80 Prozent mehr Honorar:Geldspritzenkur für Hausärzte

Praxisärzte haben massive finanzielle Nachteile gegenüber Fachmedizinern. Das wollen die niedergelassenen Ärzte jetzt ändern: Sie verlangen 18 Milliarden Euro mehr von den Kassen. Ein Plus von mehr als 80 Prozent. Ein Verlierer steht schon fest: der Versicherte.

Andreas Hoffmann

Wenn Ulrich Weigeldt über diesen Donnerstag und seinen Auftritt in einem Berliner Hotel grübelt, dann denkt er an ein Fußballspiel und sagt: "Man weiß nicht, wie es ausgeht." Im schlimmsten Fall droht dem Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) das Schicksal eines erfolglosen Trainers: der Rausschmiss.

Die KBV, der oberste Zusammenschluss der niedergelassenen Ärzte, plant eine kleine Revolution, die Delegierten wollen auf dem Treffen ihren Vorstand abwählen. Nun sind Streitereien unter Medizinern Alltag im Gesundheitswesen, das Besondere diesmal ist, dass es um viel Geld geht. Nebenbei wollen die Ärzte nämlich 18 Milliarden Euro mehr von den Kassen, was einem Plus von mehr als 80 Prozent gleichkommen würde. Im vergangenen Jahr überwiesen die Kassen 22,2 Milliarden Euro Honorar an die Praxisärzte.

Der Hintergrund des Konflikts ist nicht leicht zu verstehen. Es hat mit dem Verhältnis zwischen Haus- und Fachärzten zu tun, mit dem Machtspiel einzelner Verbände, persönlichen Eitelkeiten und den komplizierten Honorarregeln der Ärzte.

Die Vergütung muss sich man sich so vorstellen: Die Kassen backen einen Kuchen und schicken ihn an die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) - die regionalen Ableger der KBV. Diese schneiden den Kuchen auf und legen die Stücke für Allgemeinmediziner, Orthopäden oder Augenärzte fest. Darüber gab es lange Streit, weil die Hausärzte teilweise gegenüber Fachmedizinern benachteiligt wurden. Dies hing auch mit der Art zusammen, wie sich die Medizin entwickelt hat. Wer dem Kranken mit Röntgengerät oder anderen Apparaten zu Leibe rückte, wurde oft besser bezahlt, als wenn er nur der Leidensbeichte des Patienten lauschte. Dabei wissen Experten heute, dass das einfühlsame Gespräch besonders wichtig ist, um den Kranken zu heilen.

Große Unterschiede

Diverse Gesundheitsminister von Horst Seehofer über Andrea Fischer bis hin zu Ulla Schmidt versuchten die Honorar-Nachteile abzumildern. Dennoch bestehen weiter Unterschiede. Im Jahr 2004 erzielte der durchschnittliche Fachmediziner laut KBV einen Umsatz von 226.585 Euro, während der Hausarzt nur auf 176.098 Euro kam. Dabei muss man aber berücksichtigen, dass Fachärzte oft höhere Kosten haben, weil sie die Apparate vorhalten müssen. Durch die Gesundheitsreform könnte sich nun das Honorargefüge weiter ändern, sieht sie doch neue Vergütungsregeln vor. Dabei sollen die Mediziner stärker pauschal bezahlt werden, heute rechnen sie oft Leistungen, wie etwa Ultraschall, einzeln ab.

Die Hausärzte haben ein Modell ins Spiel gebracht, das ihnen Mehreinnahmen von mehr als neun Milliarden Euro bescheren würde. Die Fachärzte befürchten nun benachteiligt zu werden und dringen darauf, dass sie ähnlich viel Geld von den Kassen bekommen - was die Forderung von 18 Milliarden erklärt.

Hinzu kommt noch ein Problem. Die neuen Regeln könnten die KV entmachten. Künftig sollen sie nicht mehr allein die Kassengelder verteilen, sondern die hausärztlichen Verbände beteiligt werden. All dieser Streit um Macht und Geld macht sich an Ulrich Weigeldt fest, der im KBV-Vorstand für die Hausärzte sitzt. Das andere Vorstandsmitglied, Andreas Köhler, der die Fachmediziner vertritt, ist dagegen weniger umstritten.

Egal wie der Ärztestreit ausgeht - ein Verlierer steht fest: der Versicherte. Er muss die steigenden Honorare über seine Beiträge zahlen - auch wenn das Plus vermutlich viel niedriger als 18 Milliarden ausfallen wird.

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