Prognosen:Angst vor der Rezession

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Die Finanzwelt ist sich nicht einig, wie es nach den Anschlägen in den USA mit der Wirtschaft weitergeht.

Nach der vollständigen Zerstörung des New Yorker World Trade Centers und weiteren Anschlägen von bisher unbekannten Terroristen waren die Aktienmärkte weltweit deutlich ins Minus gerutscht.

Die Anleger flüchteten in als krisensicher geltenden langfristigen Anlagewerte und Gold.

Der Dollar verlor gegen den Yen, den Euro und andere wichtige Währungen. Der Rohölpreis war zwischenzeitlich sprunghaft angestiegen, dann aber wieder etwas - wenngleich auf ein immer noch hohes Niveau - zurückgegangen.

Wie Wirtschaftsexperten die Zukunft einschätzen:

Es kommt zu keiner weltweiten Wirtschaftskrise

Bundesregierung

Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) bezeichnete Warnungen über eine weltweite Wirtschaftskrise am Mittwoch als "Quatsch". Das zeige die Stabilität des internationalen Finanzsystems. "Durch Taten von Verrückten kann die Weltwirtschaft nicht beeinflusst werden", betonte Eichel. Er trat den pessimistischen Äußerungen von Analysten und Volkswirten aus verschiedenen Ländern ungewöhnlich deutlich entgegen: "Die größte Gefahr sind nun die selbst ernannten Katastrophenpropheten."

Die Bundesregierung befinde sich in enger Abstimmung mit den europäischen Partnern, den Zentralbanken und auch in Kooperation mit der US-Regierung. Ziel sei es, gemeinsam für ein ordnungsgemäßes Funktionieren der Finanzmärkte Sorge zu tragen. Die Reaktionen seiner Kollegen seien absolut identisch.

Ifo-Institut

Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn glaubt, dass es nach den Terroranschlägen in den USA zu keiner Rezession kommen wird. Die für die USA erwartete konjunkturelle Trendwende werde sich aber verzögern. Wie lange hänge von der Wiederherstellung des Vertrauens in die politische und militärische Führung des Landes ab. Durch die Anschläge habe sich aber die Risikoeinschätzung der USA grundlegend verändert, sagte Sinn. "Die USA sind nicht mehr der sichere Hafen." Das werde sich auf die großen Kapitalzuflüsse nach Amerika und damit auf die Kurse der US-Aktien auswirken.

Längerfristige Folgen für die Weltkonjunktur wären nur bei einem massiven Gegenschlag der USA gegen arabische Staaten zu erwarten, sagte der Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung. Die Wahrscheinlichkeit dieses "düsteren Szenarios" sei aber relativ gering.

Abwartende Einschätzungen

EZB-Präsident Wim Duisenburg

Entscheidend sei nun, dass das Vertrauen der Verbraucher und der Wirtschaft stabil bleibt. Eine überstürzte Reaktion der EZB nach den Anschlägen hätte an den Märkten eher für Panik als für Ruhe gesorgt. Duisenberg schloss langfristige Folgen für die Weltwirtschaft durch die Terrorakte nicht aus. Es sei jedoch noch zu früh für ein solches Urteil.

Japans Finanzminister

Vor der Eröffnung der Börse in Tokio sagte der japanische Finanzminister Masajuro Shiokawa in der Nacht zum Mittwoch, die Wirkung der Terroranschläge in den USA auf die Finanzmärkte könne groß sein. Auch sei nicht auszuschließen, dass die globale Verlangsamung der Wirtschaft weiter zunehmen werde.

Finanzexperten

Der Chefökonom der Bank Wells Fargo, Sung Won Sohn, hatte zuvor eine weltweite Rezession als "höchst wahrscheinlich" bezeichnet. Zuletzt habe sich die Wirtschaft auf einem Drahtseil-Akt zwischen Rezession und schwachem Wachstum befunden. "Dieser Anschlag auf das Vertrauen wird uns in eine Rezession schleudern." Er rechne mit panischen Massenverkäufen, sobald die US-Börsen wieder geöffnet seien.

Auch der Chefvolkswirt der schwedischen Handelsbanken, Mats Kinwall, sagte zu den Anschlägen: "Das könnte eine Rezession auslösen."

Insbesondere der Anstieg der Ölpreise gibt nach Ansicht der Analysten Anlass zur Sorge: "Wir wissen nicht, wie lange der Preisanstieg anhalten wird, aber es ist nicht gut für das Wachstum", sagte der Chef des Forschungsinstituts Centre for Economic und Business Research in London, Douglas McWilliams.

Der Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Rüdiger Pohl, sieht die Gefahr einer weltweiten Rezession nach den Terroranschlägen in den USA gestiegen. "Es ist wie nach einem Herzinfarkt, der Patient ist nicht stabil, auch wenn die Situation noch nicht hoffnungslos ist", sagte Pohl am Mittwoch. "Wenn die Verbraucher in den USA unter dem den Eindruck der Verunsicherung und der Panik ihr Portemonnaie zumachen, steht am Ende die Rezession." Und weltwirtschaftlich hänge alles an den USA.

Pohl wies zudem auf die Gefahr höherer Ölpreise hin, die eine Erholung der Konjunktur unmöglich machen würden. "Die Lage ist heikel", sagte Pohl. Er halte aber bei den verschiedenen möglichen Szenarien eine Rezession nicht für die wahrscheinlichste, sagte der IWH-Chef.

Nach Einschätzungen des Chefvolkswirt der Commerzbank, Ulrich Ramm, werden die Turbulenzen an den Börsen nur für kurze Zeit anhalten. Mögliche Auswirkungen sieht aber auch er durch steigende Rohölpreise.

Die Terroranschläge in den USA dürften der Investmentbank Goldman Sachs zufolge die aktuelle Konjunkturschwäche in Europa verschärfen. Die Anschläge belasteten voraussichtlich das Verbrauchervertrauen und verzögerten damit die wirtschaftliche Erholung, teilte Goldman Sachs am Mittwoch in London mit.

Der Bremer Ökonom Rudolf Hickel erwartet, dass in den USA ein "Angstsparen" einsetzt und "die Rezession jetzt schneller und tiefer kommt". Es werde aber keine Weltwirtschaftskrise geben. Die starke Kapitalflucht dürfte sich fortsetzen, weil die USA bei den Anlegern nicht mehr als risikoarmer Raum gelten. Der Dollar werde erstmal abwerten.

DIW

Das Konsumentenvertrauen in den USA wird nach Einschätzung des DIW darüber entscheiden, ob die Terroranschläge zu einer weltweiten Rezession führen wird oder nicht. An den Märkten werde sich in den nächsten zwei bis drei Tagen zeigen, ob die Panikverkäufe vorbeigingen, sagte der Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Ulrich Fritsche, am Mittwoch.

(sueddeutsche.de/ dpa/ Reuters)

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