Protokoll:Der Reisende

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Peter Brülls, 63, besucht nun öfter Freunde in Südasien. Er hat schon vor ein paar Jahren, als er noch für MAN arbeitete, ein wenig Hindi gelernt. Das will er nun vertiefen. Und wenn seine Frau in drei Jahren in Rente geht, wollen sie reisen.

Von Christian Endt

Peter Brülls, 63, aus Friedberg bei Augsburg: "Ich bin am 1. Oktober in Ruhestand gegangen. Und direkt am nächsten Tag ins Flugzeug gestiegen. Seither reise ich durch Südasien. Vorher habe ich als Physiker knapp 30 Jahre bei MAN gearbeitet, zuletzt war ich fast 20 Jahre für den Bereich Gewährleistungen verantwortlich und habe ein Team von etwa 20 Mitarbeitern geleitetet. Das war eine tolle, intensive Zeit. Aber ich habe auch viele andere Interessen, für die ich jetzt endlich mehr Zeit haben möchte.

Ich interessiere mich sehr für Südasien, insbesondere für Pakistan, Indien und Nepal. Schon vor dreißig Jahren habe ich ein bisschen Hindi gelernt, das möchte ich jetzt vertiefen und ausbauen. Im Norden Pakistans habe ich viele Freunde, die ich nun öfter besuchen möchte. Einige von ihnen betreiben dort ein Unternehmen, das Trekkingtouren für Touristen anbietet. Ich könnte mir vorstellen, jedes Jahr für zwei oder drei Monate dort zu sein und geführte Touren für deutsche Touristen anzubieten. In Indien haben wir außerdem zwei Patenkinder, die dort in Heimen leben, auch die möchte ich gerne öfter besuchen.

Insgesamt habe ich vor, drei bis vier Monate im Jahr unterwegs zu sein und die restliche Zeit zu Hause in Deutschland bei meiner Familie zu verbringen. Ich habe drei Töchter im Alter von 20 bis 29 Jahren. Meine Frau ist jetzt 60 und leitet eine Einrichtung für körperlich schwerst behinderte Menschen. In drei Jahren geht auch sie in Rente. Zum Glück ist sie genauso reisefreudig wie ich.

Außerdem schreibe ich gern. Letztens habe ich bei einem Wettbewerb ein Gedicht eingereicht, das nun in einem Sammelband abgedruckt wird. Vielleicht engagiere ich mich in Zukunft auch stärker ehrenamtlich.

Ich habe lange darüber nachgedacht, wie ich den Übergang in diese neue Lebensphase am besten gestalte. Wäre ich einfach zu Hause geblieben, wären meine Gedanken wohl sehr schnell wieder bei der Arbeit gewesen. Sofort auf Reisen zu gehen, war genau die richtige Entscheidung. Hier habe ich genügend Abstand und konnte in Ruhe darüber nachdenken, wie ich meinen Ruhestand verbringen will. Das war eine bewusst überlegte Strategie. Jetzt habe ich das Gefühl, das Berufsleben hinter mir gelassen zu haben. Der Lackmustest wird sein, wenn ich kurz vor Weihnachten nochmals meine ehemaligen Kollegen besuche. Dann gebe ich auch mein Firmennotebook zurück.

Grundsätzlich denke ich, dass das Rentensystem flexibler werden muss. Wenn jemand länger arbeiten möchte, sollte das möglich sein, aber freiwillig bleiben. Und man sollte dann auch keinen Anspruch haben, seine alte Position zu behalten. Sonst haben Jüngere keine Chance zum Aufstieg."

© SZ vom 06.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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