Prozess gegen Nonnenmacher in Hamburg:Ehemaliger HSH-Bankenchef kommt vor Gericht

HSH-Nordbank-Untersuchungsausschuss - Nonnenmacher

Kommt vor Gericht: Ex-HSH-Nordbank-Chef Dirk Jens Nonnenmacher

(Foto: dpa)

Es wird der erste große Bankenprozess in Deutschland seit der Finanzkrise: Dirk Jens Nonnenmacher und fünf weitere Ex-Vorstände der HSH Nordbank kommen vor Gericht. Der Staat hatte die Landesbank mit Milliarden vor der Pleite gerettet.

Von Kristina Läsker, Hamburg, und Klaus Ott

Er kam als Feuerwehrmann zum Job des Vorstandschefs: als es "an allen Ecken lichterloh" brannte, wie er selbst sagte. Er ging als vermeintlicher Bösewicht, als immer mehr unappetitliche Affären die HSH Nordbank belasteten. Nun muss sich Dirk Jens Nonnenmacher, der Ex-Chef des staatlichen Geldinstituts, vor der Justiz für fragwürdige Geschäfte verantworten.

Das Landgericht Hamburg hat eine Anklage der Staatsanwaltschaft gegen sechs frühere HSH-Vorstände zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Der Prozessbeginn ist für Mitte Juli geplant. Veruntreuung von Bankvermögen in einem besonders schweren Fall, bei einem Überkreuzgeschäft namens "Omega 55", lautet der Hauptvorwurf. Die Beschuldigten weisen das zurück.

Dr. No, wie Nonnenmacher genannt wird, gilt in Hamburg und Schleswig-Holstein schon länger als Reizfigur. Die beiden Länder sind die Haupteigner der HSH Nordbank. Sie haben Milliardenbeträge in ihr Geldinstitut gepumpt, um es vor dem Ruin zu bewahren. Und sie hatten es irgendwann satt, dass ihre Bank sich in ständig neue Affären verstrickte. Falsche Kinderporno-Vorwürfe gegen einen HSH-Manager in der New Yorker Filiale; falsche Anschuldigungen gegen einen geschassten HSH-Vorstand aus Hamburg; eine von der HSH eingeschaltete Sicherheitsfirma, die heimlich eine Veranstaltung mit Kritikern der Bank beobachtete; dubiose Geschäfte in der Türkei; horrende Verluste.

Irgendwann war das Maß voll, Dr. No musste gehen. Auch wenn ihm die beiden Länder und der Aufsichtsrat kein persönliches Fehlverhalten anlasten konnten. Vier Millionen Euro Abfindung bekam Nonnenmacher, was ebenso viel Wirbel verursachte wir eine frühere Bonuszahlung von 2,9 Millionen Euro, die ihm trotz hoher staatlichen Hilfen für die Staatsbank gewährt worden war. Der Banker mit dem Pferdeschwanz, den er später abschnitt, stand als Abzocker da. Er habe einen "Feuerwehrjob mit extremer Belastung und unklarem Ausgang" übernommen, verteidigte sich der gelernte Mathematiker in der Öffentlichkeit.

Demnächst muss sich Nonnenmacher vor Gericht verteidigen. Ihm wird neben der Untreue auch noch unrichtige Darstellung, sprich Bilanzfälschung angelastet, zusammen mit dem früheren Vorstandskollegen Jochen Friedrich. Beide widersprechen heftig. "Eine falsche Bilanz ist keine gefälschte Bilanz", hatte Nonnenmacher schon früher erklärt. Auch den Vorwurf der Untreue lassen die sechs Angeklagten nicht gelten. Neben Nonnenmacher und Friedrich sind das noch Hartmut Strauß, Peter Rieck und Bernhard Visker sowie Nonnenmachers Vorgänger als Vorstandschef, Hans Berger.

Für die 606-seitige Anklage tauchten die Ermittler tief in die Geschehnisse im Herbst 2007 ein, als die große Bankenkrise begann. Damals hatte sich der HSH-Vorstand um die dünne Kapitaldecke der Staatsbank gesorgt und nach einer Chance gesucht, die Bilanz zu entlasten. Das war wichtig, weil die Bank an die Börse gehen wollte und unbedingt eine gute Beurteilung der Ratingagenturen brauchte.

Wird Nonnenmacher verurteilt, müsste er seine Millionen-Abfindung zurückzahlen

Die Lösung bot ein Überkreuzgeschäft: So versicherte die HSH ein milliardenschweres Immobilienpaket bei der französischen Großbank BNP Paribas gegen Verluste - und musste es deshalb nicht mehr mit Eigenkapital unterlegen. Das ließ die Bilanz besser aussehen. Im Gegenzug übernahm das norddeutsche Institut die Liquiditätsgarantie für ein Finanzvehikel namens Omega 55. Darin parkte die BNP Paribas riesige Pakete mit Ramschhypotheken. Ein folgenschwerer Deal: Die Pakete verloren während der Finanzkrise kräftig an Wert - und verursachten hohe Verluste. Allein auf Omega 55 musste die HSH mehr als 330 Millionen Euro abschreiben. Bei der endgültigen Auflösung der Omega-Geschäfte im Januar 2010 wurde zwar ein Teil wieder aufgeholt, es blieben laut Anklage aber 158 Millionen Euro Verlust.

Die Ermittler werfen den Angeklagten vor, das komplexe Geschäft im Dezember 2007 in einem Eilbeschluss durchgewunken zu haben. Die Fahnder bezweifeln, dass sich die Banker genügend Zeit für die Entscheidung genommen haben. Ob dem so war, muss nun das Hamburger Landgericht klären.

Rechtsanwalt Gerhard Strate hatte mit einer Strafanzeige, die insgesamt 12 Schriftsätze umfasste, die Ermittlungen in Gang gebracht. "Es ist der erste Prozess, in der ein kompletter Vorstand in die strafrechtliche Verantwortung genommen wird für Fehlentscheidungen während der Finanzkrise", sagt Strate. "Das Gerichtsverfahren wird Signalwirkung haben."

Die Anwälte der Angeklagten sehen das ganz anders. "Es liegt auf der Hand, dass von den politischen Kräften in Hamburg und Schleswig-Holstein der Versuch unternommen wird, die eigene Verantwortung für die Lage der HSH Nordbank auf die damaligen Vorstände abzuwälzen", sagt Norbert Gatzweiler aus Köln. Er vertritt den Beschuldigten Rieck. Einzelne Angeklagte haben frühzeitig erklärt, Omega 55 sei kein unübliches und auch kein hochriskantes Geschäft gewesen. Inzwischen wisse man, dass die Kreditvorlage deutliche Mängel aufgewiesen habe, auf deren Grundlage der Vorstand damals die Entscheidung getroffen habe.

Nonnenmachers Anwalt Heinz Wagner verweist auf seine früheren Stellungnahmen. Diese besagen, dass der ehemalige HSH-Chef sich stets rechtmäßig und korrekt verhalten habe. Das hätten mehrere Gutachten bestätigt, hatte Wagner bei früherer Gelegenheit erklärt.

Die Wahrheitssuche dürfte angesichts der komplizierten Materie schwierig werden und lange dauern. Das Gericht plant bereits Verhandlungstermine bis Ende 2013. Falls das nicht genügt, wird 2014 weiter verhandelt.

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