Prozess gegen ehemalige BayernLB-Manager:Ein Mittelmeerhafen für Österreich

Das Debakel um die Übernahme der österreichischen Hypo Alpe Adria kostete die bayerischen Steuerzahler Milliarden. Nun müssen sich die ehemaligen BayernLB-Vorstände dafür vor Gericht strafrechtlich verantworten. Fragen und Antworten zum Prozess.

Von Benjamin Romberg und Anna Fischhaber

Das Desaster um die österreichische Bank Hypo Alpe Adria hat auch einige launige Geschichten hervorgebracht. So etwa diese: Als der österreichische Staat die Krisenbank im Jahr 2009 mangels Alternativen übernehmen musste, hatte er plötzlich nicht nur Milliardenlasten an der Backe, sondern auch erstmals seit langer Zeit wieder einen Meereshafen. Einen mondänen Yachthafen, um genau zu sein, im malerischen Küstenort Novigrad an Kroatiens Adriaküste. Die Bank hatte die Konzession dafür eher unfreiwillig erhalten, weil ein Kreditnehmer nicht zahlen konnte.

Wirklich gefreut haben dürfte sich in Österreich niemand über die neue Dependance an der Adria, schließlich kostete sie den Staat viel Geld. Und auch sonst kennt die Geschichte um die Hypo Alpe Adria eigentlich nur Verlierer - auch in Bayern. Doch erst jetzt gehen Richter im Freistaat der Frage nach, wer sich für das Debakel um die Übernahme der Hypo Alpe Adria durch die BayernLB verantworten muss. Am Montagmorgen begann vor dem Landgericht München der Strafprozess gegen sieben ehemalige Manager der Landesbank. Das Medieninteresse ist groß, mehr als 180 Journalisten, Fotografen und Kameraleute haben sich angekündigt. Worum geht es in dem Prozess?

Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Worum geht es in dem Prozess?

Es geht um einen der größten Fehler in der Geschichte der Bayerischen Landesbank. Am 22. Mai 2007 unterschrieben die Verantwortlichen der BayernLB einen Kaufvertrag für das Kärntner Institut Hypo Alpe Adria. Kaufpreis: Etwa 1,7 Milliarden Euro. Geplant war die Expansion nach Osteuropa, wo die österreichische Bank viele Filialen hatte. Doch es kam anders. Der Deal entpuppte sich als Flop, die Hypo Alpe Adria häufte Milliardenverluste an. Nach nur zweieinhalb Jahren musste die BayernLB das Institut wieder verkaufen - zum symbolischen Preis von einem Euro. Das Land Österreich verstaatlichte die Krisenbank.

Was waren die Folgen?

Die BayernLB stand während der Finanzkrise kurz vor der Pleite, der Freistaat Bayern musste einspringen. Mehr als drei Milliarden Euro kostete die Rettung die Steuerzahler. Auch in Österreich verursachte die Notverstaatlichung der Hypo Alpe Adria Milliardenkosten. Die BayernLB wurde nach der Rettung radikal geschrumpft: Filialen mussten geschlossen werden, viele Stellen wurden gestrichen. Von den ursprünglich etwa 20.000 Mitarbeitern - die Beschäftigten der Hypo Alpe Adria mit eingerechnet - sind noch weniger als die Hälfte übrig. Noch immer ist die Landesbank zu 75 Prozent in Staatsbesitz.

Was wird den Managern vorgeworfen?

Die ehemaligen Vorstände der BayernLB sollen vor dem Kauf der Hypo Alpe Adria Risiken missachtet und so ihre Pflicht als Verantwortliche der Bank verletzt haben. Zum Zeitpunkt der Übernahme seien die Probleme bei den Österreichern längst bekannt gewesen, argumentiert die Staatsanwaltschaft. Der Vorstand soll einen viel zu hohen Preis gezahlt und seinem Institut so einen immensen Verlust beschert haben. Und es gibt noch einen zweiten Vorwurf: Der damalige Kärnter Regierungschef Jörg Haider soll von vier Vorständen der BayernLB bestochen worden sein. Sein Land verkaufte die meisten Anteile, Haider hatte sich für den Deal stark gemacht. 2,5 Millionen Euro sollen in das Fußballstadion in Klagenfurt geflossen sein.

Die Angeklagten streiten die Vorwürfe ab. Unter ihnen befindet sich der frühere BayernLB-Chef Werner Schmidt und Michael Kemmer, damals Finanzchef der Landesbank. Für ihn ist der Prozess besonders unangenehm, da er als Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken als einziger der Beschuldigten noch ein prominentes öffentliches Amt ausübt. Kemmer bezeichnete den Deal als "unternehmerische Fehlentscheidung", sieht aber keine Pflichtverletzung durch den Vorstand.

Wie läuft der Prozess ab und wie stehen die Chancen?

70 Verhandlungstage sind bis zum Jahresende angesetzt. Bemerkenswert ist aber vor allem, was sich im Vorfeld des Prozesses unter den Juristen abgespielt hat. Während der Fall für die Staatsanwaltschaft klar ist, äußerten die Richter deutliche Zweifel an den Vorwürfen. Der Vorsitzende Richter Joachim Eckert wollte den Kern der Anklage gar nicht erst verhandeln. Man könne keine Pflichtverletzung feststellen, teilte seine Kammer mit, nachdem die Juristen die 474 Seiten starke Anklage durchgesehen hatten. Die Staatsanwaltschaft protestierte beim Oberlandesgericht und hatte Erfolg. Das Landgericht München muss sich nun mit der Anklage befassen.

Wie dieser Streit zu deuten ist, darüber gibt es verschiedene Ansichten. Die einen werten die Haltung des Landgerichts als gutes Zeichen für die Angeklagten - die anderen sehen in der Einmischung des Oberlandesgerichts eine Richtungsentscheidung durch eine höhere Instanz, die der Anklage zum Vorteil gereichen könnte.

Was hat die CSU mit der Sache zu tun?

Als die Landesbankaffäre 2010 hochkochte, stürzte die CSU in einer Wahlumfrage auf 41 Prozent ab. Damals unvorstellbar für eine Partei, für die jahrzehntelang 50 plus X Alltag war. Mit dem Prozess holt die Partei nun die Vergangenheit ein - und das kann für die CSU, die die Wirtschafts- und Finanzpolitik als ihre Kernkompetenz sieht, durchaus unangenehm werden. Der Kauf der Hypo Alpe Adria soll von der damaligen CSU-Regierung unter Edmund Stoiber gewollt gewesen sein.

Vor Gericht müssen nun einige ehemalige CSU-Größen als Zeugen aussagen - unter ihnen der frühere Finanzminister Kurt Faltlhauser und Ex-Ministerpräsident Günter Beckstein. Ärger gab es bereits im Vorfeld: Die Richter sollen nach SZ-Informationen gerügt haben, dass Staatsanwälte die CSU bei den Ermittlungen schonten. Die Staatsanwaltschaft hatte die Ermittlungen gegen den mit Politikern besetzten Verwaltungsrat eingestellt, diesen treffe keine Schuld, er sei vom Vorstand getäuscht worden, so die Argumentation. Die Verteidiger werden nun wohl die politische Verantwortung betonen und die CSU-Prominenz genau befragen wollen.

Ministerpräsident Horst Seehofer hatte sich bereits vor einigen Tagen in einem Parallelverfahren als Zeuge zu dem Fall geäußert. Nach eigener Aussage habe er vor Gericht erklärt, dass es sich um mehrere Jahre alte Vorgänge handele - "eine Ewigkeit im Leben eines Ministerpräsidenten". Der Prozess jetzt in München wird ihn persönlich kaum unter Druck setzen. Die "alte CSU" hat Seehofer schon lange als eines seiner größten Probleme ausgemacht. Und er hat es geschafft, dass man die Affäre zumindest mit ihm und seiner heutigen CSU kaum mehr in Verbindung bringt.

Welche Prozesse laufen noch?

Der Strafprozess in München ist bei weitem nicht die einzige juristische Auseinandersetzung rund um den Fall Hypo Alpe Adria. Die BayernLB hat in einem Rundumschlag mehrere Zivilprozesse angestrengt. Das Institut will 200 Millionen Euro Schadensersatz von den ehemaligen Managern, der Prozess, in dem Seehofer ausgesagt hat, läuft bereits seit 2012, vor Gericht mussten die Beschuldigten in diesem Fall allerdings nicht erscheinen. Auch von den damaligen Chefaufsehern im Verwaltungsrat fordert die BayernLB Schadensersatz, zudem verlangt die Landesbank zwei Milliarden Euro von der ehemaligen Problemtochter Hypo Alpe Adria, dabei geht es um einen Kredit, den die Bayern den Österreichern gewährt hatten.

In einem vierten Prozess geht es um Schadensersatzforderungen gegen einen der früheren Hypo-Eigentümer, der vor der Übernahme falsche Zahlen präsentiert haben soll. Sollte dieses Verfahren zugunsten der BayernLB ausgehen, droht den österreichischen Steuerzahlern neuer Ärger. Dann nämlich könnte auch noch das Bundesland Kärnten als Hauptverkäufer ins Visier der BayernLB-Juristen geraten.

Mit Material von dpa und Reuters.

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