Pressestimmen zu Griechenland:"Trostlose Aussichten für ein stolzes Land"

Pressestimmen zu Griechenland: Ein Graffito an einer Mauer in Athen. Auf Deutsch liest sich das als ein "Nein" zum Euro.

Ein Graffito an einer Mauer in Athen. Auf Deutsch liest sich das als ein "Nein" zum Euro.

(Foto: Petros Giannakouris/AP)

Griechenland läuft die Zeit davon. In der Presse wird vor einer Spaltung gewarnt - im Land und in der Euro-Zone.

Efimerida ton Syndakton, Griechenland:

Die Zeitung hält die Angst und die Spaltung für die größten Gefahren der Stunde. In diesem Sinne ruft sie das griechische Volk zur Geschlossenheit auf und zitiert dabei Franklin Roosevelt: "Vertrauen und Mut sind die entscheidenden Punkte, um unseren Plan erfolgreich auszuführen."

Ta Nea, Griechenland:

"Der weltweit einmalige Einfall der Ausrufung eines Referendums über einen Vorschlag, den es gar nicht gibt, und die Absicht der Regierung, ein deutliches "Nein" zu sichern, um es dann als Waffe in einer Verhandlung zu nutzen, die niemand mehr führen will, birgt zwei große Gefahren: Zum einen die Gefahr der Spaltung der griechischen Gesellschaft. Wenn die Befürworter des "Nein" als Drachmen-Lobby und die Befürworter des "Ja" als Schäubles Diener bezeichnet würden, kann nur schwer eine reibungslose Abwicklung garantiert werden. Die zweite und größere Gefahr ist die Anzweiflung der europäischen Identität des Landes, die unberechenbare Auswirkungen auf die Zukunft des Landes haben wird. Niemand - nicht einmal die fanatischsten Euroskeptiker - können sich das Ausmaß der Katastrophe vorstellen, die der Austritt für Millionen von Griechen bedeuten würde, die kein Geld ins Ausland gebracht haben".

Kathimerini, Griechenland:

"Die Regierung spielt ihre letzten Karten und das Land sieht schon, was daraus folgt. Falls Tsipras das Land in die Drachme zurück führen will, dann machen seine Handlungen Sinn. Nicht für das Land, nicht für das Volk, aber für ihn. Wenn nicht, muss er eine Kehrtwende machen, bevor es zu spät ist."

Le Figaro, Frankreich:

"Diese sich hinziehende Tragödie kommt daher, dass Griechenland nie seinen Platz in der Euro-Zone hatte. Ob es nun durch einen Irrtum da hineingekommen ist, durch fehlende Umsicht der europäischen Institutionen und der großen Länder mit Frankreich und Deutschland an der Spitze. Eine gemeinsame Währung braucht wenigstens eine Gemeinsamkeit bei der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft der Länder (...), eine Akzeptanz der Steuerzahlung, den Willen und die Fähigkeit, den öffentlichen Haushalt auszugleichen. (Griechenlands Premier Alexis) Tsipras glaubt daran nicht und schlägt seinem Volk den großen Sprung ins Unbekannte vor. Es ist an den Griechen, zu entscheiden."

The Times, Großbritannien:

"Die Spekulationen über einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone nehmen jetzt zu. Die Regierungen der Eurozonen-Länder werden diese Entwicklung kaum verhindern und ansonsten beobachten, wie Syriza die griechische Bevölkerung weiter verarmen lässt. Da es unmöglich ist, die Drachme wiedereinzuführen, dürfte ein negatives Votum bei der Volksabstimmung Griechenland zu einer Art Montenegro werden lassen: Kein Mitglied der EU oder der Eurozone, doch ohne eigene Währung und mit dem Euro als Währung.Trostlose Aussichten für ein stolzes und unabhängiges Land, das eine ideologisch gesteuerte und völlig wertlose Regierung in knapp sechs Monaten zu Boden gebracht hat."

La Repubblica, Italien:

"Die Entscheidung der Regierung Tsipras, ein Referendum zu den Reformvorschlägen der Eurogruppe einzuberufen, könnte schlimme Konsequenzen sowohl für Griechenland als auch für die EU haben. Die Situation ist schnell allen aus der Hand gerutscht - in einem Teufelskreis, der gestern Abend zu der Ankündigung geführt hat, dass die Banken geschlossen bleiben. Ausgelöst durch die Ankündigung von Tsipras, ein Referendum abzuhalten, das von den Geldgebern als Abbruch der Verhandlungen interpretiert wurde. So lange und komplexe Verhandlungen bricht man nicht in letzter Minute einfach so ab - es sei denn, man ist absolut überzeugt, der Gegenseite nicht mehr vertrauen zu können."

Nesawissimaja Gaseta, Russland:

"Die griechische Krise hat sich zu einem politischen Erdbeben mit unabsehbaren Folgen ausgeweitet. Das Gericht des Volkes soll nun bei einem Referendum am 5. Juli über die Forderungen der EU, der EZB und des IWF entscheiden. Damit bestimmt Griechenland sein Schicksal. Das Verhandlungsszenario aber ist für den Moment zumindest gescheitert. Griechenland droht die Staatspleite und ein Ausstieg aus der Eurozone. Die Eurokrise hat damit ihren Höhepunkt erreicht (...) Die Länder der Eurozone haben einen so starken Druck auf Griechenland aufgebaut, dass die Regierung in Athen praktisch in die Ecke gedrängt ist. In den wichtigsten Hauptstädten der Eurozone gibt es fieberhafte Sitzungen, aber keiner weiß bisher, was zu tun ist - abwarten, die Tür zuschlagen oder doch auf die griechischen Stimmungen eingehen."

Neue Zürcher Zeitung, Schweiz

"Ungeachtet der nun zu erwartenden Turbulenzen: Langfristig kann die Zäsur eine reinigende Kraft entfalten für den Euro-Raum. Endlich nimmt Brüssel etwas Abstand vom schleichend umgesetzten Konzept einer Haftungsunion. Dass daher Zweifel an der Irreversibilität des Währungsverbundes aufkommen, muss nicht schlecht sein. Den Euro-Staaten wird in Erinnerung gerufen, dass man sich die Mitgliedschaft in der Währungsunion stetig verdienen muss, mit solider Finanzpolitik. Vielerorts hat man diese Lektion gelernt, etwa in Irland, Spanien und Portugal. Es ist zu hoffen, dass die Botschaft endlich auch in den Schlüsselstaaten Frankreich und Italien ankommt. Die Euro-Zone würde dann gestärkt aus dem derzeitigen Drama hervorgehen."

De Telegraaf, Niederlande:

"Für Europa bedeutet es vor allem politischen Schaden. Der Euro sollte die Krönung des europäischen Projekts sein. Inzwischen scheint es seine größte Schwachstelle zu sein. Wenn ein Land aus dem Euro tritt, weiß keiner absolut sicher, ob nicht noch mehr Länder folgen werden. Griechenland kommt dann auch als feste Größe der Europäischen Union ins Wanken. Die Amerikaner werden das mit Entsetzen registrieren. Denn ein instabiler Nato-Partner am Rande Europas ist für sie nicht wünschenswert. Europa steht am Rande und schaut zu. Was können die politischen Führer auch anderes tun nach monatelangem Reden? Am Ende entscheidet jedes Land selbst über sein Schicksal. (...) Aber die Folgen sind enorm. Dies geht nicht nur Griechenland an. Dies ist ein großes europäisches Problem."

Pravda, Slowakei:

"Was soll an der Referendums-Ankündigung von Alexis Tsipras überraschend sein? Dass die europäischen Politiker gemeinsam den griechischen Regierungschef in die Ecke trieben, ohne im Voraus festzustellen, wie diese Ecke aussehen wird? Die gegenwärtige Situation muss noch immer nicht den automatischen Austritt Griechenlands aus der Eurozone bedeuten. Sie rückt aber den Tag wieder näher, an dem den Griechen der Austritt annehmbarer scheint als die heutige Ungewissheit des Diktats europäischer Technokraten."

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