wenn man teilen möchte, dann sollte man doch bitte auch bereit sein, das mit allen zu tun, unabhängig von der Religion oder der Hautfarbe."

Vivien Timmler

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Absichern

Autoverwertung Rottegger in Garching, 2014

Quelle: Florian Peljak

Wer viele Umlaute im Namen trägt, musste mehr zahlen: In den Achtziger- und Neunzigerjahren verlangten Autoversicherer von türkischen Kunden oft d eutlich höhere Prämien als von Deutschen. Auch Fahrer aus Balkanländern zahlten mehr. Die Unternehmen begründeten dies mit der angeblich höheren Unfallhäufigkeit.

Ab 1994 verbot das Versicherungsaufsichtsgesetz den Unternehmen, Tarifbestimmungen oder die Prämienkalkulation an der Staatsangehörigkeit oder ethnischen Gruppe auszurichten. Diese Spezialregelung wurde mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz obsolet.

Die Gesetze zeigen offenbar Wirkung. Weder beim Versicherungsombudsmann noch beim Bund der Versicherten oder der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat es in der jüngeren Vergangenheit Beschwerden über rassistisches Verhalten von Versicherern gegeben.

Offene Diskriminierung ist in der Branche offenbar kein Thema mehr - zumindest in den Chefetagen. Noch vor ein paar Jahren hatte eine Sachbearbeiterin der Gothaer Versicherung einem muslimischen Rentner nach einem Autounfall die Entschädigung dafür verweigert, dass er keine Hausarbeit mehr verrichten konnte. Begründung: Bei muslimischen Ehen sehe es das patriarchalische und traditionelle Mannesbild nicht vor, dass der Mann den Haushalt führe. Als der Fall publik wurde, entschuldigte sich die Gothaer und entzog der Mitarbeiterin den Fall.

Ilse Schlingensiepen

© SZ.de/vit
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