ProSiebenSat.1:"Setzen, Sechs!"

Aufgebrachte Anleger: Aktionärsschützer haben die Hauptversammlung von ProSiebenSat.1 genutzt, um mit dem Vorstand und den Großaktionären abzurechnen.

"Setzen, Sechs!" sagte Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) unter dem Beifall der nicht stimmberechtigten Kleinaktionäre am Dienstag in München. Mit der Ausschüttung einer gewaltigen Dividende trotz katastrophaler Geschäftszahlen und Rekordschulden seien die Finanzinvestoren Permira und KKR davor, ihre Melkkuh zu schlachten.

ProSiebenSat.1: Von wegen Schattenmann: der Vorstandsvorsitzende Guillaume de Posch.

Von wegen Schattenmann: der Vorstandsvorsitzende Guillaume de Posch.

(Foto: Foto: dpa)

Auch der Vorsitzende der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK), Klaus Schneider, zeigte sich empört. Die Bilanz sei ein reiner "Schönwetterabschluss", die Dividende übersteige den Jahresgewinn und sei maßlos. Die Geschäftseinbrüche im laufenden Jahr seien massiv. Die Folge sei ein "hausgemachtes Kursdesaster", sagte Schneider. Angesichts immer neuer Sparrunden bei einem "schon ziemlich ausgequetschten Unternehmen" bezweifle er, dass ProSiebenSat.1 die angestrebte Führungsposition in Europa erreichen könne.

Beunruhigte Aktionäre

Bergdolt warnte die Kleinaktionäre unter großem Beifall der anwesenden 250 Anleger: "Vorsicht bei ProSiebenSat.1!" Der Konzern sei ein Paradebeispiel für beherrschende Großaktionäre, "die das Wohl des Unternehmens nur partiell im Auge haben". KKR und Permira hätten ihre europäische Sendergruppe SBS zu einem "grenzwertig teuren" Preis an ProSiebenSat.1 verkauft und den Konzern "bis über den Kopf verschuldet". "Die aufgebürdete Verschuldung ist so hoch, dass man als freier Aktionär nur beunruhigt sein kann", sagte Bergdolt.

Der scheidende Finanzchef Lothar Lanz sagte, der Schuldenberg sei weiter gestiegen auf 3,4 Milliarden Euro. Trotzdem will der Konzern 270 Millionen Euro Dividende zahlen - mehr als den gesamten Jahresgewinn von 249 Millionen Euro.

Vorstandschef Guillaume de Posch verteidigte das ungewöhnliche Vorgehen: "ProSiebenSat.1 ist ein kerngesundes Unternehmen." Der neue Sparplan mit einem Volumen von 70 Millionen Euro werde nicht zu Lasten des Programms gehen. Nur RTL investiere mehr ins Programm.

Bergdolt sagte, die Dividende sei nur noch so zu erklären, "dass die Großaktionäre Geld brauchen". Der Medienkonzern sei intransparent geworden: "Mir fehlen nicht nur Strategien, mir fehlen Zahlen, mir fehlen Fakten", sagte die Aktionärsschützerin.

Ein Kleinaktionär riet dem Aufsichtsratschef und Permira-Partner Götz Mäuser, sich die TV-Serie "Schuldnerberatung" anzusehen.

"Die Delle werden wir nicht ausgleichen können"

Posch sagte, trotz roter Zahlen im ersten Quartal wolle ProSiebenSat.1 das Vorjahresergebnis übertreffen. Der Konzern habe zwar auch im zweiten Quartal Einbußen im deutschen TV-Markt. "Die Delle des ersten Halbjahres in unserem deutschen Werbegeschäft werden wir nicht ganz ausgleichen können", sagte Posch. Aber wegen der wachsenden Werbemärkte im Ausland gehe er davon aus, "dass die Gruppe im Gesamtjahr Umsatz und Ergebnis steigern wird".

Die sinkende Nachfrage nach Werbezeiten und die Quotenschwäche des Senders Sat1. hatten dem Konzern im ersten Quartal einen Umsatzrückgang auf 729 Millionen Euro, einen Vorsteuerverlust von 8,5 Millionen Euro und einen Kurseinbruch um 25 Prozent beschert. Inzwischen habe Sat.1 aber bei den Marktanteilen den größten Sprung nach vorn gemacht, sagte Posch: "Sat.1 ist kein Sorgenkind mehr".

Konzentration auf das Wesentliche: Der Konzern prüft den Verkauf von Aktivitäten in Skandinavien und den Niederlanden. Diese Teile gehörten nicht zum Kerngeschäft, sagte der scheidende Finanzchef Lothar Lanz. "Dazu zählen die unter der Marke C-More in Skandinavien betriebenen Pay-TV-Sender sowie das niederländische Verlags- und Druckunternehmen Veronica, das unter anderem die TV-Zeitschrift Veronica herausbringt, den Marktführer im Bereich Programmzeitschriften in Holland." Eine endgültige Entscheidung sei noch nicht gefallen, sagte Lanz vor den Aktionären.

Potenzielle Verkaufserlöse sollen in den Schuldenabbau fließen. Die Verbindlichkeiten waren 2007 wegen der Übernahme der europäischen Senderkette SBS in die Höhe geschossen und liegen derzeit bei rund 3,4 Milliarden Euro.

Die Private-Equity-Gesellschaften Permira und KKR halten 62,7 Prozent des Grundkapitals und 100 Prozent der Stammaktien sowie 25,3 Prozent der Vorzugsaktien an dem im MDax notierten Unternehmen. 74,7 Prozent der Vorzugsaktien befinden sich im Streubesitz.

Permira und KKR stehen seit mehreren Wochen massiv in der Kritik, weil sie trotz einer Schuldenlast von 3,6 Milliarden Euro für das Jahr 2007 eine hohe Dividende verlangen.

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