Presse: Bilanz von Montgomery:Goodbye, "Rommel"

Ein Fallbeispiel, warum "Heuschrecken" in den Medien nichts verloren haben: Der Finanzinvestor Montgomery scheitert in Deutschland. Er muss die Berliner Zeitung verkaufen.

Hans-Jürgen Jakobs

Sie haben ihm nichts genutzt - diese vielen Bekenntnisse, doch um Himmels willen keine "Heuschrecke", sondern "Verleger" zu sein. Wann immer David Montgomery seine Botschaft anbrachte, glaubte ihm keiner.

David Montgomery

David Montgomery kaufte die Berliner Zeitung - und wurde nicht glücklich.

(Foto: Foto: ddp)

Der Mann sah einfach mehr nach "City", nach dem Londoner Finanzdistrikt aus, als nach einem Zeitungsmann, der er zweifelsohne auch einmal war. Zu viel Abträgliches war über den gelernten Journalisten und ehrgeizigen Finanzinvestor in der Presse erschienen, zu oft war die Rede von "Rommel" gewesen, wie ihn britische Journalisten beschrieben hatten - in Anlehnung an den Deutschen Erwin Rommel, der sich im Zweiten Weltkrieg in Nordafrika Kämpfe mit den Truppen des britischen Generals Bernard Montgomery lieferte.

Nun ist "Rommel" in Deutschland nach etwas mehr als drei Jahren gescheitert, sein "Nordafrika" ist Berlin. Den Berliner Verlag mit der Berliner Zeitung und dem Kurier sowie die Hamburger Morgenpost reicht er für einen nicht einmal kostendeckenden Preis von schätzungsweise 152 Millionen Euro an den Kölner Alfred Neven DuMont weiter, einen wirklichen Verleger. Einst hatte Montgomery mit seinen Mitfanziers immerhin insgesamt mehr als 210 Millionen Euro investiert.

Ein aggressiver Finanzhai hat im vergleichsweise ruhigen, ja, fast betulichen deutschen Verlagswesen keine Chance, das wusste Montgomery. Doch dieses "Rommel"-Heuschrecken-Image wurde der gebürtige Nordire einfach nicht los. Die angestammten deutschen Zeitungshäuser mieden ihn. Sie waren sich einig: Der kriegt unsere Zeitungen nicht. So einen wollen wir hier nicht. Und so bekam die "Heuschrecke" einfach nichts mehr zu fressen.

Eine Front aufgebaut

Bei der Sächsischen Zeitung beispielsweise legte die der SPD gehörende Medienholding DDVG, die 40 Prozent der Anteile hält, größten Wert auf eine interne Abmachung, wonach das Blatt auf keinen Fall an Finanzinvestoren verkauft werden dürfe - und Montgomery fällt für die SPD in diese Kategorie. Deshalb konnte er den erhofften Deal in Dresden vergessen.

Der Mann, den sie "Rommel" nannten, hatte eine Front gegen sich aufgebaut, an der er scheitern musste.

Aus der Traum von einer deutschen Zeitungskette mit ganz vielen Blättern, die sich in Montgomerys Mecom-Reich aufs Wunderbarste zu den anderen eigenen Verlagsfirmen in anderen europäischen Staaten fügen würde. Aus auch mit der Idee, anonymes Finanzkapital könnte zum Wohle der Gesellschaft eine bedeutende Rolle im sensiblen Markt der Presse spielen.

Es ging doch immer nur, typisch für die Private-Equity-Szene, um Rendite, nicht um Meinungskraft, Reporterkunst und Nachrichtenhoheit. Nur die kleine Hamburger Morgenpost hatte Montgomery seinem Traumgebilde einfügen können.

Überaus unfreundlich war schon der Start in Deutschland gewesen, damals im Oktober 2005. Die Mitarbeiter des Berliner Verlags hielten Schilder hoch mit fetten Heuschrecken, die durchgestrichen waren. Sie hatten in Vollversammlungen gegen den Kauf geredet, und der damals amtierende Chefredakteur Uwe Vorkötter hatte in Interviews gegen Montgomery und seine Finanzarmada argumentiert. Jetzt ist Vorkötter Chefredakteur der Frankfurter Rundschau, die inzwischen auch zu DuMontSchauberg gehört.

Bei der Berliner Zeitung gab es nach Montgomerys Einstieg fast jeden Monat außerordentliche Vorkommnisse, die man sich so vorher nie hätte vorstellen können. Die Zeitung vom Alexanderplatz wurde zum Menetekel für die Gefahren, die dem Geist durch das große Geld drohen.

Post für den Verleger

Im Februar 2008, also fast dreißig Monate nach dem Einstieg der Finanzinvestoren, schrieb die Redaktion der Berliner Zeitung einen offenen Brief an ihren Verleger Montgomery in London und fasste in wenigen Zeilen zusammen, was aus ihrer Sicht schiefgelaufen ist: "Zunehmend erschweren die Kostenreduzierungen unsere Bemühungen. Eine abnormal hohe Zahl von qualifizierten Kollegen verlässt das Haus; die Inhalte unseres Produkts drohen zu verarmen. Unsere Zeitung verliert Leser, der Ruf der Marke erodiert."

Und dann forderten die Vertreter eines Berufsstandes, der in Jahrhunderten den Geist der Gesellschaft repräsentiert hat, eine langfristige publizistische Geschäftsstrategie. Wenn Montgomery und Mecom dazu nicht in der Lage wären, sollte doch bitte schön nach einem neuen, geeigneten Eigentümer gesucht werden. Wenige Wochen später wurde bekannt, dass die Zahl der Redakteursstellen weiter sinken sollte, von 130 auf 90, und die einst verkündete Online-Offensive keine Priorität mehr habe.

Der plötzliche Ausstieg des Bertelsmann-Konzerns aus dem Berliner Verlag, der nach der Wende noch Quell für kühnste eigene verlegerische Ambitionen war, hatte die Talfahrt der Zeitung erst möglich gemacht. Der langjährige Spiegel-Chefredakteur Erich Böhme, den die Bertelsmann-Tochter Gruner + Jahr 1990 als Herausgeber holte, hatte noch vollmundig von einer "deutschen Washington Post" gesprochen.

2006, lange nach seinem Dienstschluss, zeigte sich der Journalist stolz auf "unsere Mini-Washington-Post", doch sei mit dem "jungen Traditionsblatt zu oft Schlitten gefahren worden".

Aus kartellrechtlichen Gründen konnte die Holtzbrinck-Gruppe (Tagesspiegel, Zeit) das Blatt nach langen juristischen Querelen nicht übernehmen. Der Fall beschäftigte die deutsche Politik und die Presse in allen Einzelheiten, und der Berliner Verlag war in jener Zeit sich selbst überlassen - was ihm in der Rückschau besser tat als David Montgomery, der einst Geschäftsführer der britischen Zeitungsgruppe rund um den Daily Mirror war.

Rasch bewahrheitete sich, dass eine solche Beteiligungsfirma wie Mecom in einem Verlags-Qualitätsmarkt für größte Verwerfungen sorgen muss. Montgomery ist seinen Finanziers verantwortlich, zum Beispiel Pensionsfonds aus der Londoner City. Zeitungen sind für Finanzinvestoren aus einem simplen Grund genauso interessant wie beispielsweise eine Betätigung im Kabelfernsehen: Es kommt regelmäßig Geld in die Kasse, weil es Abonnenten gibt, die monatlich eine feste Summe überweisen. Mit nichts ist besser zu kalkulieren als mit solchen konstanten, sicheren Einnahmen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Warum Mecom in Berlin gescheitert ist.

Goodbye, "Rommel"

Wenn dann der Käufer einer Zeitung noch viel Fremdkapital einsetzt, ließe sich trotz wenig rosiger Wachstumsaussichten der Branche ein Traumgewinn erzielen, glaubten die Chefs solcher Beteiligungsfirmen wie Mecom. Es müsse ja nur gelingen, über eine neue Organisation, mehr Geschmeidigkeit gegenüber Werbekunden zu erzielen und über das große Kostensparen den Gewinn zu steigern. Dann könnte am Ende ein solches Objekt im Verbund mit anderen Blättern wieder mit einem großen Aufschlag verkauft werden.

Dieses Modell ist gescheitert. Es bleibt nur das Lehrbeispiel zurück, wie man es nicht macht. Montgomery und seine Helfer ließen keinen Zweifel daran, dass die interne Rendite schnell gesteigert werden sollte; die neun Millionen Euro, die das Blatt 2005 erwirtschaftet hatte, reichten der Korona des Kapitals nicht. Aus 14 Prozent Rendite sollten 18 Prozent werden, wie aus der Redaktion zu hören war - was auch nur ein Zwischenwert sein sollte.

Die Finanzbranche hatte sich - bis die Kreditkrise in den USA aufbrach - nun einmal an Größen zwischen 20 Prozent und 30 Prozent gewöhnt. Dass Montgomery bei seinen Plänen auch nicht vor plumpen Methoden zurückschreckt, wurde klar, als er den zuvor bei der Hamburger Morgenpost durch kaufmännische Taten aufgefallenen Boulevardjournalisten Josef Depenbrock zum Chefredakteur und Geschäftsführer machte.

Der Mann wurde sowohl für Journalismus als auch für das Geschäft verantwortlich - also für redaktionelle Unabhängigkeit und kaufmännische Abhängigkeit gleichermaßen. "Der Newsroom soll näher an das Anzeigengeschäft rücken", gab Montgomery als Strategie aus.

Die Trennung von Werbung und Redaktion ist ein eisernes Prinzip der Branche, das jahrhundertelang in Großbritannien genauso gegolten hat, selbst wenn es in der Praxis hier und da von schwächeren Zeitungen unterlaufen wurde.

Notausgabe nach Protest-Aktion

Die Redaktion protestierte, sie streikte sogar, und an einem Tag erschien die Berliner Zeitung mit einer Notausgabe. Auch sahen die Journalisten ihr eigenes Redaktionsstatut verletzt, das eine Trennung von Redaktion und Geschäft vorsieht, und klagten (erfolglos) vor Gericht.

Der Berliner Fall beweist, wie schnell man eine Zeitung ruinieren kann, und wie der Zwang zum Geld dem Verlust an Geist entspricht. Immer wieder war im Berliner Verlag von Streichungen im Budget die Rede, von Stellenstreichungen oder Papiereinschränkungen, aber auch von hochtrabenden Plänen, Redaktion und Werbung besser zu planen. Und man wollte Print und Online zusammenzuführen. Der einstige Herausgeber Böhme hatte orakelt: "Ob die Freunde noch zu retten sind und ob das ein Beispielfall für andere ist, wer weiß."

Die Antwort, die der beim britischen Boulevardblatt The Sun als Journalist ausgebildete Montgomery auf dem Markt gab, ist inzwischen klar: Zu retten war die Berliner Zeitung bei Montgomery nicht mehr, und ein Beispielfall ist das Desaster par excellence.

Seine ersten Mitfinanziers von der Investmentfirma Veronis Suhler Stevenson (VSS) hatten noch verkündet, die eigene Strategie sei "buy and build" - der Berliner Verlag sei "die Plattform, um organisch zu wachsen und am Ende, in fünf bis zehn Jahrem, dem Markt "ein Schmuckstück von einem Unternehmen zurückzugeben".

Schmuckstück? Talmi vielleicht.

Schon früh zeichnete sich ab, dass die Erwartungen des David Montgomery, bei der Konsolidierung der europäischen Zeitungen zur wichtigen Größe zu werden, nicht eintreffen werden. Seine selbstgewählte Rolle als "Retter" oder "Sanierer", die in Wirklichkeit die eines Ausschlachters oder bestenfalls eines publizistischen Gebrauchtwagenhändlers ist, implizierte, hier könne einer einen Beitrag zur Neustrukturierung einer alten Branche leisten, die sich radikal anpassen und ändern muss.

Am Ende bleibt eine andere schlichte Erkenntnis: Dass sich im Globalisierungs-Kapitalismusrausch schon viele Hasardeure verzockt haben, dass es aber nirgendwo so schädlich ist wie bei einem, der mehr als 100 Zeitungen in sechs Ländern zusammengerafft hat. An vielen Stellen in Montgomerys Mecom-Reich, beispielsweise in Norwegen oder in den Niederlanden, hatten sich bald ähnliche Probleme wie in Berlin gezeigt.

Da bleibt jetzt vielen nur die Hoffnung, dass sich wie in Berlin ein richtiger Verleger finden möge.

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