Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz:Diskretes Ende von Protz und Gier

Die gescheiterte Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz fühlt sich von ihrer langjährigen Hausbank Sal. Oppenheim und ihrem Vermögensberater reingelegt. Jetzt kämpft sie um den Rest ihres Vermögens. In dem Rechtsstreit wird es auch um die Frage gehen, ob eine Villa mit Pool standesgemäß ist.

Hans-Jürgen Jakobs und Uwe Ritzer

Das "Kaufhaus Schickedanz" gibt es nicht mehr. Dabei klang alles so schön im kleinen Hersbruck bei Nürnberg, damals im Sommer 2009. Der Versandhändler Quelle näherte sich bereits dem Exitus, da nahm sich ein Ex-Manager des Unternehmens dieses Hersbrucker Ladens an. In dem Haus am Unteren Markt, wo Grete Schickedanz nach dem Krieg - und nicht ihr NS-belasteter Mann Gustav - die Handelsgeschäfte wieder aufgenommen hatte, eröffnete Harald Herbrig das "Kaufhaus Schickedanz". Zwei Jahre später war er pleite, und sein Nachfolger machte daraus das "Modehaus am Unteren Markt". Wann Madeleine Schickedanz, 68, die Tochter der Quelle-Frau Grete, das Gebäude zum letzten Mal betreten hat, ist unbekannt. Immerhin: Es gehört ihr noch.

Madeleine Schickedanz

Madeleine Schickedanz hat Klage gegen das Bankhaus Sal. Oppenheim und ihren ehemaligen Vermögensberater erhoben, doch jetzt scheint alles auf einen Vergleich hinauszulaufen.

(Foto: dpa)

Die Erbin ist derzeit im ärgsten Stress: Sie will retten, was einst ihr Vermögen war. Viele ihrer Immobilien hat Madeleine Schickedanz verkauft oder verpfändet, als Sicherheiten für Kredite ihrer langjährigen Kölner Hausbank Sal. Oppenheim; mit mehreren hundert Millionen Euro steht sie in der Kreide. Ausgerechnet sie, die bis vor einiger Zeit mit mehr als drei Milliarden Vermögen eine der reichsten Deutschen war. Doch das meiste davon steckte in Aktien des fallierten Handelskonzerns Arcandor, der einstigen Karstadt-Quelle AG.

Klageschrift umfasst mehr als 200 Seiten

Madeleine Schickedanz fühlt sich reingelegt, von Sal. Oppenheim und ihrem mit der Bank eng liierten Vermögensberater Josef Esch. 14 Verantwortliche von Sal. Oppenheim und der Esch-Firmen hat sie verklagt; es geht um 1,9 Milliarden Euro.

Erster Verhandlungstermin am Landgericht Köln: 18. Dezember. Bis Mitte Oktober müssen sich die Parteien erklären. Doch inzwischen ist sehr fraglich, ob es zum Prozess kommt, ob die 213 Seiten ihrer Klageschrift relevant sein werden. Wie jetzt im Millionenstreit zwischen Esch und dem früheren Arcandor-Chef Thomas Middelhoff zeichnet sich nach Informationen der Süddeutschen Zeitung auch zwischen Madeleine und ihren Opponenten eine außergerichtliche Einigung ab.

"Wir sind in Vergleichsverhandlungen, sagen aber nichts zu deren Stand, den Inhalten oder der Tendenz", erklärt ihr Anwalt Peter Rath auf Anfrage. Sal. Oppenheim gibt an, als Bank stehe man "natürlich mit allen unseren Kunden, die mit uns sprechen wollen, im Dialog. So auch mit Frau Schickedanz". Zu Inhalten werde sich das Institut "mit Blick auf das Bankgeheimnis nicht äußern". In der Vergangenheit hatte Sal. Oppenheim mehrmals betont, "dass für uns die erhobenen Vorwürfe gegen das Bankhaus nicht nachvollziehbar sind und zurückgewiesen werden".

Einer aus den Verhandlungskreisen erklärt: "Es ist viel guter Wille auf allen Seiten erkennbar, die Sache ohne aufwendige und öffentlichkeitswirksame Prozesse zu regeln." Schickedanz kämpfe nicht mehr verbissen um jede einzelne Million, sie habe Kompromissbereitschaft signalisiert. "Ihr geht es darum, sich auf Dauer ein standesgemäßes Leben zu sichern." Im Mittelpunkt: das ihr zu gewährende "Schonvermögen". Sie wolle raus aus der Öffentlichkeit, deren Beobachtung habe sie gehasst.

Ist eine Villa mit Pool "standesgemäß"?

Was aber ist "standesgemäß"? Dazu gehören nach ihrem Verständnis Luxusimmobilien wie ihre in einen riesigen Park gebettete Villa samt Pool in Hersbruck, wo schon ihre Eltern zeitweise lebten. Auch dieses Anwesen hat die unglückliche Tochter der Versandhausgründer als Sicherheit für Kredite verpfändet, ebenso wie etliche Wohn- und Gewerbeimmobilien in München, Nürnberg, Hamburg, Bonn und eine Villa am Tegernsee mit Bootsanlegestelle.

Andere Domizile hat sie verkauft: Allein 37 Millionen Euro soll die Villa "La Müstaila" am Silvretta-Hang in St. Moritz eingebracht haben, immerhin zehn Millionen die in der Nähe gelegene Villa "God Laret". Nicht betroffen von Ausverkauf und Verpfändung sind unter anderem der offizielle Familiensitz in Fürth-Dambach und die Hazienda "La Poza" nahe der südchilenischen Stadt Osorno; Vater Gustav hatte das 850-Hektar-Landgut 1962 gekauft.

Zentraler Punkt bei den laufenden Vergleichsverhandlungen ist es, in welchem Umfang ihr verpfändetes Vermögen herangezogen wird, um die Ansprüche von Gläubigern zu befriedigen. Die Bewertung der einzelnen Sicherheiten ist schwierig; verglichen damit spielen die Schadenersatzansprüche der Madeleine Schickedanz offenbar inzwischen eine Nebenrolle.

So geht es auch um Firmenbeteiligungen, etwa an der Züricher Hardturm AG, wo Ehemann Leo Herl im Verwaltungsrat sitzt. Oder es geht um das Immobilien-Reich der Gustav-Schickedanz-Gruppe, das 2010 mit mehr als 120 Millionen Euro in der Bilanz stand. Sowohl ihr Anwalt als auch die Esch-Seite und Sal. Oppenheim wollen dazu keine Stellung beziehen.

Es ist eine Geschichte von Protz und Gier, von Geldadel und Macht, die da diskret beendet werden soll. Sie beginnt 2001, als Madeleine Schickedanz Kundin bei Sal. Oppenheim wird; man kommt über die Schweizer Bankniederlassung ins Geschäft. Damals haben gerade die Quelle-Erben ihre Beteiligungen an Karstadt-Quelle untereinander gesplittet. Madeleines Anteil verringert sich dadurch deutlich, sie will ihren Einfluss wieder steigern.

Also kauft sie mit dem Geld von Sal. Oppenheim Aktien für 120 Millionen Euro - "Projekt Kriemhild". Eingespannt wird dafür die eigens in der Schweiz gegründete Grisfonta AG, hinter der Leo Herl steht, Madeleines Mann. Wenige Jahre später dann der zweite Kredit von Sal. Oppenheim: 170 Millionen Euro, mit denen sich Schickedanz 2004 an einer Kapitalerhöhung bei Karstadt-Quelle beteiligt. Der dritte große Kredit ist der merkwürdigste: 370 Millionen Euro, erneut für Aktienkäufe bei Karstadt-Quelle.

Fusion floppte

Schickedanz zögert. Sie habe doch schon hohe Schulden. Aber alle hätten ihr zugeraten: die Banker und vor allem Josef Esch aus Troisdorf bei Bonn. Wie für viele superreiche Deutsche ist der gelernte Maurer auch für Madeleine Schickedanz zum Vermögensverwalter geworden. Angeblich rät er zum dritten Aktiendeal. Zur Absicherung fungieren Sal.-Oppenheim-Vorstandschef Matthias Graf von Krockow und sein Schwager, Aufsichtsratschef Georg Baron von Ullmann, als Bürgen. Etwaige Gewinne will man sich mit Schickedanz teilen; das Verhängnis nimmt seinen Lauf.

Schickedanz vermutet heute, die Bank und Esch wollten über sie Einfluss auf Arcandor gewinnen, um Zugriff auf die lukrativen Karstadt-Immobilien zu erhalten und diese zu verwerten. Da winkten Milliardenprofite. Die Esch-Seite dagegen argumentiert, sie habe spekulieren wollen, sie habe genau gewusst, was sie mache.

Doch die geplante Fusion mit Konkurrent Kaufhof zur Deutschen Warenhaus AG floppt. Damit wird es auch nichts mit Immobilien-Deals für Esch, vermittelt von Goldman Sachs; an ein Konsortium mit der Investmentbank hatte Arcandor-Chef Middelhoff die Immobilien verkauft. Er reduzierte so die Schulden, doch das Tafelsilber war weg. Und jetzt auch die Börsenphantasie. Nun stürzt der Kurs ab, für Schickedanz eine böse Botschaft: Die ersten beiden Kredite hat sie mit Arcandor-Aktien abgesichert. Weil deren Wert rapide sinkt, muss sie nun Luxusimmobilien verpfänden. Unter welchen Umständen dies geschah, ob auf massiven Druck von Esch hin, wie sie behauptet, ist umstritten.

Angeblich hätte Schickedanz 2006 einen größeren Posten ihrer Arcandor-Aktien über Goldman Sachs verkaufen können - mit gehörigem Profit. "Sie hätte sich im Idealfall auf einen Schlag entschulden können", behauptet ein Insider. Sie habe den Verkauf jedoch abgelehnt. Auf den (schlechten) Rat ihrer Einflüsterer hin? Oder weil sie zocken wollte und auf einen noch besseren Kurs hoffte? Sie selbst sagt, gar nicht frei gewesen zu sein.

"Den falschen Leuten vertraut"

Die Geschäfte entwickelten sich jedoch auch für Sal. Oppenheim zum Fiasko. Am Ende übernahm die Bank selbst Aktien von Madeleine Schickedanz und war so Großaktionär bei einer Arcandor AG im Sinkflug. Parallel dazu hatte das Institut Hunderte Millionen Euro Privatkredite an eigene Gesellschafter (für die sich die Staatsanwaltschaft Köln interessiert) ausgereicht, womöglich zu unrechtmäßig günstigen Konditionen. Mit 1,6 Milliarden Euro Miesen in den Büchern geriet Sal. Oppenheim 2009 in Existenznot; der deutsche Staat griff nicht ein, denn inzwischen hatten die Verantwortlichen den Sitz von Köln in einen protzigen Glaspalast nach Luxemburg verlagert. Das Geldhaus wurde von der Deutschen Bank übernommen.

Einmal hat Madeleine Schickedanz ein Interview gegeben, 2011 dem WDR. Es mischten sich Selbstmitleid und Anklagen. Sie mache sich "bittere Vorwürfe, den falschen Leuten vertraut und nicht rechtzeitig erkannt zu haben, dass das Ganze vollkommen danebengeht", klagte sie mit brüchiger Stimme, "und dass das Lebenswerk meiner Eltern dadurch zu Bruch gegangen ist und viele Menschen auf der Straße standen." Allein beim Crash von Quelle verloren mehr als 6000 ihre Jobs.

Nun scheint es, als wolle sie einen Schlussstrich ziehen - hinter den Kulissen. Vielleicht schon bis zum Jahresende, vielleicht auch in der ersten Hälfte 2013. Insider halten einen Vergleich in der Größenordnung von 400 bis 500 Millionen Euro für denkbar, zugunsten von Madeleine Schickedanz. Die von ihr verlangten 1,9 Milliarden Euro seien jedoch "utopisch". Auch dazu wollte ihr Anwalt nichts sagen.

Vor knapp vier Jahren, im Endkampf ums Abenteuer Arcandor, hatte sie verkündet: "Es muss weitergehen." Mit dem Wert der Aktien schmolz auch ihr Vermögen dahin. Sie wollte aber partout vermeiden, dass Kredite fällig gestellt wurden. Und so musste sie am 16. Oktober 2008 weitere Sicherheiten einräumen. Einer ihrer Leute fuhr nach Troisdorf zu Josef Esch, damals in der Branche noch "der heilige Josef", und zwar mit einem Wagen voller Akten. Man ortete Sicherheiten, und kam auf mehr als 400 Millionen Euro. Am nächsten Morgen jettete Madeleine Schickedanz frühmorgens in Eschs Privatjet von Nürnberg nach Köln und signierte nach längerer Wartezeit auf dem Rollfeld die vom Notar ausgefertigten Papiere. Sie sei quasi enteignet worden, sagte sie später.

Verhandelt wird mal im großen Kreis mit allen Beteiligten, mal in kleineren Runden allein zwischen Madeleines Anwälten und jenen von Esch oder Sal. Oppenheim. Es ist eine richtige Puzzle-Arbeit, all die Pfänder zu sortieren. Ein Wohnhaus in Zirndorf, eine Eigentumswohnung in München, die Beteiligung an der Nürnberger Immobilienfirma ICN. Und im Hintergrund redet die Eigentümerin von Sal. Oppenheim mit, die Deutsche Bank. Die hatte 2010 ihren Manager Wilhelm von Haller auf den Chefposten der einst ruhmreichen Privatbank (1789 gegründet) geschickt. Die Marke soll für eine gut betuchte Klientel erhalten bleiben.

Es soll kein zweiter Fall Kirch werden

Die "Deutsche" favorisiert nach SZ-Informationen eine schnelle, einvernehmliche Lösung. "Die in Frankfurt wollen keinen zweiten Fall Kirch", sagt ein Insider. Er spielt auf den langen Zank zwischen den Erben des verstorbenen Medienmoguls Leo Kirch und der Bank an.

Ganz sicher wird Madeleine Schickedanz am Ende nicht als die arme Frau dastehen, als die sie sich mal in einem missglückten Interview mit Bild am Sonntag gab. Sie müsse beim Discounter einkaufen, ihr Gemüse im eigenen Garten anbauen, von 600 Euro im Monat leben und Rente bekomme sie auch nicht, jammerte sie da. Beim Italiener um die Ecke reiche es gerade noch für Pizza und billigen Rotwein.

Diese Sätze haben in Hersbruck, ihrem Rückzugsort, viele befremdet. Dort, wo sie ein Einkaufszentrum errichten wollte und das Kaufhaus Schickedanz scheiterte, das sie unterstützte: "Ich will das machen, ich fühle mich in der Pflicht." Dort verbrachte sie ihre Kindheit, dort ist die Grundschule nach ihrer Mutter Grete benannt, die von ihrer Tochter als Kauffrau nie etwas hielt. Selbst im "Modehaus am Unteren Markt" will man die Tradition auch heute nicht über Bord werfen. In Schwarz-Weiß lächeln Gustav und Grete im Foto an der Wand die Kunden an, darunter steht in geschwungen Lettern "Schickedanz". Nur das Motto von Gustav Schickedanz steht nicht mehr da: "Wollen, wägen, wagen".

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