Protokoll:Die Tänzerin

Monika Koch ist 69 Jahre alt und hat sich selbständig gemacht, als sie vor vier Jahren in Rente ging. Ihr neuestes Vorhaben: Sie will Managern Tango-Kurse geben. Das wollte sie schon früher, hat sich aber nicht getraut.

Von Christian Endt

Monika Koch, 69, aus Oberursel im Taunus: "Ich bin seit vier Jahren in Rente, habe aber nie aufgehört zu arbeiten. Stattdessen habe ich mich nach dem Ausscheiden aus dem Beruf mit 65 Jahren selbständig gemacht. Ich konnte mir nicht vorstellen, von einem Tag auf den anderen nicht mehr zu denken, nicht mehr zu vernetzen. Ich bin noch fit und habe so viele Ideen, die ich umsetzen möchte. Warum sollte ich mich zur Ruhe setzen?

Angefangen habe ich mein Berufsleben mit einer Lehre als Großhandelskauffrau, weil ich als Sekretärin arbeiten wollte. Bald habe ich aber gemerkt, dass mir das nicht genug ist, und mich zur staatlich geprüften Betriebswirtin weitergebildet. Als Schwerpunkt habe ich dabei Marketing gewählt, und das ist bis heute meine Leidenschaft. Anschließend habe ich für verschiedene Firmen in der Tourismusbranche gearbeitet. Ich war bei einer Fluggesellschaft tätig, bei einem Reiseveranstalter und bei einem Franchise-Unternehmen für Reisebüros. Dort hatte jeweils ich verschiedene Führungspositionen inne. Führen heißt für mich gestalten und kommunizieren, und dort sehe ich meine Stärken.

Die Sicherheit der Rente ermöglicht mir jetzt, wunderbare Dinge zu machen. Ich wollte mich schon viel früher selbständig machen, habe mich aber nie getraut. Jetzt berate ich die Führungskräfte von Unternehmen aus der Touristikbranche. Ich bringe Erfahrung mit und kenne die Prozesse, bin nun aber auch weit genug weg vom Tagesgeschäft, um neue Ideen und Sichtweisen reinzubringen. Gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen sind die Führungskräfte ja oft sehr stark ins operative Geschäft eingebunden und haben zu wenig Zeit, um über strategische Dinge nachzudenken. Außerdem arbeite ich als Gastdozentin an einer privaten Hochschule.

Und natürlich habe ich auch Interessen neben der Arbeit. Ich interessiere mich zum Beispiel für Sprachen und Theater, mache fünfmal die Woche Sport: Laufen, Radfahren, Schwimmen. Aber Entspannung brauche ich doch nur, wenn vorher Spannung da ist. Besonders gern tanze ich Tango. Ich bin gerade dabei, auch das zum Beruf zu machen und Tango-Seminare für Manager anzubieten. Die Idee dahinter: Führen lernt man nur durch Führen. Beim Tanzen führt man die ganze Zeit. Ehrenamtlich engagiere ich mich als Mentorin und helfe Schülern bei der Berufsorientierung.

Hätte ich erst mit 67 oder noch später in Rente gehen können, wäre ich wohl länger in der Firma geblieben. Oder ich hätte mich trotzdem selbständig gemacht, wer weiß. Natürlich werde ich mich irgendwann ganz zur Ruhe setzen: Wenn ich keine Ideen mehr habe, wenn ich keine Freude mehr habe, wenn keiner mehr was von mir will. Aber wann das so weit ist? Keine Ahnung."

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