Prozess gegen Ex-Infineon-Chef:Bekenntnisse eines Sammlers

"Ich war und bin nicht käuflich": Der ehemalige Infineon-Chef Ulrich Schumacher weist vor Gericht den Vorwurf der Bestechlichkeit von sich - und geriert sich sich als Opfer einer Erpressung.

Thorsten Riedl

Er sei nie käuflich gewesen, erklärt Ulrich Schumacher, von 1999 bis 2004 Vorstandsvorsitzender von Infineon, am ersten Tag des Prozesses gegen ihn. Geld zwischen ihm und seinem Geschäftspartner Udo Schneider sei zwar geflossen - aber nur, um Oldtimer-Autos zu kaufen. Der "engste Freund" habe ihn dann erpresst.

Mehr als eine halbe Stunde hört Ulrich Schumacher der Verlesung der Anklage am Landgericht München I zu. Der Ex-Chef des Chipherstellers Infineon, der gefallene Börsenliebling, der nunmehr wegen Bestechung angeklagte Topmanager liest mit, markiert Textstellen und rückt seine Lesebrille zurecht. Nur einmal lässt er eine Gefühlsregung erkennen: Er lacht kurz auf, als in der Anklage die Rede darauf kommt, dass sein ehemaliger Geschäftspartner Udo Schneider ausgerechnet die Zahlungen an ihn nicht aufgezeichnet haben soll. Natürlich, so scheint sein Blick zu sagen, wie auch? "Ich war und bin nicht käuflich", erklärt er. "Ich habe niemals Bestechungsgelder entgegengenommen, verlangt oder erwartet." Schumacher sieht sich als Opfer.

Am Montag startete unter dem Vorsitz von Richter Peter Noll in München gegen Schumacher der spektakulärste Wirtschaftsprozess des Jahres. Der 51-Jährige - "Beruf: Geschäftsführer", sagt er - begann seine Karriere nach der Promotion Ende der 80er im Halbleiterbereich von Siemens, löste das Segment unter dem Namen Infineon vor zehn Jahren von der Konzernmutter und führte es während des Überschwungs um neue Technologien im März 2000 an die Börse. Noch bei Siemens hat Schumacher den Motorsportvermarkter Udo Schneider kennengelernt - mit Folgen: Schneider hat Sponsoringveranstaltungen bei Autorennen im Namen von zunächst Siemens, dann Infineon organisiert und soll Schumacher laut Anklage bestochen haben, um sich Aufträge zu sichern. Das Geld habe er übergeben in bar, teils in Tüten, im Münchener Restaurant Käfer etwa, an Flughäfen oder in Büros bei Infineon.

Schumacher bestreitet die Vorwürfe. Im Saal 173 des Strafjustizzentrums erhob er sich - dunkler Anzug und kurzgeschorenes, inzwischen leicht ergrautes Haar - um seine Darstellung frei vorzutragen. "Ich hätte mir gewünscht, dass mir dieses erspart bleibt", sagte er und spricht von einem Albtraum, der nun fünf Jahre dauere, also seit er von Vorstandskollegen bei Infineon gestürzt wurde. Er sieht sich getäuscht vom einstigen Geschäftspartner. "Udo Schneider war und ist bis zuletzt ein guter Freund gewesen", sagt Schumacher. "Höchstwahrscheinlich sogar mein engster." Er gibt zu, Bares bekommen zu haben, aber kein Schmiergeld. Es sei um Zahlungen gegangen für den gemeinsamen Kauf von Oldtimer-Fahrzeugen, eine ihrer Leidenschaften neben Reisen und Fastenkuren.

"Durch und durch falsch"

Schumacher besitzt mehr als 20 Oldtimer, sagt er, ein echter Sammler. Schneider dagegen habe sich bei drei alten Rennwagen beteiligt, weil er auf Wertsteigerungen gehofft habe. Beim Kauf hat Schneider demnach jeweils einen Teil der Summe in bar übernommen und sei so Miteigentümer geworden. "In den überwiegenden Fällen ist ein Bargeldanteil gewünscht", erklärte Schumacher das Oldtimer-Geschäft. Er habe den übrigen Betrag von seinem Konto überwiesen und Kosten für die Instandsetzung der Fahrzeuge getragen. Quittungen gebe es keine. "Dass Beteiligungen in Bestechungsgeld umgewandelt werden, hatte ich nicht vorausgesehen."

Schumachers Ex-Vorstandskollege Andreas von Zitzewitz hat bereits vor drei Jahren gestanden, Geld von dem Werbevermittler angenommen zu haben. Schneider selbst hat den Vorwurf der Bestechung in einem Prozess ebenso 2006 eingeräumt und bekam eine vierjährige Gefängnisstrafe. Mit seiner Aussage hatte er auch Schumacher belastet. Dieser erklärte nun, die Vorwürfe des einstigen Freundes seien "durch und durch falsch". Warum sich Schneider selbst belasten sollte, machte er nicht deutlich.

Nach seiner Darstellung hat er den Geschäftspartner auch finanziell unterstützt und ihm etwa für seine Verteidigung vor Gericht ein Darlehen über 400.000 Euro gewährt. Schneiders Anwälte hätten später mehr Geld gefordert und erkennen lassen, dass ihr Mandant andernfalls sein "Aussageverhalten ändern" könnte. Das habe er als "eindeutige Erpressung" gewertet und abgelehnt, sagt Schumacher, der nun eine chinesische Chipfirma leitet. Von Donnerstag dieser Woche an ist Schneider für drei Verhandlungstage als Zeuge geladen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: