Protektionismus:Deutschlands Industrie fürchtet den Trump-Schock

Containers and cars are loaded on freight trains at the railroad shunting yard in Maschen near Hamburg

Transportgut bereit zur Weiterfahrt: Bahnfracht in Maschen bei Hamburg.

(Foto: REUTERS)

Die USA sind der wichtigste Exportmarkt der deutschen Wirtschaft. Ein Handelskrieg wäre fatal. Bei den Unternehmen lautet die Devise nun: reden, hoffen, bangen.

Von Elisabeth Dostert und Thomas Fromm

Wenn man für eine Handelskammer arbeitet, die die Stärkung der Partnerschaft zwischen Deutschland und Amerika zu ihrer Mission erklärt, dann hat man ein Problem, und dieses Problem heißt: Donald Trump. Im Leben von Bernhard Mattes haben die Vereinigten Staaten schon immer eine große Rolle gespielt. Er war 14 Jahre lang Chef des US-Autobauers Ford in Deutschland und ist heute Präsident der Amerikanischen Handelskammer (AmCham) in Frankfurt. In diesen Tagen spricht er noch mehr als sonst mit Amerikanern und Deutschen: "Eines ist zurzeit gewiss: Das alles ungewiss ist", sagt er. Niemand könne "abschätzen, welche Folgen die Präsidentschaft in Zukunft für die eigene Unternehmensplanung haben wird".

Wie unsicher die Zeiten sind, hat sich zu Beginn dieser Woche gezeigt. Peter Navarro, Chefberater von Trump in Handelsfragen, griff Deutschland massiv an: Mithilfe des billigen Euros beuteten die Deutschen andere Länder - darunter die USA - aus. Das Freihandelsabkommen TTIP sei wegen der deutschen Exportüberschüsse gescheitert. Das war nicht weit vom Vorwurf der "Währungsmanipulation", der Sanktionen nach sich ziehen könnte. Die USA, bisher Traumhandelspartner der Deutschen, ist über Nacht zum potenziellen Gegner in einem Handelskrieg geworden. Es geht dabei um viel. 2015 importierten die USA deutsche Waren für 114 Milliarden Dollar - mehr als jedes andere Land.

Der Gezeitenwandel in den transatlantischen Beziehungen könnte als erstes die deutsche Autoindustrie treffen: Trump will die Industriebrachen der alten Autostadt Detroit zu neuem Leben erwecken und Arbeitsplätze schaffen. Deshalb fürchten die europäischen Autokonzerne, dass sie es ab sofort sehr schwer haben werden auf dem US-Markt.

Trump, ein Präsident, der sich nicht besonders für Freihandel interessiert, fordert nun Strafzölle von 35 Prozent für BMW-Autos, wenn der Konzern sein Werk in Mexiko zu Ende baut und nach 2019 Autos von dort in die USA exportieren will. Noch, sagt Mattes, habe niemand seine Pläne komplett umgestellt. "Und das ist auch gut so: Unternehmen werden nicht von der Hand in den Mund geführt, Investitionen müssen langfristig geplant sein. Allerdings würde ich kurzfristige Entscheidungen jetzt hinauszögern, um erst einmal mehr Klarheit zu haben."

Ein fataler Fehler wäre es, unternehmerische Entscheidungen politischem Kalkül unterzuordnen. BMW habe es richtig gemacht, an dem Fabrikbau-Projekt in San Luis Potosí festzuhalten, trotz der Kritik aus dem Trump-Tower. Man sollte sich "gut überlegen, ob man als Manager oder Unternehmer langfristige Strategien zugunsten kurzfristiger Erfolge opfern will", mahnt Mattes. BMW selbst gibt sich gelassen. Firmenchef Harald Krüger sagte am Mittwoch, BMW kenne sich als weltweit tätiger Konzern mit den Herausforderungen des Protektionismus aus. Man werde an den Investitionsplänen festhalten, in Mexiko ebenso wie in Spartanburg (South Carolina), dem größten BMW-Werk weltweit.

Viele deutsche Firmen liefern Maschinen, die in den USA nicht mehr hergestellt werden

Kein Unternehmen werde Standortentscheidungen wegen der Äußerungen Trumps revidieren, sagt auch Carl Martin Welcker, Unternehmer und Präsident des Verbandes des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus (VDMA). Die Reichweite solcher Investitionen gehe weit über die Amtszeit eines US-Präsidenten hinaus.

Mattes und Welcker, beide mit einigem Einfluss in der Wirtschaft, treibt die Frage um, wie es unter Trump weitergehen soll. Welcker lässt sich Zeit mit der Antwort. "Ich habe mir Mäßigung auferlegt", sagt er. Und dann: "Die Kanzlerin macht das exzellent. Wir müssen nach Anknüpfungspunkten suchen." Die Präsidentschaft Trumps ist jedenfalls ein Einschnitt für eine Branche wie den deutschen Maschinenbau, der von offenen Märkten lebt. Welcker ist betroffen, sagt er: "Ich hatte gehofft, dass der mächtigste Mann der Welt vorsichtiger und umsichtiger sein Amt antritt. Trump macht Deals. So kann man kein Land führen."

Handelskammer-Präsident Mattes hat jetzt viel in den USA zu klären. Er sucht das Gespräch mit Politikern, Diplomaten, Managern, auch vor Ort. Kommunikation ist jetzt alles. "Ich sehe durchaus die Gefahr, dass die guten deutsch-amerikanischen Beziehungen Schaden nehmen könnten", sagt er. "Wir müssen überzeugen und unser Netzwerk in den USA nutzen. Wir als Kammer sagen ganz klar: 'America first' ist in einer einseitigen Form nicht zum Vorteil der Amerikaner."

Selbst der Sauerkraut-Lieferant Hengstenberg ist abhängig von den USA

Reden, hoffen, bangen: Welcker setzt darauf, dass manches, was Trump angekündigt hat, irgendwann an Schärfe verliert. "Selbst wenn seine Berater ihn nicht überzeugen können oder wollen, werden ihn die Republikaner im Kongress bremsen, die Demokraten sowieso." Die Abschottung des US-Marktes habe nichts mit dem zu tun, wofür die Republikaner stehen. Und mit den Grundsätzen der Welthandelsorganisation WTO, deren Gründungsmitglied die USA sind, seien die Pläne auch nicht vereinbar. Wenn er Zölle auf Importe aus Mexiko erheben wollte, müsste er das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (Nafta) aufkündigen. "Das geht nicht von heute auf morgen. Da bräuchte Trump die Zustimmung von Kongress und Senat", glaubt der VDMA-Präsident. "Die kriegt er nicht."

BMW, Daimler, VW, Siemens, aber auch BASF und selbst der Sauerkraut-Lieferant Hengstenberg machen in den USA einen wichtigen Teil ihres Geschäfts. Über die Jahre sind dabei verlässliche Beziehungen entstanden; daher sieht Welcker für den deutschen Maschinenbau gar nicht so schwarz. "Viele Deutsche liefern Maschinen, die nach Jahren der Deindustrialisierung in den USA gar nicht mehr hergestellt werden." Das gelte auch für seine eigene Firma: Welcker ist geschäftsführender Gesellschafter der Kölner Schütte-Gruppe, sie stellt Maschinen her, auf denen die Abnehmer dann Zündkerzen, Einspritzdüsen, Zahnprothesen, Kniegelenke oder Kugellager fertigen. "Es gibt in den USA überhaupt keinen Hersteller von Mehrspindeldrehautomaten mehr", sagt er.

Welcker war gerade in den USA. Er ist dort häufiger, seine Frau ist Amerikanerin. "Wir haben für Freunde und Bekannte einen Koffer voll mit Trump-Perücken und Baseball-Kappen mitgebracht. Die sind der Renner." Alles für den Kölner Karneval. Nur eines steht für den Karnevalisten Welcker schon fest: Als Donald Trump wird er sich nicht verkleiden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: