Vor vier, fünf Jahren gab es bei den deutschen Banken einen wichtigen Trend: Auf einmal sprachen fast alle Institute davon, dass sie mit dem deutschen Mittelstand groß ins Geschäft kommen wollen - auch solche, denen kleine und mittlere Unternehmen bis dahin nicht so wichtig gewesen waren. Der damalige Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen war besonders optimistisch: Er läutete eine Mittelstands-Offensive mit der Warnung an Sparkassen und Genossenschaftsbanken ein, sie müssten sich nun "warm anziehen". Auch einige Landesbanken drängten in das Geschäftsfeld. Die Commerzbank sah sich ohnehin traditionell schon immer als "Mittelstandsbank".
Der Grund lag auf der Hand: Nach der Finanzkrise schmolzen den Kredithäusern die Geschäfte auf breiter Front weg. Im Investmentbanking war nicht mehr viel zu holen, weil die Regulierung den Handel mit Aktien, Anleihen und Währungen teuer machte. Auch im Privatkundengeschäft war nicht mehr viel zu verdienen, weil die Bundesbürger kaum provisionsträchtige Produkte kauften. Also blieb der Mittelstand, dem es nach wie vor relativ gut ging.
Mancher prophezeite allerdings damals schon, dass es nicht gut gehen könne, wenn sich zu viele auf denselben Markt stürzen. "Eigentlich wollen sich zu viele Banken um den Mittelstand kümmern", sagte 2012 etwa Wolfgang Kirsch, der Chef der DZ Bank, des Spitzeninstituts der Volks- und Raiffeisenbanken. "So viel Mittelstand gibt es in Deutschland gar nicht." Die Entwicklung vier Jahre später zeigt, dass er Recht bekommen hat: Das Geschäft mit der Finanzierung des Mittelstands ist für Banken schwierig geworden. Die goldenen Zeiten, die sich manches Geldhaus versprach, sind nicht eingetreten.
Am deutlichsten sichtbar wird das bei der Marge: Sie lag für Kredite über einer Million Euro im Juni nur noch bei 1,21 Prozent und damit auf dem niedrigsten Stand seit 2008. Vor zwei Jahren betrug die Marge noch 1,56 Prozent. Das bedeutet, dass die Gewinnspanne fast um ein Viertel eingebrochen ist. Peter Barkow, Gründer des Finanz-Analysehauses Barkow Consulting, nennt diesen Preisverfall "atemberaubend". Eine wesentliche Ursache dafür ist, dass zu viele Banken auf den Mittelstands-Zug aufgesprungen sind und sich nun gegenseitig Konkurrenz machen. Ein anderer Grund ist, dass die Wirtschaft in Deutschland und Europa nicht gerade brummt. Viele Unternehmen halten sich mit Investitionen zurück, weil sie nicht erwarten, dass die Konjunktur nachhaltig anzieht. Deshalb fragen sie auch kaum Kredite nach - zumal viele Mittelständler in Deutschland ohnehin über eine gesunde Kapitalbasis verfügen und keinen großen Finanzierungsbedarf haben.
Zuletzt kam für Banken erschwerend hinzu, dass die Europäische Zentralbank seit Juni auch Unternehmensanleihen aufkauft; Firmen können sich damit billiger finanzieren. So versucht die Zentralbank die Wirtschaft anzukurbeln. Der Effekt ist schon deutlich zu sehen: Die Rendite von Firmenanleihen mit guter Bonität hat sich in Europa auf 0,80 Prozent halbiert.
"Gerade für große Unternehmen ist die Finanzierung über Anleihen eine echte Alternative zum Bankkredit geworden", sagt Barkow. Sie könnten damit auch Druck auf die Geldhäuser ausüben, dadurch sinke die Marge. Das betrifft vor allem Kredite mit großem Volumen. Bei kleineren Krediten von bis zu einer Million ist die Marge bei Weitem nicht so stark gesunken. Sie lag im Juni bei 2,34 Prozent - nur sechs Prozent niedriger als vor zwei Jahren. Allerdings verdienen Banken mit kleinen Krediten auch nicht so gut wie mit großen. Denn der Aufwand - vor allem die Prüfung der Bonität des Unternehmens - ist kaum geringer als bei einem Großkredit.
Dass die Zeiten für Banken nicht mehr so gut sind, wie sie einmal waren, zeigt sich bisher am deutlichsten bei der Commerzbank. Dort war die Mittelstandssparte mit Krediten über 2,5 Millionen Euro in den vergangenen Jahren der zuverlässigste Gewinnlieferant. Zuletzt aber wurde es von Quartal zu Quartal weniger. Schon ist die Rede davon, dass in dem erfolgsverwöhnten Bereich ein großer Sparplan bevorsteht. Bis zu 25 Prozent der Kosten sollen runter, was auch einen beträchtlichen Stellenabbau bedeuten würde. Konkretes dürfte Vorstandschef Martin Zielke Ende September bekannt geben.
Der frühere Deutsche-Bank-Co-Chef Fitschen hat mit seiner Prognose also irgendwie recht behalten, nur dass sie nicht nur auf Sparkassen und Genossenschaftsbanken zutrifft: Alle Institute müssen sich im Mittelstandsgeschäft warm anziehen.