Prozess wegen Untreue:50 Millionen für den "aufwendigen Lebensstil"

Prozess gegen Ex-Chef der Fondsgesellschaft Wölbern

Heinrich Maria Schulte, ehemaliger Geschäftsführer der Fondsgesellschaft Wölbern Invest, im Gerichtssaal

(Foto: dpa)
  • Das Hamburger Landgericht hat den früheren Chef der Fondsgesellschaft Wölbern Invest wegen gewerbsmäßiger Untreue zu einer Haftstrafe von achteinhalb Jahren verurteilt.
  • Der Arzt und Unternehmer Heinrich Maria Schulte soll in 327 Fällen mehr als 147 Millionen Euro aus Immobilienfonds abgezogen haben.
  • Anleger haben kaum Chancen auf Entschädigung. Einige können froh sein, wenn sie nicht draufzahlen müssen.

Von Laura Hertreiter, Hamburg

Es ist nicht so, dass Eva und Karl Krüger (Namen geändert) jetzt arm sind. Aber das Rentnerpaar hat viel Geld verloren, wie der Großteil der Besucher in dem voll besetzten Gerichtssaal. "15 000 Euro sind weg", sagt Eva Krüger, Erspartes für die Enkel. Insgesamt ist der Fall viel größer, insgesamt sind 147 Millionen Euro weg. Und vorn auf der Anklagebank sitzt bei der Urteilsverkündung im Hamburger Landgericht der Mann, der sie laut Richter veruntreut hat: Heinrich Maria Schulte. Der Finanzunternehmer trägt Maßanzug und Professorentitel und verzieht keine Miene, als er wegen gewerbsmäßiger Untreue zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt wird. Es ist eine der höchsten Strafen, die ein deutsches Gericht je in einem Wirtschaftsprozess verhängt hat.

Was dem Angeklagten vorgeworfen wurde

Die Große Strafkammer des Hamburger Landgerichts sieht es als erwiesen an, dass Schulte als Inhaber und Chef des Fondshauses Wölbern Invest etwa 147 Millionen Euro gewerbsmäßig veruntreut hat. Betroffen sind mehr als 30 000 Anleger, die in 31 geschlossene Fonds investiert hatten. Die meisten von ihnen sind Kleinanleger, die auf die Seriosität des Traditionsnamens Wölbern vertrauten. Wie die Krügers, denen Wölbern-Fonds von einer Bank empfohlen worden waren. Neben ihrem Fonds haben inzwischen drei weitere Fonds Insolvenz angemeldet, mindestens sechs sollen noch auf der Kippe stehen.

Heinrich Maria Schulte, 61, hatte das private Hamburger Bankhaus Wölbern vor neun Jahren übernommen und den Investmentbereich abgespalten. Wölbern Invest organisierte vor allem Immobilienfonds.

Dem Richter zufolge hat Schulte zwischen August 2011 und September 2013 regelmäßig Geld abgezweigt: Mit 327 Einzelüberweisungen griff er mehr als 147 Millionen Euro ab. Um nicht durch Insolvenzen aufzufliegen, stopfte er immer wieder einige der Löcher, etwa 115 Millionen Euro blieben offen. Der Richter spricht von "exorbitanten Schäden". Nach seiner Einschätzung hatte Schulte mithilfe seiner Rechtsberater ein System von Verträgen, Konten, Scheinsicherheiten angelegt, das von vornherein der Veruntreuung diente.

Schulte soll sich "aufwendigen Lebensstil" finanziert haben

Das Geld der Anleger soll Schulte in andere Fonds und Firmen gesteckt haben. Und in das, was der Richter einen "aufwendigen Lebensstil" nennt. Mehr als 50 Millionen Euro zweigte Schulte demnach auf sein Privatkonto ab. Davon bezahlte er Dinge wie die Renovierung seines Hauses an der Hamburger Elbchaussee (2,5 Millionen Euro), Schmuck (80 000 Euro), Kunst (850 000 Euro), Theater- und Opernbesuche (11 000 Euro). "Er verfügte über Fondsgelder, als würden sie ihm gehören", sagt der Richter.

Während Schulte Opern besuchte, begann das, was der Richter das "Kartenhaus" nennt, zu wackeln. Immer wieder berichteten Angestellte dem Wölbern-Chef von Finanzlücken in mehreren Fonds. Einige wiesen ihn auf die Rechtswidrigkeit seines Handelns hin.

Daraufhin, fasst der Richter zusammen, habe Schulte Maßnahmen ergriffen, "um Kritik auszuschalten". Etwa indem er die Buchhaltung ausgliederte. Dass es bei Wölbern Invest nicht mit rechten Dingen zugeht, stand schon vor Jahren im Bundesanzeiger: Ende 2010 betrugen die Forderungen des Fonds Österreich IV knapp 26 000 Euro, ein Jahr später mehr als 6,5 Millionen Euro. Ähnlich stand es um weitere Fonds. Wölbern bestritt das stets. Das Geld sei ausgeschüttet worden.

Kaum Chancen auf eine Entschädigung

Im März 2013 kündigte das Emissionshaus an, sich von fast allen Immobilien zu trennen. 1,4 Milliarden Euro sollte der Notverkauf bringen. Wölbern Invest hätte eine Provision von 3,5 Prozent zugestanden, 49 Millionen Euro. Der Verkauf scheiterte am Widerstand vieler Anleger. Kurz darauf, im September 2013, landete Schulte nach einer Razzia in Untersuchungshaft.

Seine Anwälte kündigten jetzt an, Revision einzulegen. Sie hatten Freispruch gefordert und kritisieren, das Beweismaterial sei nicht ausreichend gesichtet worden, ihr Mandant im Verfahren nicht genug zu Wort gekommen. "Wir werden sehen, was der Bundesgerichtshof davon hält", sagt Anwalt Wolf Römmig nach dem Urteil.

So oder so: Anleger haben kaum Chancen auf Entschädigung. Einige können froh sein, wenn sie nicht draufzahlen müssen, weil sie haftbar für ihre Verträge mit Fondsgesellschaften sind. Die wiederum könnten versuchen, das veruntreute Geld wiederzubekommen. Aber auch dafür sind die Aussichten schlecht. "Wir unternehmen nichts. Würde sich nicht lohnen", sagt Krüger, bevor er mit seiner Frau das Gericht verlässt.

Schulte selbst sagte am ersten Prozesstag im Mai 2014: "Ich habe mich weder privat bereichern noch Anleger vorsätzlich schädigen wollen." Nun sagt Anwalt Römmig, sein Mandant sei nicht überrascht vom Urteil. Er selbst schon. "Für eine Verurteilung ist das doch eine milde Strafe." Er sei von mindestens zehn Jahren ausgegangen.

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